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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Patent oder Lizenzprämie?

und die gesetzgeberische Aufgabe wird darin bestehen müssen, diesen Schutz
möglichst stark zu machen und von den wirtschaftlichen Nachteilen zu befreien,
die ihm bisher angehaftet haben.

Als der erste Versuch eines solchen Patentersatzes ist der Vorschlag einer
Nationalbelohnung zu betrachten, der, von keinem geringern als von Goethe
zuerst angeregt, im Beginn der sechziger Jahre unter der Fülle von Patent-
und Gegenpatentschriften wieder auftauchte und lebhaft erörtert wurde. 18(>2
erschien in der Deutschen Jllustrirten Gewerbezeitnug ein Aufsatz des um unsre
Patentgesetzgebung hochverdienten Dr. H. Grothe, der zuerst diesen Gegenstand
behandelte und zugleich Anregungen zur Durchführung des Gedankens einer
solchen nationalen Erfinderprämie bot. Grothe wollte -- es war die Zeit
Lassalles und Schulze-Delitzschs -- die Ausführung seiner Idee großen ge¬
nossenschaftlichen Organisation übertragen, denen die Prämiirnng neuer und
zweckmäßiger Erfindungen obliegen sollte. Aber er hielt an diesem Plane nicht
lange fest: bald darauf veröffentlichte er im "Arbeitgeber" eine neue Abhand¬
lung über denselben Gegenstand, worin er sich ganz der von dem "Verein
Deutscher Ingenieure" geleiteten Agitation zur Einführung eines Patentgesetzes
nach englischem Muster anschloß, wie wir es denn auch in unserm Neichs-
patentgesetz erhalten haben. Als ein Jahr später die preußische Regierung
aus sachverständigen Kreisen Urteile über den Gegenstand einforderte, nahm
die Kölner Handelskammer den Grothischeu Vorschlag in etwas andrer Form
wieder ans, indem sie folgendes Gutachten abgab: "Erfindnngspntente dürfen
in Zukunft in Deutschland nicht mehr erteilt werden. Die bestehenden erlöschen
nach Ablauf der vorgeschriebenen Dauer, jedenfalls aber nach fünf Jahren.
Ans gemeinsamen Mitteln (La!) werden jährlich angemessene (!) Beträge zur
Belohnung für wichtige (!) Erfindungen ausgesetzt. Mit Prüfung der letztern
und mit Zuerkennung der Preise wird eine ständige Behörde beauftragt."

Man sieht, daß sich in diesem Gutachten alle die gefährlichen Klippen
finden, die ein gutes Patentgesetz vorsichtig umschiffen muß, wenn es der Ge¬
fahr entgehen will, kläglich zu scheitern. Da sind sie wieder, die "ange¬
messenen" Beträge, von denen niemand wissen kann, ob sie dein materiellen
Werte der Erfindung im geringsten entsprechen; da sind wieder die "wichtigen"
Erfindungen, von denen nur eine zuknnftschauende Prophetin zu ahnen ver¬
mag, ob sie überhaupt irgend eine Wichtigkeit oder Vedentnng haben, da ist
wieder die "ständige Behörde," die natürlich kraft ihres Amtes allwissend
und unfehlbar ist! Und wie sollen die Kosten bestritten werden? "Aus ge¬
meinsamen Mitteln"! Als ob der steuerzahlende Bauer ein Interesse daran
hätte, daß der Dands der Großstadt pntentirte elektrische Busennadeln und
Manschettenknöpfe trägt, oder der arme Handwerker daran, daß ein reicher
Konkurrent noch bessere Maschinen und Werkzeuge erhält, um ihm, dein armen
Teufel, die letzte Arbeit zu entreißen! So lange das Prinzip der ausgleichen-


Patent oder Lizenzprämie?

und die gesetzgeberische Aufgabe wird darin bestehen müssen, diesen Schutz
möglichst stark zu machen und von den wirtschaftlichen Nachteilen zu befreien,
die ihm bisher angehaftet haben.

Als der erste Versuch eines solchen Patentersatzes ist der Vorschlag einer
Nationalbelohnung zu betrachten, der, von keinem geringern als von Goethe
zuerst angeregt, im Beginn der sechziger Jahre unter der Fülle von Patent-
und Gegenpatentschriften wieder auftauchte und lebhaft erörtert wurde. 18(>2
erschien in der Deutschen Jllustrirten Gewerbezeitnug ein Aufsatz des um unsre
Patentgesetzgebung hochverdienten Dr. H. Grothe, der zuerst diesen Gegenstand
behandelte und zugleich Anregungen zur Durchführung des Gedankens einer
solchen nationalen Erfinderprämie bot. Grothe wollte — es war die Zeit
Lassalles und Schulze-Delitzschs — die Ausführung seiner Idee großen ge¬
nossenschaftlichen Organisation übertragen, denen die Prämiirnng neuer und
zweckmäßiger Erfindungen obliegen sollte. Aber er hielt an diesem Plane nicht
lange fest: bald darauf veröffentlichte er im „Arbeitgeber" eine neue Abhand¬
lung über denselben Gegenstand, worin er sich ganz der von dem „Verein
Deutscher Ingenieure" geleiteten Agitation zur Einführung eines Patentgesetzes
nach englischem Muster anschloß, wie wir es denn auch in unserm Neichs-
patentgesetz erhalten haben. Als ein Jahr später die preußische Regierung
aus sachverständigen Kreisen Urteile über den Gegenstand einforderte, nahm
die Kölner Handelskammer den Grothischeu Vorschlag in etwas andrer Form
wieder ans, indem sie folgendes Gutachten abgab: „Erfindnngspntente dürfen
in Zukunft in Deutschland nicht mehr erteilt werden. Die bestehenden erlöschen
nach Ablauf der vorgeschriebenen Dauer, jedenfalls aber nach fünf Jahren.
Ans gemeinsamen Mitteln (La!) werden jährlich angemessene (!) Beträge zur
Belohnung für wichtige (!) Erfindungen ausgesetzt. Mit Prüfung der letztern
und mit Zuerkennung der Preise wird eine ständige Behörde beauftragt."

Man sieht, daß sich in diesem Gutachten alle die gefährlichen Klippen
finden, die ein gutes Patentgesetz vorsichtig umschiffen muß, wenn es der Ge¬
fahr entgehen will, kläglich zu scheitern. Da sind sie wieder, die „ange¬
messenen" Beträge, von denen niemand wissen kann, ob sie dein materiellen
Werte der Erfindung im geringsten entsprechen; da sind wieder die „wichtigen"
Erfindungen, von denen nur eine zuknnftschauende Prophetin zu ahnen ver¬
mag, ob sie überhaupt irgend eine Wichtigkeit oder Vedentnng haben, da ist
wieder die „ständige Behörde," die natürlich kraft ihres Amtes allwissend
und unfehlbar ist! Und wie sollen die Kosten bestritten werden? „Aus ge¬
meinsamen Mitteln"! Als ob der steuerzahlende Bauer ein Interesse daran
hätte, daß der Dands der Großstadt pntentirte elektrische Busennadeln und
Manschettenknöpfe trägt, oder der arme Handwerker daran, daß ein reicher
Konkurrent noch bessere Maschinen und Werkzeuge erhält, um ihm, dein armen
Teufel, die letzte Arbeit zu entreißen! So lange das Prinzip der ausgleichen-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/450>, abgerufen am 05.02.2025.