Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Das Ende des preußischen Kulturkampfes Widerstandes war, so zeigt sie doch am deutlichsten, warum in der zweiten Wir sind also weit entfernt davon, zu behaupte", daß in dem neuesten Man betrachtet heute Gesellschaft, Staat und Kirche als drei einander Das Ende des preußischen Kulturkampfes Widerstandes war, so zeigt sie doch am deutlichsten, warum in der zweiten Wir sind also weit entfernt davon, zu behaupte», daß in dem neuesten Man betrachtet heute Gesellschaft, Staat und Kirche als drei einander <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0347" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/205078"/> <fw type="header" place="top"> Das Ende des preußischen Kulturkampfes</fw><lb/> <p xml:id="ID_962" prev="#ID_961"> Widerstandes war, so zeigt sie doch am deutlichsten, warum in der zweiten<lb/> Hälfte der siebziger Jahre beginnend eben bis zu unsern Tagen der Staat sich<lb/> veranlaßt sah, zahlreiche Bestimmungen jener Gesetze aus dein Wege zu räumen<lb/> und so einer hämischen Beurteilung Grund für die Behauptung zu gewähren,<lb/> er weiche Schritt für Schritt vor der Kirche zurück, während er doch in Wirk¬<lb/> lichkeit niemals auch nur im geringsten die berechtigten Gedanken widerrufen<lb/> hat, die ihn zuerst zu seinem Vorgehen zwangen. Die Ursachen dieser zweiten,<lb/> kampflösendcn Periode des neuesten Kirchenstreites waren mir die, daß in jene<lb/> Gesetzbestimmnngen, wohl aus Unkenntnis einiger leitenden Persönlichkeiten mit<lb/> katholischen Verhältnissen, manches hüieiiigeraten war, was nicht aufrecht erhalten<lb/> werden konnte, wenn man die katholische Kirche nicht geradezu zerstöre» wollte;<lb/> dann aber und vornehmlich die, daß die maßgebenden Mächte innerhalb der<lb/> katholischen Kirche selbst einen Teil der staatlichen Forderungen als berechtigt<lb/> anerkennen mußten und so freiwillig nachgaben. Diese beiden Abschnitte in<lb/> der Lösung des Kampfes sind auch äußerlich erkennbar, sie folgen zeitlich uns<lb/> einander. Zunächst wurden jene übermäßigen Bestimmungen aufgehoben, die<lb/> gar nicht so böse gemeint gewesen waren, bei deren Fortbestehen aber eine<lb/> Versöhnung thatsächlich unmöglich war, nud die denn auch, was hiermit zu¬<lb/> sammenhing, der endlichen Durchsetzung der staatlichen Wünsche nicht nur nicht<lb/> förderlich, sondern geradezu hinderlich waren. Dann kam die Periode der<lb/> unmittelbaren Verhandlungen mit dein Oberhaupte der katholischen Kirche,<lb/> die zu dem innerlichen Nachgeben dieser Geistesmacht führte. Als diese<lb/> innerliche freiwillige Verständigung erreicht war, konnte man auf die noch<lb/> weiter einer Aussöhnung im Wege stehenden. Bestimmungen umso eher ver¬<lb/> zichten, mis in solchen Dingen, wie es die Feststellungen über die obersten Grund¬<lb/> sätze des Staates und der Kirche sind, von jeher ein allgemeines und inner¬<lb/> liches Einverständnis ein bei weitem besseres und sichereres Bollwerk ist, als<lb/> irgend welche Gesetzesvorschriften.</p><lb/> <p xml:id="ID_963"> Wir sind also weit entfernt davon, zu behaupte», daß in dem neuesten<lb/> sogenannten Kulturkämpfe der Staat wieder einmal an dem Felsen Petri<lb/> gescheitert sei. Wir meinen aber auch nicht, daß der Staat gesiegt habe.<lb/> Sondern wir sind der Ansicht, daß der Gesichtspunkt von Kampf und Sieg<lb/> bei geistigen Meinungsverschiedenheiten, oft innerhalb ein und desselben Menschen,<lb/> doch immer nur in einem stark bildlichen Sinne genommen werden könne.<lb/> Was wir betrachten, ist nur die in dem sogenannten Knlwrkanipfe hervorgetretene<lb/> und nunmehr endgiltig vorliegende gemeine Anschauung über das Verhältnis<lb/> zwischen Staat und Kirche, das wir nun übersichtlich und gelegentlich auf die<lb/> geschichtlichen Ereignisse hinweisend vorlegen wollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_964" next="#ID_965"> Man betrachtet heute Gesellschaft, Staat und Kirche als drei einander<lb/> ergänzende, ans demselben Gebiete arbeitende Kräfte. Sie wirken alle drei<lb/> znsnmmen zur Ausbildung und steten Vervollkommnung der Pflichteulehre, nur</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0347]
Das Ende des preußischen Kulturkampfes
Widerstandes war, so zeigt sie doch am deutlichsten, warum in der zweiten
Hälfte der siebziger Jahre beginnend eben bis zu unsern Tagen der Staat sich
veranlaßt sah, zahlreiche Bestimmungen jener Gesetze aus dein Wege zu räumen
und so einer hämischen Beurteilung Grund für die Behauptung zu gewähren,
er weiche Schritt für Schritt vor der Kirche zurück, während er doch in Wirk¬
lichkeit niemals auch nur im geringsten die berechtigten Gedanken widerrufen
hat, die ihn zuerst zu seinem Vorgehen zwangen. Die Ursachen dieser zweiten,
kampflösendcn Periode des neuesten Kirchenstreites waren mir die, daß in jene
Gesetzbestimmnngen, wohl aus Unkenntnis einiger leitenden Persönlichkeiten mit
katholischen Verhältnissen, manches hüieiiigeraten war, was nicht aufrecht erhalten
werden konnte, wenn man die katholische Kirche nicht geradezu zerstöre» wollte;
dann aber und vornehmlich die, daß die maßgebenden Mächte innerhalb der
katholischen Kirche selbst einen Teil der staatlichen Forderungen als berechtigt
anerkennen mußten und so freiwillig nachgaben. Diese beiden Abschnitte in
der Lösung des Kampfes sind auch äußerlich erkennbar, sie folgen zeitlich uns
einander. Zunächst wurden jene übermäßigen Bestimmungen aufgehoben, die
gar nicht so böse gemeint gewesen waren, bei deren Fortbestehen aber eine
Versöhnung thatsächlich unmöglich war, nud die denn auch, was hiermit zu¬
sammenhing, der endlichen Durchsetzung der staatlichen Wünsche nicht nur nicht
förderlich, sondern geradezu hinderlich waren. Dann kam die Periode der
unmittelbaren Verhandlungen mit dein Oberhaupte der katholischen Kirche,
die zu dem innerlichen Nachgeben dieser Geistesmacht führte. Als diese
innerliche freiwillige Verständigung erreicht war, konnte man auf die noch
weiter einer Aussöhnung im Wege stehenden. Bestimmungen umso eher ver¬
zichten, mis in solchen Dingen, wie es die Feststellungen über die obersten Grund¬
sätze des Staates und der Kirche sind, von jeher ein allgemeines und inner¬
liches Einverständnis ein bei weitem besseres und sichereres Bollwerk ist, als
irgend welche Gesetzesvorschriften.
Wir sind also weit entfernt davon, zu behaupte», daß in dem neuesten
sogenannten Kulturkämpfe der Staat wieder einmal an dem Felsen Petri
gescheitert sei. Wir meinen aber auch nicht, daß der Staat gesiegt habe.
Sondern wir sind der Ansicht, daß der Gesichtspunkt von Kampf und Sieg
bei geistigen Meinungsverschiedenheiten, oft innerhalb ein und desselben Menschen,
doch immer nur in einem stark bildlichen Sinne genommen werden könne.
Was wir betrachten, ist nur die in dem sogenannten Knlwrkanipfe hervorgetretene
und nunmehr endgiltig vorliegende gemeine Anschauung über das Verhältnis
zwischen Staat und Kirche, das wir nun übersichtlich und gelegentlich auf die
geschichtlichen Ereignisse hinweisend vorlegen wollen.
Man betrachtet heute Gesellschaft, Staat und Kirche als drei einander
ergänzende, ans demselben Gebiete arbeitende Kräfte. Sie wirken alle drei
znsnmmen zur Ausbildung und steten Vervollkommnung der Pflichteulehre, nur
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