Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Ostpreußen und die Getreidezölle S. 15 der oben erwähnten Schrift des Grafen Mirbach.) Nicht bloß verhängnis¬ Ostpreußen und die Getreidezölle S. 15 der oben erwähnten Schrift des Grafen Mirbach.) Nicht bloß verhängnis¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0592" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205323"/> <fw type="header" place="top"> Ostpreußen und die Getreidezölle</fw><lb/> <p xml:id="ID_1662" prev="#ID_1661" next="#ID_1663"> S. 15 der oben erwähnten Schrift des Grafen Mirbach.) Nicht bloß verhängnis¬<lb/> voll, nein, verderbenbringend würde die Maßregel werden. Sie würde zunächst<lb/> zu einer vollständigen Umgestaltung der landwirtschaftlichen Betriebsweise führen.<lb/> Die Preissteigerung würde, wie die Antragsteller richtig annehmen, zunächst den<lb/> vollen Zoll, also bei Roggen und Weizen 5 Mark für den Doppelzentner,<lb/> betragen. Ein Hektar Ackerland bringt durchschnittlich 12 Doppelzentuer oder<lb/> 24 Zentner Wintergetreide, bei dem Sommergetreide unter Umständen mehr.<lb/> Nach dem Stvlbergschen Antrage würde jeder Hektar das mit Getreide be¬<lb/> stellten Ackerlandes eine um 12 x 5 60 Mark höhere Rente als gegenwärtig<lb/> versprechen! Diese bedeutende Summe würde selbstverständlich dahin führen,<lb/> daß alle Besitzer soviel als möglich Getreide bauen. Die mit Recht beliebte,<lb/> seit nunmehr vier bis fünf Jahrzehnten aus England in Deutschland eingeführte<lb/> Fruchtwechselwirtschaft, beider Getreidebau mit Futterbau und mit Weideschlügen<lb/> abwechselt, würde sofort verlassen, insbesondre würden die Futter- und Weide¬<lb/> schläge eingeschränkt, dauernde Weiden, auch wohl Waldflächen in Acker ver¬<lb/> wandelt, der Viehstand verringert und als Ersatz für den auffallenden Vieh¬<lb/> dünger künstlicher Dünger angekauft und verwandt werden. Bei dieser<lb/> Umgestaltung der Wirtschaft würde es ein leichtes sein, auf dem einzelnen<lb/> Landgute nicht wie jetzt durchschnittlich im Norden des Reiches die Hälfte des<lb/> Ackerlandes, sondern jährlich zwei Drittel — wie bei der alten, zum Heile der<lb/> Landwirtschaft verlassenen Dreifelderwirtschaft — mit Getreide zu bebauen.<lb/> Das gesamte bisherige Ackerland des Reiches ist etwa auf 24 Millionen Hektar<lb/> zu berechnen, die alljährlich jetzt etwa mit Getreide bestellte Hälfte also auf<lb/> 12 Millionen, während bei Ammhme des Stvlbergschen Antrages sehr bald<lb/> 16 Millionen, also 4 Millionen Hektar mehr mit Getreide bestellt sein würden.<lb/> Diese brächten bei 24 Zentner durchschnittlichen Ertrage jährlich W Millionen<lb/> Zentner mehr Getreide, als jetzt erzielt wird. Wir geben gern zu, daß der<lb/> Mehranbau von Getreide auf 4 Millionen Hektar Acker erst allmählich eintreten<lb/> würde, da eine auf Futterbau und Weideschläge eingerichtete Wirtschaft nicht<lb/> ohne weiteres in eine getreidebauende umgewandelt werden kann. Der nord¬<lb/> deutsche Besitzer, der auf feinen weiten Weideslüchen Pferdezucht oder Milch¬<lb/> wirtschaft treibt, wird sich die Frage, ob er diese Betriebe aufgeben und seine<lb/> Weiden in Getreidefelder umwandeln soll, wiederholt überlegen. Der nach<lb/> dem Stvlbergschen Antrage bei dem Getreidebau zu erwartende Mehrgewinn<lb/> ist aber zu verlockend, auch ist hervorzuheben, daß auf den jetzt schon mit<lb/> Getreide bestellten Flächen (nach unsrer Annahme etwa 12 Millionen Hektar)<lb/> der Ertrag ganz wesentlich durch Zuführung künstlichen Düngers erhöht<lb/> werden kann und, sobald der Antrag Gesetzeskraft erhalten Hütte, auch wirklich<lb/> erhöht werden würde. Eine Preissteigerung von 5 Mark für den Doppel¬<lb/> zentner ist so bedeutend, daß die Verwendung künstlichen Düngers sich wohl<lb/> verlohnen würde. Alle diese Erwägungen führen uns zu der Überzeugung,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0592]
Ostpreußen und die Getreidezölle
S. 15 der oben erwähnten Schrift des Grafen Mirbach.) Nicht bloß verhängnis¬
voll, nein, verderbenbringend würde die Maßregel werden. Sie würde zunächst
zu einer vollständigen Umgestaltung der landwirtschaftlichen Betriebsweise führen.
Die Preissteigerung würde, wie die Antragsteller richtig annehmen, zunächst den
vollen Zoll, also bei Roggen und Weizen 5 Mark für den Doppelzentner,
betragen. Ein Hektar Ackerland bringt durchschnittlich 12 Doppelzentuer oder
24 Zentner Wintergetreide, bei dem Sommergetreide unter Umständen mehr.
Nach dem Stvlbergschen Antrage würde jeder Hektar das mit Getreide be¬
stellten Ackerlandes eine um 12 x 5 60 Mark höhere Rente als gegenwärtig
versprechen! Diese bedeutende Summe würde selbstverständlich dahin führen,
daß alle Besitzer soviel als möglich Getreide bauen. Die mit Recht beliebte,
seit nunmehr vier bis fünf Jahrzehnten aus England in Deutschland eingeführte
Fruchtwechselwirtschaft, beider Getreidebau mit Futterbau und mit Weideschlügen
abwechselt, würde sofort verlassen, insbesondre würden die Futter- und Weide¬
schläge eingeschränkt, dauernde Weiden, auch wohl Waldflächen in Acker ver¬
wandelt, der Viehstand verringert und als Ersatz für den auffallenden Vieh¬
dünger künstlicher Dünger angekauft und verwandt werden. Bei dieser
Umgestaltung der Wirtschaft würde es ein leichtes sein, auf dem einzelnen
Landgute nicht wie jetzt durchschnittlich im Norden des Reiches die Hälfte des
Ackerlandes, sondern jährlich zwei Drittel — wie bei der alten, zum Heile der
Landwirtschaft verlassenen Dreifelderwirtschaft — mit Getreide zu bebauen.
Das gesamte bisherige Ackerland des Reiches ist etwa auf 24 Millionen Hektar
zu berechnen, die alljährlich jetzt etwa mit Getreide bestellte Hälfte also auf
12 Millionen, während bei Ammhme des Stvlbergschen Antrages sehr bald
16 Millionen, also 4 Millionen Hektar mehr mit Getreide bestellt sein würden.
Diese brächten bei 24 Zentner durchschnittlichen Ertrage jährlich W Millionen
Zentner mehr Getreide, als jetzt erzielt wird. Wir geben gern zu, daß der
Mehranbau von Getreide auf 4 Millionen Hektar Acker erst allmählich eintreten
würde, da eine auf Futterbau und Weideschläge eingerichtete Wirtschaft nicht
ohne weiteres in eine getreidebauende umgewandelt werden kann. Der nord¬
deutsche Besitzer, der auf feinen weiten Weideslüchen Pferdezucht oder Milch¬
wirtschaft treibt, wird sich die Frage, ob er diese Betriebe aufgeben und seine
Weiden in Getreidefelder umwandeln soll, wiederholt überlegen. Der nach
dem Stvlbergschen Antrage bei dem Getreidebau zu erwartende Mehrgewinn
ist aber zu verlockend, auch ist hervorzuheben, daß auf den jetzt schon mit
Getreide bestellten Flächen (nach unsrer Annahme etwa 12 Millionen Hektar)
der Ertrag ganz wesentlich durch Zuführung künstlichen Düngers erhöht
werden kann und, sobald der Antrag Gesetzeskraft erhalten Hütte, auch wirklich
erhöht werden würde. Eine Preissteigerung von 5 Mark für den Doppel¬
zentner ist so bedeutend, daß die Verwendung künstlichen Düngers sich wohl
verlohnen würde. Alle diese Erwägungen führen uns zu der Überzeugung,
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