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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Rassen- und Alassenhaß

eines einzigen Elternpaares der ganzen Menschheit im alten Testament widerlegt.
Wer das nicht schwarz auf Weiß vor sich und durch die Stellungnahme der
jüdischen Zeitungen nicht jeden Gedanken an Fälschung beseitigt sähe, würde die
Kühnheit einer solchen Beweisführung nicht sür möglich halten! In andern
Fällen werden offenkundige Thatsachen einfach mit Unsinn, albernes Märchen,
oder anch damit abgefertigt, den Verfassern sei davon "nichts bekannt." Die
^llmnov isrg.ö1it>L ist ein ganz harmloser gemeinnütziger Verein. Daß eine
Zeitschrift eine eigne Rubrik "Der Jude im Gerichtssaal" eröffnet hat, andre
wenigstens nie unterlassen, die Nationalität zu erwähnen, wenn ein Jude als
bankbrüchig oder sonst wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt
worden ist, geschieht in der gehässigen Absicht, die Welt glauben zu machen,
daß "die Juden ein überaus t!) großes Berbrecherkontingent stellen, während
doch nachweisbar das Gegenteil der Fall ist"; leider unterläßt die Denkschrift
den Nachweis, daß sie ein überaus kleines Verbrecherkontingent stellen; und
daß das Hervorheben der von Juden begangnen Verbrechen durch das Ver¬
tuschen solcher Verbrechen von andrer Seite veranlaßt wird, gehört wohl
wieder zu den "nicht bekannten" Dingen. Das "Deutsche Volksblatt" habe
gleich in seiner ersten Nummer nichts als Judenhetze getrieben, da darin von
"gastlich geduldeten Fremdlingen, Rasseneigentünüichkeit, eingewanderten Semiten,
jüdischen Geldfürsten, jüdischen Spekulanten, jüdischen Zwischenhändlern, jü¬
dischem Wesen, jüdischer Presse" u, dergl. in. gesprochen werde. Von solchen
Dingen soll eben nicht gesprochen werden. Trinmphirend wird einem Salz¬
burger Blatte "Kyffhäuser" als Widerspruch vorgehalten, daß es einmal den
Juden "kapitalistische Richtung" nachsage, dann aber behaupte, der Charakter
der sozialistischen Bewegung entspreche gerade dem jüdischen Charakter am
meisten. sonach scheint es eine Erfindung des bösen "Kyffhäuser" zu sein,
daß den Hunderttausenden jüdischer Geldmänner die sozialdemokratischen oder
anarchistischen Führer, deren Namen alle Welt kennt, gegenüberstehen, oder
daß sich auch beide Eigenschaften in einer Person vereinigen. Wie Berlin
seinen Singer, hat Wien seinen Adler ^ doch davon weiß die Denkschrift
nichts.

Zu den logischen Meisterstücken gehört folgender Satz: "Wenn in allen
den antisemitischen Journalen fortwährend von dem Konnex des Verfalls eines
Reiches und der Thätigkeit der Juden in demselben gesprochen wird, wenn
fortwährend Juden als Revolutionäre denunzirt werden, so zeigt das Beispiel
Spaniens, wo seit nahezu vier Jahrhunderten gar keine Juden leben (! von
dem Minister Mendizabal ist ihnen "nichts bekannt"!), gradezu, wie der Verfall
so vieler Reiche von alters her und bis auf die Neuzeit, in welchen Juden
gar nicht oder nur in verschwindender Minorität vorkommen, daß alle jene
Suppositionen falsch und erdichtet sind." In der That, was kann über¬
zeugender sein? Wenn jemand behauptet, daß die Cholera tötlich sei, so wird


Rassen- und Alassenhaß

eines einzigen Elternpaares der ganzen Menschheit im alten Testament widerlegt.
Wer das nicht schwarz auf Weiß vor sich und durch die Stellungnahme der
jüdischen Zeitungen nicht jeden Gedanken an Fälschung beseitigt sähe, würde die
Kühnheit einer solchen Beweisführung nicht sür möglich halten! In andern
Fällen werden offenkundige Thatsachen einfach mit Unsinn, albernes Märchen,
oder anch damit abgefertigt, den Verfassern sei davon „nichts bekannt." Die
^llmnov isrg.ö1it>L ist ein ganz harmloser gemeinnütziger Verein. Daß eine
Zeitschrift eine eigne Rubrik „Der Jude im Gerichtssaal" eröffnet hat, andre
wenigstens nie unterlassen, die Nationalität zu erwähnen, wenn ein Jude als
bankbrüchig oder sonst wegen eines Verbrechens oder Vergehens verurteilt
worden ist, geschieht in der gehässigen Absicht, die Welt glauben zu machen,
daß „die Juden ein überaus t!) großes Berbrecherkontingent stellen, während
doch nachweisbar das Gegenteil der Fall ist"; leider unterläßt die Denkschrift
den Nachweis, daß sie ein überaus kleines Verbrecherkontingent stellen; und
daß das Hervorheben der von Juden begangnen Verbrechen durch das Ver¬
tuschen solcher Verbrechen von andrer Seite veranlaßt wird, gehört wohl
wieder zu den „nicht bekannten" Dingen. Das „Deutsche Volksblatt" habe
gleich in seiner ersten Nummer nichts als Judenhetze getrieben, da darin von
„gastlich geduldeten Fremdlingen, Rasseneigentünüichkeit, eingewanderten Semiten,
jüdischen Geldfürsten, jüdischen Spekulanten, jüdischen Zwischenhändlern, jü¬
dischem Wesen, jüdischer Presse" u, dergl. in. gesprochen werde. Von solchen
Dingen soll eben nicht gesprochen werden. Trinmphirend wird einem Salz¬
burger Blatte „Kyffhäuser" als Widerspruch vorgehalten, daß es einmal den
Juden „kapitalistische Richtung" nachsage, dann aber behaupte, der Charakter
der sozialistischen Bewegung entspreche gerade dem jüdischen Charakter am
meisten. sonach scheint es eine Erfindung des bösen „Kyffhäuser" zu sein,
daß den Hunderttausenden jüdischer Geldmänner die sozialdemokratischen oder
anarchistischen Führer, deren Namen alle Welt kennt, gegenüberstehen, oder
daß sich auch beide Eigenschaften in einer Person vereinigen. Wie Berlin
seinen Singer, hat Wien seinen Adler ^ doch davon weiß die Denkschrift
nichts.

Zu den logischen Meisterstücken gehört folgender Satz: „Wenn in allen
den antisemitischen Journalen fortwährend von dem Konnex des Verfalls eines
Reiches und der Thätigkeit der Juden in demselben gesprochen wird, wenn
fortwährend Juden als Revolutionäre denunzirt werden, so zeigt das Beispiel
Spaniens, wo seit nahezu vier Jahrhunderten gar keine Juden leben (! von
dem Minister Mendizabal ist ihnen „nichts bekannt"!), gradezu, wie der Verfall
so vieler Reiche von alters her und bis auf die Neuzeit, in welchen Juden
gar nicht oder nur in verschwindender Minorität vorkommen, daß alle jene
Suppositionen falsch und erdichtet sind." In der That, was kann über¬
zeugender sein? Wenn jemand behauptet, daß die Cholera tötlich sei, so wird


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/436>, abgerufen am 05.02.2025.