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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Patent oder Lizenzpräinie?

dadurch geworden ist. Ich kenne leider die Geschichte dieser glücklichen Er¬
findung nicht, aber soviel behaupte ich kühnlich, daß nach Ablauf von drei
Jahren noch kein Patentamt der Welt imstande gewesen wäre, in einem Streit¬
salle den materiellen Wert derselben auch nnr annähernd richtig zu beurteilen
und die Summe zu bestimmen, die der Patentinhaber als eine "angemessene
Vergütung" oder "genügende Sicherstellung" zu betrachten auch uur mit einem
Schein von Recht und Billigkeit hätte gezwungen werden können. Keine Er¬
findung ist so blendend und fällt durch ihre Vorteile so in die Angen, daß
sie den angeborenen konservativen Hang der Menschen, ihre Vorliebe für das
"gute" Alte, Langbewährte sofort zu besiegen vermöchte. Auch der mit allen
Mitteln der Reklame gründlich vertraute amerikanische Geschäftsmann wird erst
Monate und Jahre brauchen, ehe der neue Gegenstand, den er einzuführen
bestrebt ist, in weitern Kreisen bekannt geworden, von einigen neuerungs-
süchtigen zuerst schüchtern gekauft, durch die Praxis bewährt ist und auch bei
denen, die fest am Alten hängen, Anklang findet. Ja man müßte aus Psycho¬
logischen Gründen die fünfzehnjährige Giltigkeitsdauer eines Patentes für viel
zu kurz erachten, wenn nicht die mannichfachen Beschwerden und Nachteile,
die sich aus unserm Patentwesen ergeben, eine längere Frist als völlig un¬
erträglich erscheinen ließen.

Alle diese Mängel unsers Patentwesens, die hier nnr in ihren Haupt¬
erscheinungen kurz gezeichnet werden konnten, scheinen den Vertretern der Frei¬
handelstheorie Recht zu geben, die mit der ganzen Hartnäckigkeit verbissener
Doktrinäre zwei Jahrzehnte lang gegen jeden Erfindungsschutz gekämpft haben,
bis sie endlich überwunden wurden.

Aber sie scheinen es nur. Deal in Wahrheit würde ein Sturm der
Entrüstung die politische Partei hinwegfegen, die das Prinzip des Schutzes
der wirtschaftlich Schwachen, das wie ein roter Fndeu unsre ganze Wirtschafts¬
politik durchzieht, in einer seiner wichtigsten Erscheinungen verleugnen und
Preisgeben wollte, die jener Zügellosigkeit und Willkür Thür und Thor wieder
öffnete, die Stuart Mill mit Recht als einen Ausfluß nicht freihändlerischer,
sondern freidenkerischer Grundsätze bezeichnet hat.

Deal darüber ist bei allen maßgebenden Beurteilern und in allen be¬
teiligten Kreisen uur eine Stimme: lieber wird man das bestehende Patent¬
gesetz mit alleil seinen Unzuträglichkeiten und wirtschaftlichen Nachteilen geduldig
weiter ertragen, als zu den: alten Zustande der Anarchie, des Freibentertnms
und des Erfinderelends zurückkehren, und selbst in der freisinnigen Partei, die
sich so lange als die berufene Vertreterin der Manchestertheorie gcrirte,
dürften sich heute uur wenige Stimmen für eine solche Umkehr geltend
machen. Vielmehr wird jeder Versuch einer Patentverbessernng das als leiten¬
den Gesichtspunkt festzuhalten haben, daß die neue Erfindung auf technischem
Gebiete den starken Schutz der Gesetzgebung niemals wird entbehren können,


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Patent oder Lizenzpräinie?

dadurch geworden ist. Ich kenne leider die Geschichte dieser glücklichen Er¬
findung nicht, aber soviel behaupte ich kühnlich, daß nach Ablauf von drei
Jahren noch kein Patentamt der Welt imstande gewesen wäre, in einem Streit¬
salle den materiellen Wert derselben auch nnr annähernd richtig zu beurteilen
und die Summe zu bestimmen, die der Patentinhaber als eine „angemessene
Vergütung" oder „genügende Sicherstellung" zu betrachten auch uur mit einem
Schein von Recht und Billigkeit hätte gezwungen werden können. Keine Er¬
findung ist so blendend und fällt durch ihre Vorteile so in die Angen, daß
sie den angeborenen konservativen Hang der Menschen, ihre Vorliebe für das
„gute" Alte, Langbewährte sofort zu besiegen vermöchte. Auch der mit allen
Mitteln der Reklame gründlich vertraute amerikanische Geschäftsmann wird erst
Monate und Jahre brauchen, ehe der neue Gegenstand, den er einzuführen
bestrebt ist, in weitern Kreisen bekannt geworden, von einigen neuerungs-
süchtigen zuerst schüchtern gekauft, durch die Praxis bewährt ist und auch bei
denen, die fest am Alten hängen, Anklang findet. Ja man müßte aus Psycho¬
logischen Gründen die fünfzehnjährige Giltigkeitsdauer eines Patentes für viel
zu kurz erachten, wenn nicht die mannichfachen Beschwerden und Nachteile,
die sich aus unserm Patentwesen ergeben, eine längere Frist als völlig un¬
erträglich erscheinen ließen.

Alle diese Mängel unsers Patentwesens, die hier nnr in ihren Haupt¬
erscheinungen kurz gezeichnet werden konnten, scheinen den Vertretern der Frei¬
handelstheorie Recht zu geben, die mit der ganzen Hartnäckigkeit verbissener
Doktrinäre zwei Jahrzehnte lang gegen jeden Erfindungsschutz gekämpft haben,
bis sie endlich überwunden wurden.

Aber sie scheinen es nur. Deal in Wahrheit würde ein Sturm der
Entrüstung die politische Partei hinwegfegen, die das Prinzip des Schutzes
der wirtschaftlich Schwachen, das wie ein roter Fndeu unsre ganze Wirtschafts¬
politik durchzieht, in einer seiner wichtigsten Erscheinungen verleugnen und
Preisgeben wollte, die jener Zügellosigkeit und Willkür Thür und Thor wieder
öffnete, die Stuart Mill mit Recht als einen Ausfluß nicht freihändlerischer,
sondern freidenkerischer Grundsätze bezeichnet hat.

Deal darüber ist bei allen maßgebenden Beurteilern und in allen be¬
teiligten Kreisen uur eine Stimme: lieber wird man das bestehende Patent¬
gesetz mit alleil seinen Unzuträglichkeiten und wirtschaftlichen Nachteilen geduldig
weiter ertragen, als zu den: alten Zustande der Anarchie, des Freibentertnms
und des Erfinderelends zurückkehren, und selbst in der freisinnigen Partei, die
sich so lange als die berufene Vertreterin der Manchestertheorie gcrirte,
dürften sich heute uur wenige Stimmen für eine solche Umkehr geltend
machen. Vielmehr wird jeder Versuch einer Patentverbessernng das als leiten¬
den Gesichtspunkt festzuhalten haben, daß die neue Erfindung auf technischem
Gebiete den starken Schutz der Gesetzgebung niemals wird entbehren können,


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[0449] Patent oder Lizenzpräinie? dadurch geworden ist. Ich kenne leider die Geschichte dieser glücklichen Er¬ findung nicht, aber soviel behaupte ich kühnlich, daß nach Ablauf von drei Jahren noch kein Patentamt der Welt imstande gewesen wäre, in einem Streit¬ salle den materiellen Wert derselben auch nnr annähernd richtig zu beurteilen und die Summe zu bestimmen, die der Patentinhaber als eine „angemessene Vergütung" oder „genügende Sicherstellung" zu betrachten auch uur mit einem Schein von Recht und Billigkeit hätte gezwungen werden können. Keine Er¬ findung ist so blendend und fällt durch ihre Vorteile so in die Angen, daß sie den angeborenen konservativen Hang der Menschen, ihre Vorliebe für das „gute" Alte, Langbewährte sofort zu besiegen vermöchte. Auch der mit allen Mitteln der Reklame gründlich vertraute amerikanische Geschäftsmann wird erst Monate und Jahre brauchen, ehe der neue Gegenstand, den er einzuführen bestrebt ist, in weitern Kreisen bekannt geworden, von einigen neuerungs- süchtigen zuerst schüchtern gekauft, durch die Praxis bewährt ist und auch bei denen, die fest am Alten hängen, Anklang findet. Ja man müßte aus Psycho¬ logischen Gründen die fünfzehnjährige Giltigkeitsdauer eines Patentes für viel zu kurz erachten, wenn nicht die mannichfachen Beschwerden und Nachteile, die sich aus unserm Patentwesen ergeben, eine längere Frist als völlig un¬ erträglich erscheinen ließen. Alle diese Mängel unsers Patentwesens, die hier nnr in ihren Haupt¬ erscheinungen kurz gezeichnet werden konnten, scheinen den Vertretern der Frei¬ handelstheorie Recht zu geben, die mit der ganzen Hartnäckigkeit verbissener Doktrinäre zwei Jahrzehnte lang gegen jeden Erfindungsschutz gekämpft haben, bis sie endlich überwunden wurden. Aber sie scheinen es nur. Deal in Wahrheit würde ein Sturm der Entrüstung die politische Partei hinwegfegen, die das Prinzip des Schutzes der wirtschaftlich Schwachen, das wie ein roter Fndeu unsre ganze Wirtschafts¬ politik durchzieht, in einer seiner wichtigsten Erscheinungen verleugnen und Preisgeben wollte, die jener Zügellosigkeit und Willkür Thür und Thor wieder öffnete, die Stuart Mill mit Recht als einen Ausfluß nicht freihändlerischer, sondern freidenkerischer Grundsätze bezeichnet hat. Deal darüber ist bei allen maßgebenden Beurteilern und in allen be¬ teiligten Kreisen uur eine Stimme: lieber wird man das bestehende Patent¬ gesetz mit alleil seinen Unzuträglichkeiten und wirtschaftlichen Nachteilen geduldig weiter ertragen, als zu den: alten Zustande der Anarchie, des Freibentertnms und des Erfinderelends zurückkehren, und selbst in der freisinnigen Partei, die sich so lange als die berufene Vertreterin der Manchestertheorie gcrirte, dürften sich heute uur wenige Stimmen für eine solche Umkehr geltend machen. Vielmehr wird jeder Versuch einer Patentverbessernng das als leiten¬ den Gesichtspunkt festzuhalten haben, daß die neue Erfindung auf technischem Gebiete den starken Schutz der Gesetzgebung niemals wird entbehren können, Grenzboten II 1389 5«

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/449>, abgerufen am 05.02.2025.