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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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stimmtes und grollendes Glied eingefügt. So nahm der Friede der Dynastie
keinen Besitz an Gebiet und nur soviel von ihren Souveränitätsrechten, als die
Natur eines Bundesstaates unbedingt verlangte. Diese Rücksicht trug ihre
guten Früchte, und hier beginnt der Abschnitt der Zeit, die uns das Jubiläum
freudenvoll mitfeiern läßt, indem wir sagen: endlich ist es doch gut geworden,
und unser Heimatsland nimmt nunmehr seine rechte Stellung ein; nicht am
wenigste" gilt von seiner Negierung das Wort Bismarcks, daß die im Bundes¬
rate vertretene Politik der deutscheu Fürsten und Ministerien seit Bestehen
des großen EiuigungSwerkes mehr zu dessen Befestigung geleistet habe als
der dazu in erster Reihe geschaffene Reichstag mit seinen Parteien, dem Par¬
tikularistischen Zentrum und den Kosmopoliten des fortschrittlichen und des
sozialistische" Lagers. Wie wir keine Pnrtiknlaristen sind, so wollen wir auch
nichts von den Klagen und Wünschen der Unitarier wissen, solange die
Glieder des neuen Organismus die Treue bewahren, die nächst ihrem wahren
Interesse dessen bester Kitt und Halt ist, und die sie uach Überwindung
der Mißstimmung über den Verlust an doch nur scheinbarem. Ansehen,
die sie anfänglich empfunden haben mögen, und des ersten Mißtrauens
gegen die leitende Macht mit jedem Jahre der Eingewöhnung in die neuen
Verhältnisse deutlicher und aufrichtiger an den Tag legten. Schon die
Thronrede, mit der der sächsische Landtag im November des gesegneten
JahreS 1866 eröffnet wurde, sprach den festen Entschluß des Königs Johann
aus, mit gleicher Treue wie zu dem frühern Vnnde auch zu dem jetzigen zu
stehen, und zur Bekundung ihrer aufrichtigen Ergebung in die neue Ord¬
nung der Dinge erschienen bald nachher der König und der Kronprinz als
Gäste am Berliner Hofe, ein Besuch, der vou dein Kronprinzen, als er seinem
Vater auf dem Throne gefolgt war, bis heute fast in jedem Jahre wiederholt
wurde. Als 1867 die französische Regierung die sächsische zur Beteiligung
an der europäischen Konferenz einlud, die die römische Frage regeln sollte,
lehnte man dies in Dresden loyal und taktvoll unter Hinweis auf den Nord¬
deutschen Bund und dessen Recht, Sachsen hierbei diplomatisch zu vertreten,
ab, und eine ähnliche Antwort wurde Rußland erteilt, als es 1868 Sachsen
aufforderte, auf einer internationalen Konferenz zur Abschaffung der Spreng¬
geschosse nnmittelliar mitzuberaten und abzustimmen. Die Politik Beusts mit
ihrer Großmannssucht war eben vollständig aus den Negierungskreiseu verbannt,
und in Preußen faud diese Wendung der Dinge bereitwillige Anerkennung in
Thatsachen. Hand in Hand hiermit ging die Umstimmung in der Bevölkerung.
Zuerst langsam, bald aber schneller griffen hier nationaler Gemeinsinn und
Erkenntnis der Vorteile, die die neue Stellung des Landes der Förderung
seiner materiellen Interessen bot, um sich, und immer einflußreicher wurde die
nationale Partei gegenüber den Resten der partiknlaristischen, die sich zuletzt beinahe
nur noch ans die Kreise des hohen Adels, der Armee und des kleinen Beamtentums


stimmtes und grollendes Glied eingefügt. So nahm der Friede der Dynastie
keinen Besitz an Gebiet und nur soviel von ihren Souveränitätsrechten, als die
Natur eines Bundesstaates unbedingt verlangte. Diese Rücksicht trug ihre
guten Früchte, und hier beginnt der Abschnitt der Zeit, die uns das Jubiläum
freudenvoll mitfeiern läßt, indem wir sagen: endlich ist es doch gut geworden,
und unser Heimatsland nimmt nunmehr seine rechte Stellung ein; nicht am
wenigste» gilt von seiner Negierung das Wort Bismarcks, daß die im Bundes¬
rate vertretene Politik der deutscheu Fürsten und Ministerien seit Bestehen
des großen EiuigungSwerkes mehr zu dessen Befestigung geleistet habe als
der dazu in erster Reihe geschaffene Reichstag mit seinen Parteien, dem Par¬
tikularistischen Zentrum und den Kosmopoliten des fortschrittlichen und des
sozialistische» Lagers. Wie wir keine Pnrtiknlaristen sind, so wollen wir auch
nichts von den Klagen und Wünschen der Unitarier wissen, solange die
Glieder des neuen Organismus die Treue bewahren, die nächst ihrem wahren
Interesse dessen bester Kitt und Halt ist, und die sie uach Überwindung
der Mißstimmung über den Verlust an doch nur scheinbarem. Ansehen,
die sie anfänglich empfunden haben mögen, und des ersten Mißtrauens
gegen die leitende Macht mit jedem Jahre der Eingewöhnung in die neuen
Verhältnisse deutlicher und aufrichtiger an den Tag legten. Schon die
Thronrede, mit der der sächsische Landtag im November des gesegneten
JahreS 1866 eröffnet wurde, sprach den festen Entschluß des Königs Johann
aus, mit gleicher Treue wie zu dem frühern Vnnde auch zu dem jetzigen zu
stehen, und zur Bekundung ihrer aufrichtigen Ergebung in die neue Ord¬
nung der Dinge erschienen bald nachher der König und der Kronprinz als
Gäste am Berliner Hofe, ein Besuch, der vou dein Kronprinzen, als er seinem
Vater auf dem Throne gefolgt war, bis heute fast in jedem Jahre wiederholt
wurde. Als 1867 die französische Regierung die sächsische zur Beteiligung
an der europäischen Konferenz einlud, die die römische Frage regeln sollte,
lehnte man dies in Dresden loyal und taktvoll unter Hinweis auf den Nord¬
deutschen Bund und dessen Recht, Sachsen hierbei diplomatisch zu vertreten,
ab, und eine ähnliche Antwort wurde Rußland erteilt, als es 1868 Sachsen
aufforderte, auf einer internationalen Konferenz zur Abschaffung der Spreng¬
geschosse nnmittelliar mitzuberaten und abzustimmen. Die Politik Beusts mit
ihrer Großmannssucht war eben vollständig aus den Negierungskreiseu verbannt,
und in Preußen faud diese Wendung der Dinge bereitwillige Anerkennung in
Thatsachen. Hand in Hand hiermit ging die Umstimmung in der Bevölkerung.
Zuerst langsam, bald aber schneller griffen hier nationaler Gemeinsinn und
Erkenntnis der Vorteile, die die neue Stellung des Landes der Förderung
seiner materiellen Interessen bot, um sich, und immer einflußreicher wurde die
nationale Partei gegenüber den Resten der partiknlaristischen, die sich zuletzt beinahe
nur noch ans die Kreise des hohen Adels, der Armee und des kleinen Beamtentums


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/494>, abgerufen am 05.02.2025.