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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Eine Mobilmachung des deutschen Reiches vor 200 Jahren

Endlich -- und dies ist mein dritter Haupteinwand -- wird der Fortschritt
durch die Erteilung von Patenten in ganz außerordentlichem Maße beein¬
trächtigt und geschädigt. Jeder, der mit der Geschichte der Erfindungen ver¬
traut ist, wird in ihr die Erfahrung bestätigt finden, daß der erste, geniale,
grundlegende Gedanke jedesmal von einem einsamen Grübler gefaßt wird, sein
weiterer Ausbau aber, seine Verbesserungen und Vervvllknmmuungen fast immer
während der Fabrikation selbst von weniger genialen, als praktischen Männern
gefunden und in die Praxis eingeführt werden. Wie unendlich viel mehr
Gelegenheit bietet sich nun zu solcher Verbesserung, wenn ein Gegenstand in
hundert oder tausend Fabriken hergestellt wird, als in einer einzigen, wie werden
dagegen dnrch die jetzt übliche gewaltsame Vereinzelung jeder freien Entwicklung
die Lebensadern unterbunden!

Wie viele Arbeiter, die jetzt der industriellen Reservearmee anheimfallen,
würden lohnende Beschäftigung finden können, wenn die durch neue Er¬
findungen eröffneten Industriegebiete gleich von vornherein jedem Produzenten
offen stünden, für wie viel ausgezeichnete technische Kräfte, die jetzt brach
liegen oder sich in einer wenig angemessenen Verwendung aufreiben und zer¬
splittern, würden sich neue vcrheißniigsvolle Bahnen erschließe>i! Denn in dein
alten Geleise gemächlich weiter traben tötet aus die Dauer Lust, Anlage und
Kraft; wer aber mitten im Strome der Zeit steht und an der Fortentwicklung
seines Berufszweiges, um der Vervollkommnung menschlicher Einrichtungen ">it-
nrbeiteil darf, wird die Arbeitslust und Schafsensfreudigkeit bewahren, die Ge¬
fahr, von dem Strudel der Unzufriedenheit mit fortgerissen zu werden lind
unter die Feinde des Bestehenden hinabzusinken, wird für ihn nicht bestehen,

lSchluß folgt)




Gine Mobilmachung
des deutschen Reiches vor 200 Jahren
von G. Elster

>le Kriegsbereitschaft des deutschen Neichsheeres erregt heutzutage
die Bewunderung aller Welt. Die deutschen Einrichtungen, um
das Friedensheer auf den Kriegsfuß zu setzen, werden fast von
allen Staaten nachgeahmt, aber noch keinem ist es gelungen, das
ÜVorbild zu erreichen. Denn der deutsche Mobilnlachnilgsplan
ist ein strenggewahrtes Geheimnis der Heeresleitung, trotzdem daß so viele
Köpfe daran mitarbeiten müssen. Aber obgleich der Plan nur in großenM^-G


Eine Mobilmachung des deutschen Reiches vor 200 Jahren

Endlich — und dies ist mein dritter Haupteinwand — wird der Fortschritt
durch die Erteilung von Patenten in ganz außerordentlichem Maße beein¬
trächtigt und geschädigt. Jeder, der mit der Geschichte der Erfindungen ver¬
traut ist, wird in ihr die Erfahrung bestätigt finden, daß der erste, geniale,
grundlegende Gedanke jedesmal von einem einsamen Grübler gefaßt wird, sein
weiterer Ausbau aber, seine Verbesserungen und Vervvllknmmuungen fast immer
während der Fabrikation selbst von weniger genialen, als praktischen Männern
gefunden und in die Praxis eingeführt werden. Wie unendlich viel mehr
Gelegenheit bietet sich nun zu solcher Verbesserung, wenn ein Gegenstand in
hundert oder tausend Fabriken hergestellt wird, als in einer einzigen, wie werden
dagegen dnrch die jetzt übliche gewaltsame Vereinzelung jeder freien Entwicklung
die Lebensadern unterbunden!

Wie viele Arbeiter, die jetzt der industriellen Reservearmee anheimfallen,
würden lohnende Beschäftigung finden können, wenn die durch neue Er¬
findungen eröffneten Industriegebiete gleich von vornherein jedem Produzenten
offen stünden, für wie viel ausgezeichnete technische Kräfte, die jetzt brach
liegen oder sich in einer wenig angemessenen Verwendung aufreiben und zer¬
splittern, würden sich neue vcrheißniigsvolle Bahnen erschließe>i! Denn in dein
alten Geleise gemächlich weiter traben tötet aus die Dauer Lust, Anlage und
Kraft; wer aber mitten im Strome der Zeit steht und an der Fortentwicklung
seines Berufszweiges, um der Vervollkommnung menschlicher Einrichtungen »>it-
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fahr, von dem Strudel der Unzufriedenheit mit fortgerissen zu werden lind
unter die Feinde des Bestehenden hinabzusinken, wird für ihn nicht bestehen,

lSchluß folgt)




Gine Mobilmachung
des deutschen Reiches vor 200 Jahren
von G. Elster

>le Kriegsbereitschaft des deutschen Neichsheeres erregt heutzutage
die Bewunderung aller Welt. Die deutschen Einrichtungen, um
das Friedensheer auf den Kriegsfuß zu setzen, werden fast von
allen Staaten nachgeahmt, aber noch keinem ist es gelungen, das
ÜVorbild zu erreichen. Denn der deutsche Mobilnlachnilgsplan
ist ein strenggewahrtes Geheimnis der Heeresleitung, trotzdem daß so viele
Köpfe daran mitarbeiten müssen. Aber obgleich der Plan nur in großenM^-G


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[0418] Eine Mobilmachung des deutschen Reiches vor 200 Jahren Endlich — und dies ist mein dritter Haupteinwand — wird der Fortschritt durch die Erteilung von Patenten in ganz außerordentlichem Maße beein¬ trächtigt und geschädigt. Jeder, der mit der Geschichte der Erfindungen ver¬ traut ist, wird in ihr die Erfahrung bestätigt finden, daß der erste, geniale, grundlegende Gedanke jedesmal von einem einsamen Grübler gefaßt wird, sein weiterer Ausbau aber, seine Verbesserungen und Vervvllknmmuungen fast immer während der Fabrikation selbst von weniger genialen, als praktischen Männern gefunden und in die Praxis eingeführt werden. Wie unendlich viel mehr Gelegenheit bietet sich nun zu solcher Verbesserung, wenn ein Gegenstand in hundert oder tausend Fabriken hergestellt wird, als in einer einzigen, wie werden dagegen dnrch die jetzt übliche gewaltsame Vereinzelung jeder freien Entwicklung die Lebensadern unterbunden! Wie viele Arbeiter, die jetzt der industriellen Reservearmee anheimfallen, würden lohnende Beschäftigung finden können, wenn die durch neue Er¬ findungen eröffneten Industriegebiete gleich von vornherein jedem Produzenten offen stünden, für wie viel ausgezeichnete technische Kräfte, die jetzt brach liegen oder sich in einer wenig angemessenen Verwendung aufreiben und zer¬ splittern, würden sich neue vcrheißniigsvolle Bahnen erschließe>i! Denn in dein alten Geleise gemächlich weiter traben tötet aus die Dauer Lust, Anlage und Kraft; wer aber mitten im Strome der Zeit steht und an der Fortentwicklung seines Berufszweiges, um der Vervollkommnung menschlicher Einrichtungen »>it- nrbeiteil darf, wird die Arbeitslust und Schafsensfreudigkeit bewahren, die Ge¬ fahr, von dem Strudel der Unzufriedenheit mit fortgerissen zu werden lind unter die Feinde des Bestehenden hinabzusinken, wird für ihn nicht bestehen, lSchluß folgt) Gine Mobilmachung des deutschen Reiches vor 200 Jahren von G. Elster >le Kriegsbereitschaft des deutschen Neichsheeres erregt heutzutage die Bewunderung aller Welt. Die deutschen Einrichtungen, um das Friedensheer auf den Kriegsfuß zu setzen, werden fast von allen Staaten nachgeahmt, aber noch keinem ist es gelungen, das ÜVorbild zu erreichen. Denn der deutsche Mobilnlachnilgsplan ist ein strenggewahrtes Geheimnis der Heeresleitung, trotzdem daß so viele Köpfe daran mitarbeiten müssen. Aber obgleich der Plan nur in großenM^-G

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/418>, abgerufen am 05.02.2025.