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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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das französische Glück beirren zu lassen, bei einem der bekanntesten Auf¬
klärer jener Tage, dein schon früher erwähnten Freiherrn von Knigge, die
Rede sein. Um sich mit Befriedigung seines unruhigen Ehrgeizes durch die
Welt zu schlagen, hatte er bisher in seiner Beteiligung an der Emporbringung
des Illuminatenordens, in seiner Vielschreiberei auf verschiednen Gebieten, als
literarischer Streber und Streiter eine Figur von nichts weniger als edel-
männischen Gepräge abgegeben; daß er jetzt seine Freude daran fand, der
französischen Revolution breite Lobpreisungen zu zollen und sich mit Wider¬
sachern derselben, mit Schirach und dem Ritter von Zimmermann, in platten
Pamphlets und Jnjnrienprvzesseu herumzuschlagen, entsprach nur seinen ältern
Leistungen.

So mancher Edelmann halte sich bereit, für die Entschädigung des Stolzes
viel aufgeopfert zu haben, den gegründetsten Vorrechten zu entsagen, so klagt
in der Berliner Monatschrift ein Schriftsteller, der dem Adlichen das Recht
zu solcher Entsagung bestreitet, wenn die Erhaltung des fraglichen Vorrechts
für das gemeine Beste wünschenswert sei. Den besondern Respekt, den auch
unter sehr demokratisch gesinnten Bürgerlichen der Adliche genieße, sobald er sich
zu ihrer Farbe bekenne, bezeichnet Brandes als einen Kitzel für die Eitelkeit,
der wohl sein Anlockendes habe. Ähnlich so manchen Erfahrungen in
andern Länder" und Zeiten, wollte man anch in dem damaligen Deutschland
die Bemerkung machen, daß "die eifrigsten Verfechter des Aristokratismus Ro-
türiers, die hitzigsten Demokraten Edelleute seien." So manchen trieb auch
wohl bloße Koqnetterie, sich in Äußerlichkeiten einer recht auffälligen Verleug¬
nung, von Staudessinn und Standesgefühl sähig zu zeigen. Traf man doch
in den spätern neunziger Jahren in Potsdam Gnrdeoffiziere, die ihre Söhne
nach Revvlntivnsgeschmack auf Namen aus der nltrömischeu Republik, Brutus
oder Ccunillns, taufen ließen.

lind es hatte denn doch um derartiges jetzt eine andre Bewandnis als
um das freie Gedankenspiel, das in Deutschland schon früher mit Republikanis-
mus und ähnlichem getrieben worden war. Jetzt, wo in Frankreich die frag¬
lichen Gedanken in so gewaltigen Auftritten Leben gewonnen hatten und die
Meinungen darüber auch in Deutschland sich so scharf gegenübertraten, jetzt
mußten jene Erscheinungen als ein Zeichen gelten, daß nnter den ungeheuern
Eindrücken der Gegenwart der Glaube an Haltbarkeit der bestehenden Verhält¬
nisse anch bei vielen Privilegirten ins Wanken oder doch um den rechten Ernst
gekommen war. Selbst in fürstlichen Kreisen fehlte es nicht an Gelegenheit
zu eigentümlichen Beobachtungen. Als Beispiel diene, was wir von dem Hofe
des achtungswerteu, hochgebildeten Herzogs Ernst von Sachsen Gotha höre".
Der Bruder des Herzogs, Prinz August, gebehrdete sich als lebhafter
Anhänger der französischen Bewegung. Noch um die Zeit wo die September-
morde (1792) Europa mit Schauder erfüllten, war er im Stande, dem


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das französische Glück beirren zu lassen, bei einem der bekanntesten Auf¬
klärer jener Tage, dein schon früher erwähnten Freiherrn von Knigge, die
Rede sein. Um sich mit Befriedigung seines unruhigen Ehrgeizes durch die
Welt zu schlagen, hatte er bisher in seiner Beteiligung an der Emporbringung
des Illuminatenordens, in seiner Vielschreiberei auf verschiednen Gebieten, als
literarischer Streber und Streiter eine Figur von nichts weniger als edel-
männischen Gepräge abgegeben; daß er jetzt seine Freude daran fand, der
französischen Revolution breite Lobpreisungen zu zollen und sich mit Wider¬
sachern derselben, mit Schirach und dem Ritter von Zimmermann, in platten
Pamphlets und Jnjnrienprvzesseu herumzuschlagen, entsprach nur seinen ältern
Leistungen.

So mancher Edelmann halte sich bereit, für die Entschädigung des Stolzes
viel aufgeopfert zu haben, den gegründetsten Vorrechten zu entsagen, so klagt
in der Berliner Monatschrift ein Schriftsteller, der dem Adlichen das Recht
zu solcher Entsagung bestreitet, wenn die Erhaltung des fraglichen Vorrechts
für das gemeine Beste wünschenswert sei. Den besondern Respekt, den auch
unter sehr demokratisch gesinnten Bürgerlichen der Adliche genieße, sobald er sich
zu ihrer Farbe bekenne, bezeichnet Brandes als einen Kitzel für die Eitelkeit,
der wohl sein Anlockendes habe. Ähnlich so manchen Erfahrungen in
andern Länder» und Zeiten, wollte man anch in dem damaligen Deutschland
die Bemerkung machen, daß „die eifrigsten Verfechter des Aristokratismus Ro-
türiers, die hitzigsten Demokraten Edelleute seien." So manchen trieb auch
wohl bloße Koqnetterie, sich in Äußerlichkeiten einer recht auffälligen Verleug¬
nung, von Staudessinn und Standesgefühl sähig zu zeigen. Traf man doch
in den spätern neunziger Jahren in Potsdam Gnrdeoffiziere, die ihre Söhne
nach Revvlntivnsgeschmack auf Namen aus der nltrömischeu Republik, Brutus
oder Ccunillns, taufen ließen.

lind es hatte denn doch um derartiges jetzt eine andre Bewandnis als
um das freie Gedankenspiel, das in Deutschland schon früher mit Republikanis-
mus und ähnlichem getrieben worden war. Jetzt, wo in Frankreich die frag¬
lichen Gedanken in so gewaltigen Auftritten Leben gewonnen hatten und die
Meinungen darüber auch in Deutschland sich so scharf gegenübertraten, jetzt
mußten jene Erscheinungen als ein Zeichen gelten, daß nnter den ungeheuern
Eindrücken der Gegenwart der Glaube an Haltbarkeit der bestehenden Verhält¬
nisse anch bei vielen Privilegirten ins Wanken oder doch um den rechten Ernst
gekommen war. Selbst in fürstlichen Kreisen fehlte es nicht an Gelegenheit
zu eigentümlichen Beobachtungen. Als Beispiel diene, was wir von dem Hofe
des achtungswerteu, hochgebildeten Herzogs Ernst von Sachsen Gotha höre».
Der Bruder des Herzogs, Prinz August, gebehrdete sich als lebhafter
Anhänger der französischen Bewegung. Noch um die Zeit wo die September-
morde (1792) Europa mit Schauder erfüllten, war er im Stande, dem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/68>, abgerufen am 05.02.2025.