Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Der Kronprinz in der llonfliktszeit hatten, nicht von den ihnen angelegten Zügeln zu befreien. Die Widersacher Der Kronprinz in der llonfliktszeit hatten, nicht von den ihnen angelegten Zügeln zu befreien. Die Widersacher <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0550" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205281"/> <fw type="header" place="top"> Der Kronprinz in der llonfliktszeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1549" prev="#ID_1548" next="#ID_1550"> hatten, nicht von den ihnen angelegten Zügeln zu befreien. Die Widersacher<lb/> der Regierung begnügten sich aber nicht damit, ihre Genehmigung zu weiterer<lb/> Geltung der Verordnung zu verscigeu, sondern klagten auch die Minister an,<lb/> verfassungswidrig gehandelt zu haben, denn es sei gar kein Notstand vorhanden<lb/> gewesen, und so hätten sie nicht ohne den Landtag eine Verordnung erlassen<lb/> dürfen. Infolge des erster» Beschlusses hob die Regierung ihre Verordnung<lb/> unverweilt auf, gegen den letztern aber wahrte sie ihr gutes, in der Verfassung<lb/> und in der Gefährlichkeit des Treibens der Presse begründetes Recht, wobei<lb/> sie von ihren jetzt auch in der zweiten Kammer stärker um sie gescharten<lb/> Freunden wacker unterstützt wurde. Graf Eulenburg, der Minister des Innern,<lb/> rechtfertigte die Verordnung bei dieser Gelegenheit (am 19. November 1863)<lb/> noch einmal in längerer Rede, der wir folgende Stellen entnehmen: „Ich weiß<lb/> nicht, ob irgend bei den Verhandlungen über den Artikel 63 oder sonst eine<lb/> authentische Interpretation über das gegeben worden ist, was man unter Not¬<lb/> stand oder Bedrohung der öffentliche» Sicherheit verstanden hat. . . . Allein,<lb/> wie ich selber gestern die Ehre hatte, im Herrenhause zu erklären: wir stehen<lb/> nicht auf dem Standpunkte, daß wir einen Notstand bloß darin sehen, daß das<lb/> Brot teuer ist, oder eine Bedrohung der öffentliche» Sicherheit darin, daß an<lb/> irgend einem Orte ein Aufstand stattfindet; wir erblicken einen viel größern<lb/> Notstand und eine viel gefährlichere Bedrohung der öffentlichen Sicherheit in<lb/> einer Verirrung der Gemüter, in einer Aufregung, die sich über das Land<lb/> verbreitet und das Zustandekommen alles Guten und Heilsamen verhindert.<lb/> Wir fürchteten bei Erlaß der Verordnung nicht, daß die vorherrschende Stim¬<lb/> mung zu irgend welchen gewaltsamen Ausbrüchen führen würde, aber wir be¬<lb/> klagten damals tief, daß ein Riß durch das Land ging, und haben diesen<lb/> Riß mit Recht als einen Notstand, ja als den ärgsten Notstand betrachtet. . . .<lb/> Alls diesem Grunde haben wir uus die Frage vorgelegt: was ist zu thun, um<lb/> eine Berichtigung in den Umschau»»geu der Menge, auf die es doch, wenn<lb/> wir Wahlen haben, ankommt, herbeizuführen, und da haben wir uns sagen<lb/> müssen, daß einen wesentlichen Anteil an der Beunruhigung des Landes die<lb/> Presse hat. Ich glaube, daß nicht einer im Hause ist, der nicht mit uns<lb/> darüber einverstanden wäre, daß der Zustand der Presse damals ein anormaler<lb/> war. . . . Wir haben zur Zeit leider Gottes unendlich wenig Blätter, denen<lb/> es darum zu thun wäre, eine politische Doktrin, eine Überzeugung zu predigen,<lb/> Proselhten zu »lachen und die Verwirklichung dieser Doktrin im Lande zu be¬<lb/> wirken. Wir haben meistenteils Annoneenblüttcr, welche suchen, so viel Absatz<lb/> und Gewinn als möglich zu erzielen, welche auf die Neugier und die Anf-<lb/> regnngslust des Publikums spekuliren, denen jede Nachricht, gleichviel, wie<lb/> falsch, wenn sie nur pikant ist, jeder Angriff, er möge so verwerflich sein, wie<lb/> er wolle, wenn er nur am Strafgesetzbuche vorbeiläuft, recht ist, um ihn in<lb/> Tausenden von Exemplaren zu verbreiten und sich dadurch Annoncen zu ver-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0550]
Der Kronprinz in der llonfliktszeit
hatten, nicht von den ihnen angelegten Zügeln zu befreien. Die Widersacher
der Regierung begnügten sich aber nicht damit, ihre Genehmigung zu weiterer
Geltung der Verordnung zu verscigeu, sondern klagten auch die Minister an,
verfassungswidrig gehandelt zu haben, denn es sei gar kein Notstand vorhanden
gewesen, und so hätten sie nicht ohne den Landtag eine Verordnung erlassen
dürfen. Infolge des erster» Beschlusses hob die Regierung ihre Verordnung
unverweilt auf, gegen den letztern aber wahrte sie ihr gutes, in der Verfassung
und in der Gefährlichkeit des Treibens der Presse begründetes Recht, wobei
sie von ihren jetzt auch in der zweiten Kammer stärker um sie gescharten
Freunden wacker unterstützt wurde. Graf Eulenburg, der Minister des Innern,
rechtfertigte die Verordnung bei dieser Gelegenheit (am 19. November 1863)
noch einmal in längerer Rede, der wir folgende Stellen entnehmen: „Ich weiß
nicht, ob irgend bei den Verhandlungen über den Artikel 63 oder sonst eine
authentische Interpretation über das gegeben worden ist, was man unter Not¬
stand oder Bedrohung der öffentliche» Sicherheit verstanden hat. . . . Allein,
wie ich selber gestern die Ehre hatte, im Herrenhause zu erklären: wir stehen
nicht auf dem Standpunkte, daß wir einen Notstand bloß darin sehen, daß das
Brot teuer ist, oder eine Bedrohung der öffentliche» Sicherheit darin, daß an
irgend einem Orte ein Aufstand stattfindet; wir erblicken einen viel größern
Notstand und eine viel gefährlichere Bedrohung der öffentlichen Sicherheit in
einer Verirrung der Gemüter, in einer Aufregung, die sich über das Land
verbreitet und das Zustandekommen alles Guten und Heilsamen verhindert.
Wir fürchteten bei Erlaß der Verordnung nicht, daß die vorherrschende Stim¬
mung zu irgend welchen gewaltsamen Ausbrüchen führen würde, aber wir be¬
klagten damals tief, daß ein Riß durch das Land ging, und haben diesen
Riß mit Recht als einen Notstand, ja als den ärgsten Notstand betrachtet. . . .
Alls diesem Grunde haben wir uus die Frage vorgelegt: was ist zu thun, um
eine Berichtigung in den Umschau»»geu der Menge, auf die es doch, wenn
wir Wahlen haben, ankommt, herbeizuführen, und da haben wir uns sagen
müssen, daß einen wesentlichen Anteil an der Beunruhigung des Landes die
Presse hat. Ich glaube, daß nicht einer im Hause ist, der nicht mit uns
darüber einverstanden wäre, daß der Zustand der Presse damals ein anormaler
war. . . . Wir haben zur Zeit leider Gottes unendlich wenig Blätter, denen
es darum zu thun wäre, eine politische Doktrin, eine Überzeugung zu predigen,
Proselhten zu »lachen und die Verwirklichung dieser Doktrin im Lande zu be¬
wirken. Wir haben meistenteils Annoneenblüttcr, welche suchen, so viel Absatz
und Gewinn als möglich zu erzielen, welche auf die Neugier und die Anf-
regnngslust des Publikums spekuliren, denen jede Nachricht, gleichviel, wie
falsch, wenn sie nur pikant ist, jeder Angriff, er möge so verwerflich sein, wie
er wolle, wenn er nur am Strafgesetzbuche vorbeiläuft, recht ist, um ihn in
Tausenden von Exemplaren zu verbreiten und sich dadurch Annoncen zu ver-
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