Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Viertes Vierteljahr.Grillparzer und die klugen Frauen Daß zu diesem Ausgang aber unsre Zustimmung erworben werde, dazu Nimm alle Fehler dieser weiten Erde, Nur eins vergißt er: sie ist schön; und noch eins: wo es gilt, ihn zu locke" Und Liebesgöttin, du, die mich berief. Schließlich sei noch einer Vermutung Raum gegeben. Die oben angeführte
Grillparzer und die klugen Frauen Daß zu diesem Ausgang aber unsre Zustimmung erworben werde, dazu Nimm alle Fehler dieser weiten Erde, Nur eins vergißt er: sie ist schön; und noch eins: wo es gilt, ihn zu locke» Und Liebesgöttin, du, die mich berief. Schließlich sei noch einer Vermutung Raum gegeben. Die oben angeführte
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0158" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/206157"/> <fw type="header" place="top"> Grillparzer und die klugen Frauen</fw><lb/> <p xml:id="ID_601" next="#ID_602"> Daß zu diesem Ausgang aber unsre Zustimmung erworben werde, dazu<lb/> war notwendig, daß durch das Wesen, das die Verirrung veranlaßte, diese<lb/> auch wirklich als solche und als nichts andres kenntlich gemacht wurde. Und<lb/> das zu erreichen hat sich der Dichter auch redlich bemüht, ja fast zu viel.<lb/> Groß ist der Abstand zwischen Sappho und Phaon, aber unendlich größer der<lb/> zwischen dein Könige und Nadel. Fast hat es den Anschein, als ob der Dichter,<lb/> nachdem er in einer ganzen Reihe von Werken dem weiblichen Geschlechte bis<lb/> zur Erschöpfung Huldigung ans Huldigung dargebracht hatte, min auch zum<lb/> Ausgleich und wie um der Gerechtigkeit willen das Urbild weiblicher, besonders<lb/> geistiger Gebrechlichkeit ihnen gegenüberzustellen das Bedürfnis gehabt Hütte.<lb/> Der König schildert sie:</p><lb/> <quote> Nimm alle Fehler dieser weiten Erde,<lb/> Die Thorheit und die Eitelkeit, die Schwäche,<lb/> Die List, den Trotz, Gefallsucht, ja die Habsucht,<lb/> Vereine sie, so hast du dieses Weib.</quote><lb/> <p xml:id="ID_602" prev="#ID_601"> Nur eins vergißt er: sie ist schön; und noch eins: wo es gilt, ihn zu locke»<lb/> und aufs neue zu fesseln, da entwickelt sie instinktiv so viel Verschlagenheit und<lb/> ist so treffsicher, wie etwa urplötzlich in seiner Weise der „blöde Schlucker"<lb/> Leander, der von sich sagt:</p><lb/> <quote> Und Liebesgöttin, du, die mich berief.<lb/> Den kundlos neuen, lernend zu belehren<lb/> Die llnberichtete, was dein Gebot.</quote><lb/> <p xml:id="ID_603"> Schließlich sei noch einer Vermutung Raum gegeben. Die oben angeführte<lb/> Bemerkung Grillparzers: „Eine wunderschölle Frau" n. s. to. soll ans eine Frau<lb/> Daffinger gehen. Wenn darnach das Äußere dieser Dame seine Verewigung<lb/> in Hero gefunden hat, so läßt die Schilderung, die Grillparzer in dein nennten<lb/> Gedichte der Irisim ex pontv (Trennung, Strophe 5 und 6) von ihr ent¬<lb/> wirft, vermuten, daß ihre seelische Beschaffenheit allerlei zu der Ausstattung<lb/> des Kobolds Nadel habe liefern müssen. Denn die Strophen lauten:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_10" type="poem"> <l> Ein Rätsel warst dn mir, wie man beim Spiele,<lb/> Den Nachbar neckend, wohl zusammensucht.<lb/> Jetzt los' nud leicht, leichtfertig selbst, wie viele,<lb/> Drauf wieder ernst und streng, wie viele nicht.</l> <l> Bald seh ich Hohn durch deine Züge schweifen.<lb/> Drauf sie verklärt von warmer Thränen Hauch,<lb/> Nun mühsam dich das Leichtste nicht begreifen,<lb/> Dann selbst das Tiefste wieder fassen anch.</l> </lg> </quote><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0158]
Grillparzer und die klugen Frauen
Daß zu diesem Ausgang aber unsre Zustimmung erworben werde, dazu
war notwendig, daß durch das Wesen, das die Verirrung veranlaßte, diese
auch wirklich als solche und als nichts andres kenntlich gemacht wurde. Und
das zu erreichen hat sich der Dichter auch redlich bemüht, ja fast zu viel.
Groß ist der Abstand zwischen Sappho und Phaon, aber unendlich größer der
zwischen dein Könige und Nadel. Fast hat es den Anschein, als ob der Dichter,
nachdem er in einer ganzen Reihe von Werken dem weiblichen Geschlechte bis
zur Erschöpfung Huldigung ans Huldigung dargebracht hatte, min auch zum
Ausgleich und wie um der Gerechtigkeit willen das Urbild weiblicher, besonders
geistiger Gebrechlichkeit ihnen gegenüberzustellen das Bedürfnis gehabt Hütte.
Der König schildert sie:
Nimm alle Fehler dieser weiten Erde,
Die Thorheit und die Eitelkeit, die Schwäche,
Die List, den Trotz, Gefallsucht, ja die Habsucht,
Vereine sie, so hast du dieses Weib.
Nur eins vergißt er: sie ist schön; und noch eins: wo es gilt, ihn zu locke»
und aufs neue zu fesseln, da entwickelt sie instinktiv so viel Verschlagenheit und
ist so treffsicher, wie etwa urplötzlich in seiner Weise der „blöde Schlucker"
Leander, der von sich sagt:
Und Liebesgöttin, du, die mich berief.
Den kundlos neuen, lernend zu belehren
Die llnberichtete, was dein Gebot.
Schließlich sei noch einer Vermutung Raum gegeben. Die oben angeführte
Bemerkung Grillparzers: „Eine wunderschölle Frau" n. s. to. soll ans eine Frau
Daffinger gehen. Wenn darnach das Äußere dieser Dame seine Verewigung
in Hero gefunden hat, so läßt die Schilderung, die Grillparzer in dein nennten
Gedichte der Irisim ex pontv (Trennung, Strophe 5 und 6) von ihr ent¬
wirft, vermuten, daß ihre seelische Beschaffenheit allerlei zu der Ausstattung
des Kobolds Nadel habe liefern müssen. Denn die Strophen lauten:
Ein Rätsel warst dn mir, wie man beim Spiele,
Den Nachbar neckend, wohl zusammensucht.
Jetzt los' nud leicht, leichtfertig selbst, wie viele,
Drauf wieder ernst und streng, wie viele nicht. Bald seh ich Hohn durch deine Züge schweifen.
Drauf sie verklärt von warmer Thränen Hauch,
Nun mühsam dich das Leichtste nicht begreifen,
Dann selbst das Tiefste wieder fassen anch.
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