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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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drohte, haben sie den taktischen Vorstoß mit dein Antrage Liechtenstein gemacht.
Und nun haben sie ihren Zweck vollkommen erreicht. Die Opposition schwelgt
in Einigkeit und läßt sich hinreißen, alle Forderungen der katholischen Partei,
gerechte und ungerechte, in Bausch und Bogen abzulehnen. Die Hetze mit
Demonstrationen und Petitionen geht nun auf beiden Seiten frisch und fröhlich
wieder an. Beschuldigungen der härtesten Art schnurren hin und wieder, die
liberalen Städte und Märkte kämpfen im guten Glauben für ihr Deutschtum,
und die Vaueru werden den Ultramoutnnen mit Gewalt in die Arme getrieben.

Zweitens wird durch die schroffe Haltung der Deutschen in der Schul¬
frage auch die Kraft der slawischen Majorität gefördert, die heute noch die
Deutschen schädigt, wo sie nur kann. Eine entgegenkommende Behandlung
der Schulgesetze hätte vielleicht den Weg zu einer Verständigung mit den
Alttschccheu geebnet, die in ihrer Bedrängnis durch die tabvritischen Juug-
tschechen am ehesten zu einzelnen Zugeständnissen auf nationalem Gebiete geneigt
wären, wenn man sich im übrigen auf einen konservativeren Standpunkt stellte.
Statt dessen liebäugelt das einige Deutschtum mit den internationalen Demo¬
kraten, wie Kronawctter, und mit den Jungtschechen, die bereits den Ver¬
nichtungskrieg gegen die Deutschen gepredigt und ihrem Hasse gegen sie
in der unanständigsten Weise Ausdruck gegeben haben. Welche widernatürlichen
Szenen haben die liberalen Deutschen im Abgeordnetenhaus? bei Gelegenheit
der letzten Rede Eduard Gregrs aufgeführt!

So geht es mit der nationalen Politik der Deutschen in Österreich nicht
einen Schritt vorwärts, aber viele Schritte zurück. Von einer Zusammen¬
fassung aller Kräfte zur Verteidigung des notwendigen und zur Erreichung
eiues gesicherten Einflusses auf die Regierung ist man weiter als je entfernt.
In allen Lagern wird gegen Windmühlen gekämpft, und dabei verringert sich
das Interesse eines großen Teiles der gebildeten Klassen am politischen Leben
zusehends. Für ein kluges Nachgeben ans der einen Seite, um dafür alle
Macht auf der andern in die Wagschale werfen zu können, giebt es unter den
Dentschösterreichern kein Verständnis. Die Hindeutung, die der Schöpfer der
Schulgesetze, Herr von Hafner, mit der Bemerkung gemacht hat, er würde,
um die lex I,iöelitöN8t,6in zu vermeiden, nötigenfalls die ganze Schulgesetz¬
gebung den Landtagen überweisen, diese gewiß nicht unbedachte Billigung
eines Rückzuges der Deutschen ans den Föderalismus, ist beinahe ungehört
verhallt, sie scheint in dem Kreise der aktiven Staatsretter der Opposition
niemand Stoff zum Nachdenken gegeben zu haben. Auch hat fich unter den
viele" Rednern, die bei den Jubelfesten zur Verherrlichung der Gesetze von 1869
auftraten, noch keiner angeregt gefunden, die Frage aufzuwerfen, in welcher
Weise mau die Interessen der katholischen Kirche in der Schule befriedigen könne,
ohne die nationalen Interessen zu verkürzen. Und doch läge hier der Angelpunkt
der ganzen Bewegung. Unbedingte Achtung vor den streng kirchlichen Bedürfnissen,


drohte, haben sie den taktischen Vorstoß mit dein Antrage Liechtenstein gemacht.
Und nun haben sie ihren Zweck vollkommen erreicht. Die Opposition schwelgt
in Einigkeit und läßt sich hinreißen, alle Forderungen der katholischen Partei,
gerechte und ungerechte, in Bausch und Bogen abzulehnen. Die Hetze mit
Demonstrationen und Petitionen geht nun auf beiden Seiten frisch und fröhlich
wieder an. Beschuldigungen der härtesten Art schnurren hin und wieder, die
liberalen Städte und Märkte kämpfen im guten Glauben für ihr Deutschtum,
und die Vaueru werden den Ultramoutnnen mit Gewalt in die Arme getrieben.

Zweitens wird durch die schroffe Haltung der Deutschen in der Schul¬
frage auch die Kraft der slawischen Majorität gefördert, die heute noch die
Deutschen schädigt, wo sie nur kann. Eine entgegenkommende Behandlung
der Schulgesetze hätte vielleicht den Weg zu einer Verständigung mit den
Alttschccheu geebnet, die in ihrer Bedrängnis durch die tabvritischen Juug-
tschechen am ehesten zu einzelnen Zugeständnissen auf nationalem Gebiete geneigt
wären, wenn man sich im übrigen auf einen konservativeren Standpunkt stellte.
Statt dessen liebäugelt das einige Deutschtum mit den internationalen Demo¬
kraten, wie Kronawctter, und mit den Jungtschechen, die bereits den Ver¬
nichtungskrieg gegen die Deutschen gepredigt und ihrem Hasse gegen sie
in der unanständigsten Weise Ausdruck gegeben haben. Welche widernatürlichen
Szenen haben die liberalen Deutschen im Abgeordnetenhaus? bei Gelegenheit
der letzten Rede Eduard Gregrs aufgeführt!

So geht es mit der nationalen Politik der Deutschen in Österreich nicht
einen Schritt vorwärts, aber viele Schritte zurück. Von einer Zusammen¬
fassung aller Kräfte zur Verteidigung des notwendigen und zur Erreichung
eiues gesicherten Einflusses auf die Regierung ist man weiter als je entfernt.
In allen Lagern wird gegen Windmühlen gekämpft, und dabei verringert sich
das Interesse eines großen Teiles der gebildeten Klassen am politischen Leben
zusehends. Für ein kluges Nachgeben ans der einen Seite, um dafür alle
Macht auf der andern in die Wagschale werfen zu können, giebt es unter den
Dentschösterreichern kein Verständnis. Die Hindeutung, die der Schöpfer der
Schulgesetze, Herr von Hafner, mit der Bemerkung gemacht hat, er würde,
um die lex I,iöelitöN8t,6in zu vermeiden, nötigenfalls die ganze Schulgesetz¬
gebung den Landtagen überweisen, diese gewiß nicht unbedachte Billigung
eines Rückzuges der Deutschen ans den Föderalismus, ist beinahe ungehört
verhallt, sie scheint in dem Kreise der aktiven Staatsretter der Opposition
niemand Stoff zum Nachdenken gegeben zu haben. Auch hat fich unter den
viele« Rednern, die bei den Jubelfesten zur Verherrlichung der Gesetze von 1869
auftraten, noch keiner angeregt gefunden, die Frage aufzuwerfen, in welcher
Weise mau die Interessen der katholischen Kirche in der Schule befriedigen könne,
ohne die nationalen Interessen zu verkürzen. Und doch läge hier der Angelpunkt
der ganzen Bewegung. Unbedingte Achtung vor den streng kirchlichen Bedürfnissen,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/445>, abgerufen am 05.02.2025.