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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Line ägyptische Kunstgeschichte

Dynastie nahmen die edeln Familien von Abydos die Umfassung in Besitz und
legten in ihr Begräbnisstätten an, sodaß ihr jede strategische Bedeutung ge¬
nommen wurde," so scheint es uns viel glaublicher, daß dieses Forts nie etwas
nudres als eine nach babylonisch-assyrischer Art (Hügel- oder Terrassenbau)
angelegte Begräbnisstätte gewesen sei. Wahrscheinlich war auch das andre
Fort (S. 20, Fig. 23 und 24) ein Friedhof oder irgend eine Kultusstätte,
denn seine Umfassung weist eine Doppelmaneranlagc auf, die in ägyptischen
Tempelbauten (z. B. in Edfu, vgl. Fig. 79 und 80) und auch an andern Kultus-
stätten vorkommt,") während weder Grundriß (Fig. 23) noch Aufriß (Fig. 24)
des vermeinten Forts mit der in Figur 25 gegebenen (den Denkmälern ent¬
nommenen) schematischen Allsicht einer ägyptischen Festung im Einklang stehen.
Diese Dvppelmaueranlage, die einen ringsum laufenden, drei Meter breiten
Korridor bildet und ans allen vier Seiten enge, aber verschiedenartige Pforten,
sowie im Innern schmale Stiegen enthält, halten wir nicht für eine Befestigung
und nicht dafür "aufs beste ausgedacht" (S. 19). Auch die "Festungsthore"
(S. 22) erscheinen uus sehr fragwürdig. In der äußern Korridormaucr mit
"Schießscharten" (S. 21) spukt offenbar die krenelirte Mauer des gedeckten
Nvndenganges der modernen Befestigung. Über den vermeintlichen Zweck der
untern Mauerböschungen, "die von oben herabgeschleuderten Geschosse mit
Wucht auf den Angreifer abprallen zu lassen" (S. 29), sei kein Wort zu ver¬
lieren. Übrigens ist von alledem bei dem in Figur 29 abgebildeten El Kab,
einer wirklichen Festung (des alten Reichs?), die deutlich die Züge der babylonisch¬
assyrischen Festungen und, wie noch bemerkt sein mag, des römischen "tlstrain
trägt, nichts vorhanden. Ob die in Figur 30 abgebildete "Festung in hügeliger
Lage" von einem fast "bastivnirten Traev" eine altägyptische sei, erscheint
zweifelhaft. Man sollte eher glauben, diese UmWallung sei erst im Mittelalter
oder noch später, etwa von Arabern oder Türken, aufgeführt worden, mag auch
der Ort selbst aus älterer Zeit stammen. Wie wenig übrigens das Äußere
beweist, zeigt der Grabtempel Ramses des Dritten, der Seite 28 bis 30 be¬
schriebene und abgebildete Pavillon von Medinet-Habu in der Tvtenstndt von
Theben, dem eine Laune das Aussehen eines Festungsbaues gegeben hat. Die
Grabstätte ist hier inschriftlich beurkundet. Aber auch anderwärts, wo solche
Beurkundung fehlt, dürften manche Bauten, die nach ihrem Äußern für Festungen
gelten, mir Totenburgen gewesen sein. Im cillgemeiueu bleibt noch zu bedauern,
daß der ägyptische Privat- und Festungsbau nicht mit dem ihm so nahe ver¬
wandten babylonisch-assyrischen verglichen worden ist. Wer diesen Vergleich,
etwa an der Hand von Nawlinsons ^nvisnt Aonarolliss l. oder Fritz Hominels



*) Z. B. im Hissarlit- und Hcmai-Teych, Hügeln in der Trous, deren "Kern" nach
babylonisch-assyrischer Art eine Nekrvpole ist. Vgl. l^ ki-vio <1o LolUiomimn. Sonderabdruck
"As I,s Nusoou, Lsvus IntornMorialo; (I^ouvÄn) 1839.
Line ägyptische Kunstgeschichte

Dynastie nahmen die edeln Familien von Abydos die Umfassung in Besitz und
legten in ihr Begräbnisstätten an, sodaß ihr jede strategische Bedeutung ge¬
nommen wurde," so scheint es uns viel glaublicher, daß dieses Forts nie etwas
nudres als eine nach babylonisch-assyrischer Art (Hügel- oder Terrassenbau)
angelegte Begräbnisstätte gewesen sei. Wahrscheinlich war auch das andre
Fort (S. 20, Fig. 23 und 24) ein Friedhof oder irgend eine Kultusstätte,
denn seine Umfassung weist eine Doppelmaneranlagc auf, die in ägyptischen
Tempelbauten (z. B. in Edfu, vgl. Fig. 79 und 80) und auch an andern Kultus-
stätten vorkommt,") während weder Grundriß (Fig. 23) noch Aufriß (Fig. 24)
des vermeinten Forts mit der in Figur 25 gegebenen (den Denkmälern ent¬
nommenen) schematischen Allsicht einer ägyptischen Festung im Einklang stehen.
Diese Dvppelmaueranlage, die einen ringsum laufenden, drei Meter breiten
Korridor bildet und ans allen vier Seiten enge, aber verschiedenartige Pforten,
sowie im Innern schmale Stiegen enthält, halten wir nicht für eine Befestigung
und nicht dafür „aufs beste ausgedacht" (S. 19). Auch die „Festungsthore"
(S. 22) erscheinen uus sehr fragwürdig. In der äußern Korridormaucr mit
„Schießscharten" (S. 21) spukt offenbar die krenelirte Mauer des gedeckten
Nvndenganges der modernen Befestigung. Über den vermeintlichen Zweck der
untern Mauerböschungen, „die von oben herabgeschleuderten Geschosse mit
Wucht auf den Angreifer abprallen zu lassen" (S. 29), sei kein Wort zu ver¬
lieren. Übrigens ist von alledem bei dem in Figur 29 abgebildeten El Kab,
einer wirklichen Festung (des alten Reichs?), die deutlich die Züge der babylonisch¬
assyrischen Festungen und, wie noch bemerkt sein mag, des römischen «tlstrain
trägt, nichts vorhanden. Ob die in Figur 30 abgebildete „Festung in hügeliger
Lage" von einem fast „bastivnirten Traev" eine altägyptische sei, erscheint
zweifelhaft. Man sollte eher glauben, diese UmWallung sei erst im Mittelalter
oder noch später, etwa von Arabern oder Türken, aufgeführt worden, mag auch
der Ort selbst aus älterer Zeit stammen. Wie wenig übrigens das Äußere
beweist, zeigt der Grabtempel Ramses des Dritten, der Seite 28 bis 30 be¬
schriebene und abgebildete Pavillon von Medinet-Habu in der Tvtenstndt von
Theben, dem eine Laune das Aussehen eines Festungsbaues gegeben hat. Die
Grabstätte ist hier inschriftlich beurkundet. Aber auch anderwärts, wo solche
Beurkundung fehlt, dürften manche Bauten, die nach ihrem Äußern für Festungen
gelten, mir Totenburgen gewesen sein. Im cillgemeiueu bleibt noch zu bedauern,
daß der ägyptische Privat- und Festungsbau nicht mit dem ihm so nahe ver¬
wandten babylonisch-assyrischen verglichen worden ist. Wer diesen Vergleich,
etwa an der Hand von Nawlinsons ^nvisnt Aonarolliss l. oder Fritz Hominels



*) Z. B. im Hissarlit- und Hcmai-Teych, Hügeln in der Trous, deren „Kern" nach
babylonisch-assyrischer Art eine Nekrvpole ist. Vgl. l^ ki-vio <1o LolUiomimn. Sonderabdruck
«As I,s Nusoou, Lsvus IntornMorialo; (I^ouvÄn) 1839.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/620>, abgerufen am 05.02.2025.