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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Aus dem Leben des Kardinals Rauscher

Mit metrischen Übersetzungen aus Ovid begann er, dann versuchte er sich in
romantischen Epen, teils mit antiken, teils mit vaterländischen Stoffen. "Arbo
von Österreich," "Humor und Antigone," "Wiens Gefahr und Rettung" siud
die Titel dieser Versuche. Wohl die Dramen des Mathüus Collin, später
vielleicht die Bekanntschaft mit Grillparzer regten ihn dann auch zu dramatischen
Dichtungen um, sechzehnjährig schrieb er ein Trauerspiel "Catilinci," vier Jahre
später die "Braut des Sultans," dann eine "Zaire" und eine "Alzire" nach
Voltnire und andres. Ein geschichtliches Staat, "Konradin," schließt wieder
die Reihe. Rauscher trug sich nach 1825, als er längst Priester und "Cooperator"
in Hüttelsdorf bei Wien war, mit dem Gedanken, diese "Spielereien" seiner
entschlummerten Muse drucken zu lassen, ja er dachte sogar an eine Aus¬
führung in Frankfurt. Im Jahre 1829 äußerte er sich über seine dichterische
Periode, die er nun als "weit hinter sich liegend" bezeichnet, folgendermaßeni
"Durch mancherlei mehr innere als äußere Verhältnisse wurde die Bildnerei
der Dichtkunst schon in einem Alter, wo keine Geisteskraft zu irgend einer
Reife kann gediehen sein, das vorzüglichste, ich möchte sagen das ausschließende
Interesse meines Lebens. Ich hatte in diesem einseitigen Streben durch eine
Reihe von Jahren fortgerungen, als meine Geistesrichtung eine Umänderung
erfuhr, welche sich der ganzen Bestimmung (?) meiner Thätigkeit mitteilte und
meinem Leben eine neue Gestaltung gab. Ich vergaß jene früherei? Versuche
und bestimmte sie der Vergessenheit. Aber nach einiger Zeit erwachte die
bittere Empfindung, so viele Zeit und Kraft verloren zu geben, Bestrebungen,
an welche sich durch (!) Jahre laug (!) mein ganzes Dasein geknüpft hatte, spurlos
untergehen zu lassen; mit ihr vereinigte sich die Vorliebe für die Gebilde der
eignen Phantasie; ja ich begann zu erwägen, ob es denn auch recht gethan
sei, diese Arbeiten unbenutzt zu lassen und nicht zu versuchen, ob sie uicht unes
ihrer Weise ein Samenkorn des Guten ausstreuen konnten."

Jene seelische Umänderung, von der Rauscher hier spricht, trat zwischen
1817 und 181!" ein und wurde zunächst von schweren körperlichen Leiden
bewirkt, die den Jüngling beinah des Augenlichtes beraubten und ihn zu vielen
müßigen Stunden zwangen. Wie oft ist es nicht geschehen, daß solches Un¬
glück zu einer religiösen Vertiefung, zu einer "innerlichen Erleuchtung" geführt
hat! Hierzu kamen aber bei Rauscher uoch starke äußere Einflüsse. Durch
den spätern Olmützer Domherr Unkrechtsberg ward er mit dem nun selig ge¬
sprochenen Redemptoristen ?. Klemens Maria Hofbauer bekannt, der inmitten
des würdigen, aber josephinisch-nüchternen Wiener Klerus eine schwunghaftere,
ja schwärmerisch-asketische Richtung vertrat: zu seinen Verehrern zählte u. a.
Adam Müller, der Verfasser der "Elemente der Staatskunst," der Freund
Gentzens, einer von denen, die schon in der napoleonischen Zeit das Heil
Europas in einer katholisch-romantischen Restauration erblickt hatten. Auch
Hofbauer war wohl ein Kind der religiösen Romantik, die an der Wende des


Aus dem Leben des Kardinals Rauscher

Mit metrischen Übersetzungen aus Ovid begann er, dann versuchte er sich in
romantischen Epen, teils mit antiken, teils mit vaterländischen Stoffen. „Arbo
von Österreich," „Humor und Antigone," „Wiens Gefahr und Rettung" siud
die Titel dieser Versuche. Wohl die Dramen des Mathüus Collin, später
vielleicht die Bekanntschaft mit Grillparzer regten ihn dann auch zu dramatischen
Dichtungen um, sechzehnjährig schrieb er ein Trauerspiel „Catilinci," vier Jahre
später die „Braut des Sultans," dann eine „Zaire" und eine „Alzire" nach
Voltnire und andres. Ein geschichtliches Staat, „Konradin," schließt wieder
die Reihe. Rauscher trug sich nach 1825, als er längst Priester und „Cooperator"
in Hüttelsdorf bei Wien war, mit dem Gedanken, diese „Spielereien" seiner
entschlummerten Muse drucken zu lassen, ja er dachte sogar an eine Aus¬
führung in Frankfurt. Im Jahre 1829 äußerte er sich über seine dichterische
Periode, die er nun als „weit hinter sich liegend" bezeichnet, folgendermaßeni
„Durch mancherlei mehr innere als äußere Verhältnisse wurde die Bildnerei
der Dichtkunst schon in einem Alter, wo keine Geisteskraft zu irgend einer
Reife kann gediehen sein, das vorzüglichste, ich möchte sagen das ausschließende
Interesse meines Lebens. Ich hatte in diesem einseitigen Streben durch eine
Reihe von Jahren fortgerungen, als meine Geistesrichtung eine Umänderung
erfuhr, welche sich der ganzen Bestimmung (?) meiner Thätigkeit mitteilte und
meinem Leben eine neue Gestaltung gab. Ich vergaß jene früherei? Versuche
und bestimmte sie der Vergessenheit. Aber nach einiger Zeit erwachte die
bittere Empfindung, so viele Zeit und Kraft verloren zu geben, Bestrebungen,
an welche sich durch (!) Jahre laug (!) mein ganzes Dasein geknüpft hatte, spurlos
untergehen zu lassen; mit ihr vereinigte sich die Vorliebe für die Gebilde der
eignen Phantasie; ja ich begann zu erwägen, ob es denn auch recht gethan
sei, diese Arbeiten unbenutzt zu lassen und nicht zu versuchen, ob sie uicht unes
ihrer Weise ein Samenkorn des Guten ausstreuen konnten."

Jene seelische Umänderung, von der Rauscher hier spricht, trat zwischen
1817 und 181!» ein und wurde zunächst von schweren körperlichen Leiden
bewirkt, die den Jüngling beinah des Augenlichtes beraubten und ihn zu vielen
müßigen Stunden zwangen. Wie oft ist es nicht geschehen, daß solches Un¬
glück zu einer religiösen Vertiefung, zu einer „innerlichen Erleuchtung" geführt
hat! Hierzu kamen aber bei Rauscher uoch starke äußere Einflüsse. Durch
den spätern Olmützer Domherr Unkrechtsberg ward er mit dem nun selig ge¬
sprochenen Redemptoristen ?. Klemens Maria Hofbauer bekannt, der inmitten
des würdigen, aber josephinisch-nüchternen Wiener Klerus eine schwunghaftere,
ja schwärmerisch-asketische Richtung vertrat: zu seinen Verehrern zählte u. a.
Adam Müller, der Verfasser der „Elemente der Staatskunst," der Freund
Gentzens, einer von denen, die schon in der napoleonischen Zeit das Heil
Europas in einer katholisch-romantischen Restauration erblickt hatten. Auch
Hofbauer war wohl ein Kind der religiösen Romantik, die an der Wende des


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/72>, abgerufen am 05.02.2025.