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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Der 'Kronprinz in der Aonfliktszeit

Gesetze einräumte. In das Regiment hatten sich diese nicht zu mischen, weder
unmittelbar noch mittelbar durch Minister, die aus der Mehrheit hervorgingen.
Die preußischen Minister wurden vom Könige nach seinem Gutdünken gewählt
und berufen, sie berieten ihn, bestimmten ihn aber nicht, sondern handelten als
seine Werkzeuge, als seine Diener. Sie beeinflußten seinen Willen nur als
Ratgeber; war der Wille zum Beschluß geworden, so hatten sie ihn zu voll¬
ziehen, gleichviel, ob er ihrem Rate entsprach oder nicht. Wer sich dieses Ver¬
hältnis zum Bewußtsein gebracht hatte, mußte sich klar sein, daß jeder Einspruch
gegen die Münster und ihre Maßregeln Opposition gegen den Monarchen selbst
einschloß, der ihr Herr war und ihre Maßregeln befohlen und gut geheißen,
also zu den seinen gemacht hatte. Und hieraus ergab sich ein schweres Be¬
denken sür den Fall, daß der Thronerbe aus irgend welchen Gründen sich be¬
wogen fand, gegen solche Maßregeln öffentlich aufzutreten. Er bekämpfte
damit angesichts des Volkes die Krone, die er selbst in Zukunft tragen sollte.
Wenn in dem Sturmlaufe der Demokratie, wenn später in dem Angriff auf
die Monarchie, der in den Versuchen der Fortschrittspartei erfolgte, in Preußen
eine Parlamentsherrschaft einzuschmuggeln, eine große Gefahr lag, so konnte die
Lockerung der Bande, die das preußische Volk trotz aller Reden der Opposition
im Abgeordnetenhaus" und trotz der Hetzereien und Aufstacheluugeu in Leitartikeln,
Flugschriften und Volksversammlungen noch immer in seiner Mehrheit mit dem
Herrscherhause verknüpften, durch eine Opposition innerhalb des Königshauses,
die durch die Presse aller Welt verkündigt wurde und so als hohes Beispiel
und als Rechtfertigung der eignen Opposition wirken mußte, doch noch weit
mehr Gefahr im Gefolge haben. Wir verwahre:: uns dagegen, es mit voller
Sicherheit zu unsern "Thatsachen" zu rechnen, daß der Kronprinz selbst seinen
Gegensatz und Widerspruch gegen seinen königlichen Vater in die Öffentlichkeit
gebracht habe, werden vielmehr unter unsern "Vermutungen" die Hände an¬
deuten, welche die Presse mit der Nachricht davon versehen zu haben scheinen.
Nicht daß der Prinz andrer Meinung war als der König und daß er ihm
und den Ministern diese Meinung rückhaltlos aussprach, sondern daß sein Zer¬
würfnis ins Land hinausgetragen wurde, um ihn den liberalen Parteien zu
empfehlen und deren Opposition zu rechtfertigen und zu stärken, war die Haupt¬
sache und der ärgste Mißgriff. Wenn man erfuhr, daß der, der dem Könige
am nächsten stand, die Politik des Königs mißbilligte und sich ihr nicht fügen
wollte, wer sollte dann die königliche Autorität hochhalten und sich dem könig¬
lichen Willen unterwerfen? Diese Verdunkelung und Lähmung der Autorität
des Monarchen mußte in die Zukunft hinein wirken und auch den Nachfolger
treffen, denn sie ging auf die Krone überhaupt über, die Kunde von der Un¬
einigkeit in den höchsten Kreisen schwächte die regierende Dynastie, wenn nicht
ein Riegel vorgeschoben wurde, die Erschütterungen, die das Bekanntwerden
des Verhaltens des Thronerben hervorrufen konnte, ließen befürchten, daß von


Der 'Kronprinz in der Aonfliktszeit

Gesetze einräumte. In das Regiment hatten sich diese nicht zu mischen, weder
unmittelbar noch mittelbar durch Minister, die aus der Mehrheit hervorgingen.
Die preußischen Minister wurden vom Könige nach seinem Gutdünken gewählt
und berufen, sie berieten ihn, bestimmten ihn aber nicht, sondern handelten als
seine Werkzeuge, als seine Diener. Sie beeinflußten seinen Willen nur als
Ratgeber; war der Wille zum Beschluß geworden, so hatten sie ihn zu voll¬
ziehen, gleichviel, ob er ihrem Rate entsprach oder nicht. Wer sich dieses Ver¬
hältnis zum Bewußtsein gebracht hatte, mußte sich klar sein, daß jeder Einspruch
gegen die Münster und ihre Maßregeln Opposition gegen den Monarchen selbst
einschloß, der ihr Herr war und ihre Maßregeln befohlen und gut geheißen,
also zu den seinen gemacht hatte. Und hieraus ergab sich ein schweres Be¬
denken sür den Fall, daß der Thronerbe aus irgend welchen Gründen sich be¬
wogen fand, gegen solche Maßregeln öffentlich aufzutreten. Er bekämpfte
damit angesichts des Volkes die Krone, die er selbst in Zukunft tragen sollte.
Wenn in dem Sturmlaufe der Demokratie, wenn später in dem Angriff auf
die Monarchie, der in den Versuchen der Fortschrittspartei erfolgte, in Preußen
eine Parlamentsherrschaft einzuschmuggeln, eine große Gefahr lag, so konnte die
Lockerung der Bande, die das preußische Volk trotz aller Reden der Opposition
im Abgeordnetenhaus« und trotz der Hetzereien und Aufstacheluugeu in Leitartikeln,
Flugschriften und Volksversammlungen noch immer in seiner Mehrheit mit dem
Herrscherhause verknüpften, durch eine Opposition innerhalb des Königshauses,
die durch die Presse aller Welt verkündigt wurde und so als hohes Beispiel
und als Rechtfertigung der eignen Opposition wirken mußte, doch noch weit
mehr Gefahr im Gefolge haben. Wir verwahre:: uns dagegen, es mit voller
Sicherheit zu unsern „Thatsachen" zu rechnen, daß der Kronprinz selbst seinen
Gegensatz und Widerspruch gegen seinen königlichen Vater in die Öffentlichkeit
gebracht habe, werden vielmehr unter unsern „Vermutungen" die Hände an¬
deuten, welche die Presse mit der Nachricht davon versehen zu haben scheinen.
Nicht daß der Prinz andrer Meinung war als der König und daß er ihm
und den Ministern diese Meinung rückhaltlos aussprach, sondern daß sein Zer¬
würfnis ins Land hinausgetragen wurde, um ihn den liberalen Parteien zu
empfehlen und deren Opposition zu rechtfertigen und zu stärken, war die Haupt¬
sache und der ärgste Mißgriff. Wenn man erfuhr, daß der, der dem Könige
am nächsten stand, die Politik des Königs mißbilligte und sich ihr nicht fügen
wollte, wer sollte dann die königliche Autorität hochhalten und sich dem könig¬
lichen Willen unterwerfen? Diese Verdunkelung und Lähmung der Autorität
des Monarchen mußte in die Zukunft hinein wirken und auch den Nachfolger
treffen, denn sie ging auf die Krone überhaupt über, die Kunde von der Un¬
einigkeit in den höchsten Kreisen schwächte die regierende Dynastie, wenn nicht
ein Riegel vorgeschoben wurde, die Erschütterungen, die das Bekanntwerden
des Verhaltens des Thronerben hervorrufen konnte, ließen befürchten, daß von


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[0555] Der 'Kronprinz in der Aonfliktszeit Gesetze einräumte. In das Regiment hatten sich diese nicht zu mischen, weder unmittelbar noch mittelbar durch Minister, die aus der Mehrheit hervorgingen. Die preußischen Minister wurden vom Könige nach seinem Gutdünken gewählt und berufen, sie berieten ihn, bestimmten ihn aber nicht, sondern handelten als seine Werkzeuge, als seine Diener. Sie beeinflußten seinen Willen nur als Ratgeber; war der Wille zum Beschluß geworden, so hatten sie ihn zu voll¬ ziehen, gleichviel, ob er ihrem Rate entsprach oder nicht. Wer sich dieses Ver¬ hältnis zum Bewußtsein gebracht hatte, mußte sich klar sein, daß jeder Einspruch gegen die Münster und ihre Maßregeln Opposition gegen den Monarchen selbst einschloß, der ihr Herr war und ihre Maßregeln befohlen und gut geheißen, also zu den seinen gemacht hatte. Und hieraus ergab sich ein schweres Be¬ denken sür den Fall, daß der Thronerbe aus irgend welchen Gründen sich be¬ wogen fand, gegen solche Maßregeln öffentlich aufzutreten. Er bekämpfte damit angesichts des Volkes die Krone, die er selbst in Zukunft tragen sollte. Wenn in dem Sturmlaufe der Demokratie, wenn später in dem Angriff auf die Monarchie, der in den Versuchen der Fortschrittspartei erfolgte, in Preußen eine Parlamentsherrschaft einzuschmuggeln, eine große Gefahr lag, so konnte die Lockerung der Bande, die das preußische Volk trotz aller Reden der Opposition im Abgeordnetenhaus« und trotz der Hetzereien und Aufstacheluugeu in Leitartikeln, Flugschriften und Volksversammlungen noch immer in seiner Mehrheit mit dem Herrscherhause verknüpften, durch eine Opposition innerhalb des Königshauses, die durch die Presse aller Welt verkündigt wurde und so als hohes Beispiel und als Rechtfertigung der eignen Opposition wirken mußte, doch noch weit mehr Gefahr im Gefolge haben. Wir verwahre:: uns dagegen, es mit voller Sicherheit zu unsern „Thatsachen" zu rechnen, daß der Kronprinz selbst seinen Gegensatz und Widerspruch gegen seinen königlichen Vater in die Öffentlichkeit gebracht habe, werden vielmehr unter unsern „Vermutungen" die Hände an¬ deuten, welche die Presse mit der Nachricht davon versehen zu haben scheinen. Nicht daß der Prinz andrer Meinung war als der König und daß er ihm und den Ministern diese Meinung rückhaltlos aussprach, sondern daß sein Zer¬ würfnis ins Land hinausgetragen wurde, um ihn den liberalen Parteien zu empfehlen und deren Opposition zu rechtfertigen und zu stärken, war die Haupt¬ sache und der ärgste Mißgriff. Wenn man erfuhr, daß der, der dem Könige am nächsten stand, die Politik des Königs mißbilligte und sich ihr nicht fügen wollte, wer sollte dann die königliche Autorität hochhalten und sich dem könig¬ lichen Willen unterwerfen? Diese Verdunkelung und Lähmung der Autorität des Monarchen mußte in die Zukunft hinein wirken und auch den Nachfolger treffen, denn sie ging auf die Krone überhaupt über, die Kunde von der Un¬ einigkeit in den höchsten Kreisen schwächte die regierende Dynastie, wenn nicht ein Riegel vorgeschoben wurde, die Erschütterungen, die das Bekanntwerden des Verhaltens des Thronerben hervorrufen konnte, ließen befürchten, daß von

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/555>, abgerufen am 05.02.2025.