Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches weil die Deutschen einst diesen Spottnamen gebraucht hatten. Vollends unberechtigt Staub. Das "Schweizerische Gewerbeblatt" teilt nach den "Baseler Nach¬ Maßgebliches und Unmaßgebliches weil die Deutschen einst diesen Spottnamen gebraucht hatten. Vollends unberechtigt Staub. Das „Schweizerische Gewerbeblatt" teilt nach den „Baseler Nach¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0626" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205357"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_1746" prev="#ID_1745"> weil die Deutschen einst diesen Spottnamen gebraucht hatten. Vollends unberechtigt<lb/> ist der Vorwurf, daß die Reichspvstverwältnng die Benennungen, die in den fremden<lb/> Ländern amtlich angenommen sind, oder die Schreibungen, die im Verkehre herrschen,<lb/> beibehält. Wer einen Brief nach Bergen in Belgien oder nach Lakhnau überschriebe,<lb/> würde sich der Gefahr aussetzen, ihn als unbestellbar zurückzubekommen. Denn wir<lb/> dürfen von, belgischen und britischen Postbeamten nicht mehr erwarten, als von<lb/> deutschen, die, wie der Einsender wiederholt erfahren hat, Briefe, die nach einem<lb/> wenig bekannten Orte bestimmt sind, nach einem bekannteren gleichnamigen leiten,<lb/> Wenn auch Land und Provinz genau angegeben waren. Überhaupt find in dieser<lb/> Angelegenheit nicht die Anforderungen des Lebens und des Verkehrs außer Acht<lb/> zu lassen. Daß die Engländer, die darauf versessen sind, mit ihrer Muttersprache<lb/> überall durchzukommen,' Livorno beharrlich Leghorn nennen u. tgi., diese Bequem¬<lb/> lichkeit baar bezahlen müssen, ist ebenso bekannt, wie daß das heutige Übergewicht<lb/> des deutscheu Handels zum Teil in der Bereitwilligkeit der Deutschen, fremde Sprachen<lb/> zu erlernen, seinen Grund hat. Die hier besprochenen Sätze einiger Sprachreiniger<lb/> würden aber zur Folge haben, daß wir auch Bordeaux, Leeds, Brighton u. s. w.<lb/> nach deutscher Weise aussprechen und es schließlich unser unwürdig finden müßten,<lb/> in andrer als unsrer Muttersprache zu reden und zu schreiben. Die Ausländerei<lb/> ist auf ganz andern Gebieten und in ganz andrer Art zu bekämpfen, als durch das<lb/> Erschweren internationaler Verständigung, und Ausschreitungen solcher Art bieten<lb/> den Gegnern des Sprachvereins willkommene Waffen.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Staub.</head> <p xml:id="ID_1747"> Das „Schweizerische Gewerbeblatt" teilt nach den „Baseler Nach¬<lb/> richten" eine sehr beachtenswerte Mahnung eines Arztes in Montreux, Dr. Günther,<lb/> mit. Welche verhängnisvolle Wirkuug der Staub auf die Gesundheit der Atmungs-<lb/> werkzeuge ausübt, ist allbekannt, und schon deshalb war es eine unglückliche Mode,<lb/> den Bart zu rnsiren und damit einen imtürlichen Schutz des Mundes dem Manne<lb/> zu entziehen. Der genannte Arzt weist nun' nachdrücklich darauf hin, daß die jetzt<lb/> übliche Ausstattung der Zimmer mit Teppichen, Polstermöbeln, Stickereien und<lb/> Häkelarbeiten der Staubansammlung gefährlichsten Vorschub leiste. In Wohnhäusern<lb/> ist die Gefahr weniger groß, da die Hansfrau auf häufige Reinigung hält. Aber<lb/> der Verfasser hat vornehmlich die Gasthäuser im Auge, deren Teppiche oft un¬<lb/> gestört auf ihrem Platze bleiben, so lange die „Saison" dauert; und er macht<lb/> darauf aufmerksam, daß — wie er wohl an seinem Kurorte beobachtet haben<lb/> wird — Kranke aus Bequemlichkeit den Hustenauswurf einfach auf den Boden ge¬<lb/> langen lassen, der alles aufnimmt, alle Spuren bald unsichtbar werden läßt, von<lb/> dem aus aber das Tuberkülosengift getrocknet und als Staub die Mit- und Nach¬<lb/> bewohner des Zimmers bedroht. Diese Warnung verdient gewiß allgemein beherzigt<lb/> zu werden. Vor allem wird es Sache der Leiter von Kuranstalten und der Ärzte<lb/> überhaupt sein, ihren Einfluß geltend zu uneben. Fu Holland kann man sich darauf<lb/> verlassen, daß in einem guten Hotel die Zimmer jeden Tag gründlich gereinigt<lb/> werden; in Frankreich besteht die sehr nachahmenswerte Sitte, die Bettstellen auf<lb/> hölzerne, durch Gelenke mit Fortsetzungen verbundene Schienen zu setzen, die den<lb/> Dienstboten ermöglichen, beim Bettmachen das Möbel von der Wand abzurücken<lb/> und den Staub aus einem der bedenklichste» Schlupfwinkel aufzustören. Aber gerade<lb/> an Orten, die von Brustleidenden aufgesucht werden, pflegt es in dieser Beziehung<lb/> mangelhaft bestellt zu sein.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0626]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
weil die Deutschen einst diesen Spottnamen gebraucht hatten. Vollends unberechtigt
ist der Vorwurf, daß die Reichspvstverwältnng die Benennungen, die in den fremden
Ländern amtlich angenommen sind, oder die Schreibungen, die im Verkehre herrschen,
beibehält. Wer einen Brief nach Bergen in Belgien oder nach Lakhnau überschriebe,
würde sich der Gefahr aussetzen, ihn als unbestellbar zurückzubekommen. Denn wir
dürfen von, belgischen und britischen Postbeamten nicht mehr erwarten, als von
deutschen, die, wie der Einsender wiederholt erfahren hat, Briefe, die nach einem
wenig bekannten Orte bestimmt sind, nach einem bekannteren gleichnamigen leiten,
Wenn auch Land und Provinz genau angegeben waren. Überhaupt find in dieser
Angelegenheit nicht die Anforderungen des Lebens und des Verkehrs außer Acht
zu lassen. Daß die Engländer, die darauf versessen sind, mit ihrer Muttersprache
überall durchzukommen,' Livorno beharrlich Leghorn nennen u. tgi., diese Bequem¬
lichkeit baar bezahlen müssen, ist ebenso bekannt, wie daß das heutige Übergewicht
des deutscheu Handels zum Teil in der Bereitwilligkeit der Deutschen, fremde Sprachen
zu erlernen, seinen Grund hat. Die hier besprochenen Sätze einiger Sprachreiniger
würden aber zur Folge haben, daß wir auch Bordeaux, Leeds, Brighton u. s. w.
nach deutscher Weise aussprechen und es schließlich unser unwürdig finden müßten,
in andrer als unsrer Muttersprache zu reden und zu schreiben. Die Ausländerei
ist auf ganz andern Gebieten und in ganz andrer Art zu bekämpfen, als durch das
Erschweren internationaler Verständigung, und Ausschreitungen solcher Art bieten
den Gegnern des Sprachvereins willkommene Waffen.
Staub. Das „Schweizerische Gewerbeblatt" teilt nach den „Baseler Nach¬
richten" eine sehr beachtenswerte Mahnung eines Arztes in Montreux, Dr. Günther,
mit. Welche verhängnisvolle Wirkuug der Staub auf die Gesundheit der Atmungs-
werkzeuge ausübt, ist allbekannt, und schon deshalb war es eine unglückliche Mode,
den Bart zu rnsiren und damit einen imtürlichen Schutz des Mundes dem Manne
zu entziehen. Der genannte Arzt weist nun' nachdrücklich darauf hin, daß die jetzt
übliche Ausstattung der Zimmer mit Teppichen, Polstermöbeln, Stickereien und
Häkelarbeiten der Staubansammlung gefährlichsten Vorschub leiste. In Wohnhäusern
ist die Gefahr weniger groß, da die Hansfrau auf häufige Reinigung hält. Aber
der Verfasser hat vornehmlich die Gasthäuser im Auge, deren Teppiche oft un¬
gestört auf ihrem Platze bleiben, so lange die „Saison" dauert; und er macht
darauf aufmerksam, daß — wie er wohl an seinem Kurorte beobachtet haben
wird — Kranke aus Bequemlichkeit den Hustenauswurf einfach auf den Boden ge¬
langen lassen, der alles aufnimmt, alle Spuren bald unsichtbar werden läßt, von
dem aus aber das Tuberkülosengift getrocknet und als Staub die Mit- und Nach¬
bewohner des Zimmers bedroht. Diese Warnung verdient gewiß allgemein beherzigt
zu werden. Vor allem wird es Sache der Leiter von Kuranstalten und der Ärzte
überhaupt sein, ihren Einfluß geltend zu uneben. Fu Holland kann man sich darauf
verlassen, daß in einem guten Hotel die Zimmer jeden Tag gründlich gereinigt
werden; in Frankreich besteht die sehr nachahmenswerte Sitte, die Bettstellen auf
hölzerne, durch Gelenke mit Fortsetzungen verbundene Schienen zu setzen, die den
Dienstboten ermöglichen, beim Bettmachen das Möbel von der Wand abzurücken
und den Staub aus einem der bedenklichste» Schlupfwinkel aufzustören. Aber gerade
an Orten, die von Brustleidenden aufgesucht werden, pflegt es in dieser Beziehung
mangelhaft bestellt zu sein.
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