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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

Ursprung des Poeten, doch vielleicht macht es ihm nur Vergnügen, die "Professers,"
die dergleichen bemerken, durch Annahme fremder Provinzialismen zu ärgern.
Wünschen wir ihm also viele Leser, die so reinen Genuß an seinen kleinen
Phantasiestücken finden, wie er uns zu teil geworden ist.


Die Freuden des Lebens von Sir John Lubbock. Deutsch nach der 7. Auflage von
M. zur Mcgede. Berlin, Friedrich Pfeilstückcr, 1889

Schopenhauer hat die Gesellschaftsphilosophie, nachdem sie im Zeitalter der
kritischen Philosophie stark ins Hintertreffen geraten war, gegenwärtig wieder zur
alleinigen Herrin des Planes gemacht. Zumeist natürlich in seinem Vaterlande,
und es ist daher schwer einzusehen, weshalb wir noch mit Übersetzungen dieser
Litteratur aus dem Italienischen und Englischen überschwemmt werden. Zwar
scheint die Verdauungskraft des Publikums dieser besonder:? Speise gegenüber un¬
erschöpflich zu sein. Sonst müßte ihm der Schopenhauer noch gar sehr im Magen
liegen. Aber man merkt nicht, daß die "Abwendung vom Leben" auch eine Ab¬
wendung von Gesellschaftsgeschwätz und Litteraturuichtigkeit zur Folge hätte. Das
vorliegende Buch wendet sich nun zur Abwechselung gegen die Schopcnhauerei.
Es singt "Hymnen" auf die "Freuden des Lebens," als da sind die Lektüre von
George Eliots Romanen (W. "Adam Vede oder die Mühle am Floß" find
unsers Wissens zwei verschiedne Romane), von Locke, Lewes und Platon, von
Sinnes "Hilf dir selbst" und Goethes Faust und ähnlichen "hundert besten Büchern"
(wir warten nur uoch auf eine solche Liste, die mit Casanova beginnt und mit
Zola aufhört); ferner die Besichtigung des British-Museum, insonderheit von
"Exemplaren der größten ausgestorbenen oder noch vorhandenen Tiere, Ungeheuern
der Vorwelt, prächtigen Vögeln, Muscheln und Mineralien." Heiliger Pickwick!
Wer da ist wie du, der bedarf keines mathematischen Beweises der "Freuden des
Lebens." Er ist inniglich und festiglich überzeugt, daß das Leben der Güter
höchstes, der Uebel größtes aber ein verdorbener Magen sei.


Hypochondrische Plaudereien. Neue Folge. Bon Gerhard von Amuntor
(Dagobert von Gerhardt). Dresden und Leipzig, E, Pierson, 1889

Der Verfasser ist, wie in diesen Blättern schon gelegentlich bemerkt werden
mußte, leider oft selbst das sprechendste Beispiel für die litterarische" Sünden, vor
denen er mit starkem Brustton warnt. "Gott" und "Autoreneitelkeit" sind zwei
Kapitel, die im vorliegenden Buche unmittelbar auf einander folgen. Es scheint
uns das ein unfreiwilliger Beleg dafür, daß sie auch im Fühlen und Denken des
für einen "Hypochonder" sehr redseligen und allerweltsrechten Schriftstellers stark
durch einander gehen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig - Druck von Carl Mnrgnarl in Leipzig
Litteratur

Ursprung des Poeten, doch vielleicht macht es ihm nur Vergnügen, die „Professers,"
die dergleichen bemerken, durch Annahme fremder Provinzialismen zu ärgern.
Wünschen wir ihm also viele Leser, die so reinen Genuß an seinen kleinen
Phantasiestücken finden, wie er uns zu teil geworden ist.


Die Freuden des Lebens von Sir John Lubbock. Deutsch nach der 7. Auflage von
M. zur Mcgede. Berlin, Friedrich Pfeilstückcr, 1889

Schopenhauer hat die Gesellschaftsphilosophie, nachdem sie im Zeitalter der
kritischen Philosophie stark ins Hintertreffen geraten war, gegenwärtig wieder zur
alleinigen Herrin des Planes gemacht. Zumeist natürlich in seinem Vaterlande,
und es ist daher schwer einzusehen, weshalb wir noch mit Übersetzungen dieser
Litteratur aus dem Italienischen und Englischen überschwemmt werden. Zwar
scheint die Verdauungskraft des Publikums dieser besonder:? Speise gegenüber un¬
erschöpflich zu sein. Sonst müßte ihm der Schopenhauer noch gar sehr im Magen
liegen. Aber man merkt nicht, daß die „Abwendung vom Leben" auch eine Ab¬
wendung von Gesellschaftsgeschwätz und Litteraturuichtigkeit zur Folge hätte. Das
vorliegende Buch wendet sich nun zur Abwechselung gegen die Schopcnhauerei.
Es singt „Hymnen" auf die „Freuden des Lebens," als da sind die Lektüre von
George Eliots Romanen (W. „Adam Vede oder die Mühle am Floß" find
unsers Wissens zwei verschiedne Romane), von Locke, Lewes und Platon, von
Sinnes „Hilf dir selbst" und Goethes Faust und ähnlichen „hundert besten Büchern"
(wir warten nur uoch auf eine solche Liste, die mit Casanova beginnt und mit
Zola aufhört); ferner die Besichtigung des British-Museum, insonderheit von
„Exemplaren der größten ausgestorbenen oder noch vorhandenen Tiere, Ungeheuern
der Vorwelt, prächtigen Vögeln, Muscheln und Mineralien." Heiliger Pickwick!
Wer da ist wie du, der bedarf keines mathematischen Beweises der „Freuden des
Lebens." Er ist inniglich und festiglich überzeugt, daß das Leben der Güter
höchstes, der Uebel größtes aber ein verdorbener Magen sei.


Hypochondrische Plaudereien. Neue Folge. Bon Gerhard von Amuntor
(Dagobert von Gerhardt). Dresden und Leipzig, E, Pierson, 1889

Der Verfasser ist, wie in diesen Blättern schon gelegentlich bemerkt werden
mußte, leider oft selbst das sprechendste Beispiel für die litterarische« Sünden, vor
denen er mit starkem Brustton warnt. „Gott" und „Autoreneitelkeit" sind zwei
Kapitel, die im vorliegenden Buche unmittelbar auf einander folgen. Es scheint
uns das ein unfreiwilliger Beleg dafür, daß sie auch im Fühlen und Denken des
für einen „Hypochonder" sehr redseligen und allerweltsrechten Schriftstellers stark
durch einander gehen.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig - Druck von Carl Mnrgnarl in Leipzig
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[0584] Litteratur Ursprung des Poeten, doch vielleicht macht es ihm nur Vergnügen, die „Professers," die dergleichen bemerken, durch Annahme fremder Provinzialismen zu ärgern. Wünschen wir ihm also viele Leser, die so reinen Genuß an seinen kleinen Phantasiestücken finden, wie er uns zu teil geworden ist. Die Freuden des Lebens von Sir John Lubbock. Deutsch nach der 7. Auflage von M. zur Mcgede. Berlin, Friedrich Pfeilstückcr, 1889 Schopenhauer hat die Gesellschaftsphilosophie, nachdem sie im Zeitalter der kritischen Philosophie stark ins Hintertreffen geraten war, gegenwärtig wieder zur alleinigen Herrin des Planes gemacht. Zumeist natürlich in seinem Vaterlande, und es ist daher schwer einzusehen, weshalb wir noch mit Übersetzungen dieser Litteratur aus dem Italienischen und Englischen überschwemmt werden. Zwar scheint die Verdauungskraft des Publikums dieser besonder:? Speise gegenüber un¬ erschöpflich zu sein. Sonst müßte ihm der Schopenhauer noch gar sehr im Magen liegen. Aber man merkt nicht, daß die „Abwendung vom Leben" auch eine Ab¬ wendung von Gesellschaftsgeschwätz und Litteraturuichtigkeit zur Folge hätte. Das vorliegende Buch wendet sich nun zur Abwechselung gegen die Schopcnhauerei. Es singt „Hymnen" auf die „Freuden des Lebens," als da sind die Lektüre von George Eliots Romanen (W. „Adam Vede oder die Mühle am Floß" find unsers Wissens zwei verschiedne Romane), von Locke, Lewes und Platon, von Sinnes „Hilf dir selbst" und Goethes Faust und ähnlichen „hundert besten Büchern" (wir warten nur uoch auf eine solche Liste, die mit Casanova beginnt und mit Zola aufhört); ferner die Besichtigung des British-Museum, insonderheit von „Exemplaren der größten ausgestorbenen oder noch vorhandenen Tiere, Ungeheuern der Vorwelt, prächtigen Vögeln, Muscheln und Mineralien." Heiliger Pickwick! Wer da ist wie du, der bedarf keines mathematischen Beweises der „Freuden des Lebens." Er ist inniglich und festiglich überzeugt, daß das Leben der Güter höchstes, der Uebel größtes aber ein verdorbener Magen sei. Hypochondrische Plaudereien. Neue Folge. Bon Gerhard von Amuntor (Dagobert von Gerhardt). Dresden und Leipzig, E, Pierson, 1889 Der Verfasser ist, wie in diesen Blättern schon gelegentlich bemerkt werden mußte, leider oft selbst das sprechendste Beispiel für die litterarische« Sünden, vor denen er mit starkem Brustton warnt. „Gott" und „Autoreneitelkeit" sind zwei Kapitel, die im vorliegenden Buche unmittelbar auf einander folgen. Es scheint uns das ein unfreiwilliger Beleg dafür, daß sie auch im Fühlen und Denken des für einen „Hypochonder" sehr redseligen und allerweltsrechten Schriftstellers stark durch einander gehen. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig - Druck von Carl Mnrgnarl in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/584>, abgerufen am 05.02.2025.