Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Litteratur verdanken. Solchem offenbaren Gewinn gegenüber dürfen jene puristischen Thor¬ An gelehrten und für die Gelehrten bestimmten Schriften, dnrch die eine solche Der Feucrstosf, sein Wesen, seine bewegende Kraft u. s. w. Bon L. Man". Berlin, H. Stelüitz, 188L Diese Schrift ist ein typischer Vertreter einer ganzen Gattung. Immer Litteratur verdanken. Solchem offenbaren Gewinn gegenüber dürfen jene puristischen Thor¬ An gelehrten und für die Gelehrten bestimmten Schriften, dnrch die eine solche Der Feucrstosf, sein Wesen, seine bewegende Kraft u. s. w. Bon L. Man». Berlin, H. Stelüitz, 188L Diese Schrift ist ein typischer Vertreter einer ganzen Gattung. Immer <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0389" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205120"/> <fw type="header" place="top"> Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_1088" prev="#ID_1087"> verdanken. Solchem offenbaren Gewinn gegenüber dürfen jene puristischen Thor¬<lb/> heiten, ebenso begreifliche wie verzeihliche Verirrungen, kaum noch in Betracht<lb/> kommen. Denn sehen wir anch einmal ab von der Thatsache, daß jene „deutsch-<lb/> tümclnden" Bestrebungen, deren Verkehrtheiten ja so leicht zu erkennen sind, nicht<lb/> bloß wohlgemeint waren, sondern auch von unmittelbarem Erfolge gekrönt<lb/> gewesen siud, so steht doch fest, was auf dem Gebiete geistiger Bestrebungen<lb/> überhaupt gilt, daß die fehlgeschlagneu Versuche der Vergangenheit, wenn sie<lb/> überhaupt auf ein vernünftiges Ziel gerichtet waren, nicht verloren sind, sondern<lb/> nur deu Sieg der Zukunft vorbereiten, und daß auch wir aus jenen Irrtümern<lb/> viel lernen können.</p><lb/> <p xml:id="ID_1089"> An gelehrten und für die Gelehrten bestimmten Schriften, dnrch die eine solche<lb/> doch einzig berechtigte Betrachtungsweise gefordert werden kann, hat es bisher<lb/> nicht gefehlt. Aber erst jetzt, wo in weiten Kreisen Teilnahme und Empfänglich¬<lb/> keit für diese Dinge geweckt ist, darf ein Buch auch hier auf dankbare Leser rechnen,<lb/> das, wie das oben angezeigte, vorzugsweise für die Gebildeten bestimmt ist. Doch<lb/> ist Schnltzes Buch nicht etwa eine bloße Znsnmmentraguug und für das Publikum<lb/> schmackhaft gemachte Zubereitung dessen, was andere dnrch mühsame Forschung ge¬<lb/> wonnen haben, sondern beruht, wie einzelne Hinweise und Ausführungen zeigen,<lb/> auch auf selbständiger Untersuchung und berichtigt manche alte Irrtümer, der¬<lb/> gleichen sich in den populären Litteraturgeschichten fortzuerben pflegen, sowie kleinere<lb/> Versehen wissenschaftlicher Einzelforschnngen. Schultz schildert geschichtlich unbefangen,<lb/> aber mit dem warmen Anteil, der jeder ernstgemeinten vaterländischen Bestrebung an<lb/> sich gebührt. Wir »vollen nicht verschweigen, daß die Anordnung des Stoffes hie und<lb/> da etwas weniger äußerlich sein könnte und daß die vielen Anhänge dein Buche ein<lb/> etwas zerrissenes Aussehen geben und besser in das übrigen hineingearbeitet worden<lb/> wären, daß der innere Zusammenhang zwischen den Bestrebungen der verschiednen<lb/> Gesellschaften und einzelner Männer nicht überall scharf genug hervorgehoben wird,<lb/> daß schließlich einzelne Kapitel, wenn sie einmal hier in Angriff genommen werden<lb/> sollten, nicht so skizzenhaft, fast notizenmäßig hätten behandelt werden dürfen (z. B.<lb/> der Anhang über die undeutschen Vornamen). Doch als Ganzes ist es ein, auch<lb/> wegen der geschickten Auswahl der Zeugnisse und Belege, für den Nichtgelchrten<lb/> höchst lehrreiches und dabei anziehend geschriebenes Buch. Auch die Vorschläge,<lb/> die der Verfasser gelegentlich macht, so zu Gunsten deutscher Kunstausdrücke, sind<lb/> beachtenswert; ob die Verdeutschungen „förmlich" für „formal" und „Blattweiser"<lb/> für „Register," wo „Seitenwciscr" näher läge, glücklich gewählt sind, darüber<lb/> wollen wir mit dem Verfasser nicht rechten.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> Der Feucrstosf, sein Wesen, seine bewegende Kraft u. s. w. Bon L. Man».<lb/> Berlin, H. Stelüitz, 188L</head><lb/> <p xml:id="ID_1090" next="#ID_1091"> Diese Schrift ist ein typischer Vertreter einer ganzen Gattung. Immer<lb/> wieder treten in der Naturwissenschaft Dilettanten auf, denen der langsame Gang<lb/> und der fragmentarische Charakter der induktiven Erkenntnis nicht genügt und<lb/> die deshalb deu Versuch nicht aufgebe« wollen, mit einer einzigen Grund-<lb/> Hypothese die Erscheinungen der ganzen Welt zu erklären. Auch der strenge<lb/> Forscher hat wohl derartige Anwandlungen, aber nur so lauge er jung ist; hat<lb/> er erst die Schule des wissenschaftliche» Denkens durchgemacht, so sieht er, daß es<lb/> nicht anders geht, daß die Naturerkenntnis ein Stückwerk sein und bleiben muß,<lb/> von dem sich nnr einzelne Teile systematisch an einander schließen lassen; er gewöhnt<lb/> sich daran, mit äußerster Vorsicht vorzugehen und seine Verallgemeinerungen nie</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0389]
Litteratur
verdanken. Solchem offenbaren Gewinn gegenüber dürfen jene puristischen Thor¬
heiten, ebenso begreifliche wie verzeihliche Verirrungen, kaum noch in Betracht
kommen. Denn sehen wir anch einmal ab von der Thatsache, daß jene „deutsch-
tümclnden" Bestrebungen, deren Verkehrtheiten ja so leicht zu erkennen sind, nicht
bloß wohlgemeint waren, sondern auch von unmittelbarem Erfolge gekrönt
gewesen siud, so steht doch fest, was auf dem Gebiete geistiger Bestrebungen
überhaupt gilt, daß die fehlgeschlagneu Versuche der Vergangenheit, wenn sie
überhaupt auf ein vernünftiges Ziel gerichtet waren, nicht verloren sind, sondern
nur deu Sieg der Zukunft vorbereiten, und daß auch wir aus jenen Irrtümern
viel lernen können.
An gelehrten und für die Gelehrten bestimmten Schriften, dnrch die eine solche
doch einzig berechtigte Betrachtungsweise gefordert werden kann, hat es bisher
nicht gefehlt. Aber erst jetzt, wo in weiten Kreisen Teilnahme und Empfänglich¬
keit für diese Dinge geweckt ist, darf ein Buch auch hier auf dankbare Leser rechnen,
das, wie das oben angezeigte, vorzugsweise für die Gebildeten bestimmt ist. Doch
ist Schnltzes Buch nicht etwa eine bloße Znsnmmentraguug und für das Publikum
schmackhaft gemachte Zubereitung dessen, was andere dnrch mühsame Forschung ge¬
wonnen haben, sondern beruht, wie einzelne Hinweise und Ausführungen zeigen,
auch auf selbständiger Untersuchung und berichtigt manche alte Irrtümer, der¬
gleichen sich in den populären Litteraturgeschichten fortzuerben pflegen, sowie kleinere
Versehen wissenschaftlicher Einzelforschnngen. Schultz schildert geschichtlich unbefangen,
aber mit dem warmen Anteil, der jeder ernstgemeinten vaterländischen Bestrebung an
sich gebührt. Wir »vollen nicht verschweigen, daß die Anordnung des Stoffes hie und
da etwas weniger äußerlich sein könnte und daß die vielen Anhänge dein Buche ein
etwas zerrissenes Aussehen geben und besser in das übrigen hineingearbeitet worden
wären, daß der innere Zusammenhang zwischen den Bestrebungen der verschiednen
Gesellschaften und einzelner Männer nicht überall scharf genug hervorgehoben wird,
daß schließlich einzelne Kapitel, wenn sie einmal hier in Angriff genommen werden
sollten, nicht so skizzenhaft, fast notizenmäßig hätten behandelt werden dürfen (z. B.
der Anhang über die undeutschen Vornamen). Doch als Ganzes ist es ein, auch
wegen der geschickten Auswahl der Zeugnisse und Belege, für den Nichtgelchrten
höchst lehrreiches und dabei anziehend geschriebenes Buch. Auch die Vorschläge,
die der Verfasser gelegentlich macht, so zu Gunsten deutscher Kunstausdrücke, sind
beachtenswert; ob die Verdeutschungen „förmlich" für „formal" und „Blattweiser"
für „Register," wo „Seitenwciscr" näher läge, glücklich gewählt sind, darüber
wollen wir mit dem Verfasser nicht rechten.
Der Feucrstosf, sein Wesen, seine bewegende Kraft u. s. w. Bon L. Man».
Berlin, H. Stelüitz, 188L
Diese Schrift ist ein typischer Vertreter einer ganzen Gattung. Immer
wieder treten in der Naturwissenschaft Dilettanten auf, denen der langsame Gang
und der fragmentarische Charakter der induktiven Erkenntnis nicht genügt und
die deshalb deu Versuch nicht aufgebe« wollen, mit einer einzigen Grund-
Hypothese die Erscheinungen der ganzen Welt zu erklären. Auch der strenge
Forscher hat wohl derartige Anwandlungen, aber nur so lauge er jung ist; hat
er erst die Schule des wissenschaftliche» Denkens durchgemacht, so sieht er, daß es
nicht anders geht, daß die Naturerkenntnis ein Stückwerk sein und bleiben muß,
von dem sich nnr einzelne Teile systematisch an einander schließen lassen; er gewöhnt
sich daran, mit äußerster Vorsicht vorzugehen und seine Verallgemeinerungen nie
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