Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Der Kronprinz in der Aonfliktszeit und augenscheinlich einen vergiftenden Einfluß auf die öffentliche Stimmung Indem das Ministerium solche Maßregel" als ein Gebot der Verhältnisse Der Kronprinz in der Aonfliktszeit und augenscheinlich einen vergiftenden Einfluß auf die öffentliche Stimmung Indem das Ministerium solche Maßregel« als ein Gebot der Verhältnisse <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0546" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205277"/> <fw type="header" place="top"> Der Kronprinz in der Aonfliktszeit</fw><lb/> <p xml:id="ID_1539" prev="#ID_1538"> und augenscheinlich einen vergiftenden Einfluß auf die öffentliche Stimmung<lb/> und auf die Sittlichkeit des Volkes üben. Gegen diese gefährliche Einwirkung<lb/> der Presse kann eine Remedur daher nur dann eintreten, wenn neben der ge¬<lb/> richtlichen Verfolgung einzelner straffälliger Kundgebungen ein Blatt auch wegen<lb/> seiner Gesamthaltung zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn der Staats¬<lb/> regierung die Möglichkeit gegeben wird, der sichtlich und fortdauernd verderb¬<lb/> lichen Haltung eines Blattes ein Ziel zu setzen."</p><lb/> <p xml:id="ID_1540" next="#ID_1541"> Indem das Ministerium solche Maßregel« als ein Gebot der Verhältnisse<lb/> ansah, legte es sich zuvörderst die Frage vor, auf den frühern, durch das er¬<lb/> wähnte Erläuterungsgesetz vom 21. April 18L0 beseitigten Zustand zurück¬<lb/> zugehen oder andre Bestimmungen über Entziehung der Konzession zur Heraus¬<lb/> gabe vou Blättern zu erlassen. Es kam dabei zu der Ansicht, daß vou einer<lb/> Wiederherstellung des frühern Zustandes deshalb abzusehen sei, weil damit<lb/> die Zweifel und Streitigkeiten wieder aufleben würden, die sich an die Aus¬<lb/> legung des Begriffs der „Unbescholtenheit" im ersten Paragraphen des Pa߬<lb/> gesetzes von 1851 geknüpft hatten, fodcinn aber deshalb, weil eine Konzessions¬<lb/> entziehung nach K 71 bis 74 der Gewerbeordnung den einzelnen Teilnehmer<lb/> an einem staatsgefährlichen Unternehmen traf, die anderweitige Fortsetzung dieses<lb/> Unternehmens selbst aber nicht ohne weitres verhindern und insofern nicht ein¬<lb/> greifend genug wirken konnte. Man entschied sich infolgedessen dafür, einen<lb/> gerader« Weg einzuschlagen und das Verfahren unmittelbar auf das Verbot<lb/> des einzelnen gefährlichen Preßerzengnisses, der betreffenden Zeitung oder Zeit¬<lb/> schrift zu richten. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer derartigen<lb/> Maßregel sollte die Überzeugung bestimmend sein, daß eine Zeitung oder Zeit¬<lb/> schrift durch ihre fortdauernde Haltung die öffentliche Wohlfahrt gefährde, und<lb/> als Kriterien einer solchen Haltung wieder nahm man dieselben Ausschreitungen<lb/> an, die nach dem damaligen Strafgesetzbnche ein gerichtliches Einschreiten be¬<lb/> gründeten, nur eben mit dem Unterschiede, daß dieses Einschreiten auf die ein¬<lb/> zelnen Äußerungen gerichtet war, worin ein bestimmter strafbarer Thatbestand<lb/> vorlag, während jetzt bei dem Verfahren der Verwaltungsbehörden das Vor¬<lb/> handensein der Ausschreitung nach den im Strafgesetzbnche erwähnten Richtungen<lb/> aus der ganzen Haltung des Blattes, und zwar aus seiner dauernden Haltung<lb/> während einer längern Zeit, entnommen werden sollte. Die Behörde, der der<lb/> Entwurf der Preßverordnung das administrative Verfahren übertrug, war ganz<lb/> fo wie bei den frühern 5i!onzessivnsentziehuugen nach 8 71 bis 74 der Ge¬<lb/> werbeordnung des Plenum der betreffenden Bezirksregierung, was umso ange-<lb/> messener erschien, als die dauernde Kenntnisnahme von der Haltung der Zeitungen<lb/> und die Überwachung derselben auch sonst zu den Obliegenheiten dieser Regierungen<lb/> gehörte. Das Verfahren selbst war mit einigen notwendigen Abänderungen<lb/> nach deu Vorschriften des Gesetzes vom 22. Juni 1861 geordnet. Von selbst<lb/> verstand sichs, daß dieselbe Befugnis , die der Verwaltung in Bezug auf in-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0546]
Der Kronprinz in der Aonfliktszeit
und augenscheinlich einen vergiftenden Einfluß auf die öffentliche Stimmung
und auf die Sittlichkeit des Volkes üben. Gegen diese gefährliche Einwirkung
der Presse kann eine Remedur daher nur dann eintreten, wenn neben der ge¬
richtlichen Verfolgung einzelner straffälliger Kundgebungen ein Blatt auch wegen
seiner Gesamthaltung zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn der Staats¬
regierung die Möglichkeit gegeben wird, der sichtlich und fortdauernd verderb¬
lichen Haltung eines Blattes ein Ziel zu setzen."
Indem das Ministerium solche Maßregel« als ein Gebot der Verhältnisse
ansah, legte es sich zuvörderst die Frage vor, auf den frühern, durch das er¬
wähnte Erläuterungsgesetz vom 21. April 18L0 beseitigten Zustand zurück¬
zugehen oder andre Bestimmungen über Entziehung der Konzession zur Heraus¬
gabe vou Blättern zu erlassen. Es kam dabei zu der Ansicht, daß vou einer
Wiederherstellung des frühern Zustandes deshalb abzusehen sei, weil damit
die Zweifel und Streitigkeiten wieder aufleben würden, die sich an die Aus¬
legung des Begriffs der „Unbescholtenheit" im ersten Paragraphen des Pa߬
gesetzes von 1851 geknüpft hatten, fodcinn aber deshalb, weil eine Konzessions¬
entziehung nach K 71 bis 74 der Gewerbeordnung den einzelnen Teilnehmer
an einem staatsgefährlichen Unternehmen traf, die anderweitige Fortsetzung dieses
Unternehmens selbst aber nicht ohne weitres verhindern und insofern nicht ein¬
greifend genug wirken konnte. Man entschied sich infolgedessen dafür, einen
gerader« Weg einzuschlagen und das Verfahren unmittelbar auf das Verbot
des einzelnen gefährlichen Preßerzengnisses, der betreffenden Zeitung oder Zeit¬
schrift zu richten. Bei der Beurteilung der Notwendigkeit einer derartigen
Maßregel sollte die Überzeugung bestimmend sein, daß eine Zeitung oder Zeit¬
schrift durch ihre fortdauernde Haltung die öffentliche Wohlfahrt gefährde, und
als Kriterien einer solchen Haltung wieder nahm man dieselben Ausschreitungen
an, die nach dem damaligen Strafgesetzbnche ein gerichtliches Einschreiten be¬
gründeten, nur eben mit dem Unterschiede, daß dieses Einschreiten auf die ein¬
zelnen Äußerungen gerichtet war, worin ein bestimmter strafbarer Thatbestand
vorlag, während jetzt bei dem Verfahren der Verwaltungsbehörden das Vor¬
handensein der Ausschreitung nach den im Strafgesetzbnche erwähnten Richtungen
aus der ganzen Haltung des Blattes, und zwar aus seiner dauernden Haltung
während einer längern Zeit, entnommen werden sollte. Die Behörde, der der
Entwurf der Preßverordnung das administrative Verfahren übertrug, war ganz
fo wie bei den frühern 5i!onzessivnsentziehuugen nach 8 71 bis 74 der Ge¬
werbeordnung des Plenum der betreffenden Bezirksregierung, was umso ange-
messener erschien, als die dauernde Kenntnisnahme von der Haltung der Zeitungen
und die Überwachung derselben auch sonst zu den Obliegenheiten dieser Regierungen
gehörte. Das Verfahren selbst war mit einigen notwendigen Abänderungen
nach deu Vorschriften des Gesetzes vom 22. Juni 1861 geordnet. Von selbst
verstand sichs, daß dieselbe Befugnis , die der Verwaltung in Bezug auf in-
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