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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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untergeordnete Bedeutung gegciiüber den Zielen und Bestrebungen der Kirche
aufzwingen wollte. Diese hierarchischen Bestrebungen vermochte am wenigsten
ein Staat zu ertragen, der augenscheinlich ans der erhabenen Auffassung der
dentschen Reformatoren vom Staate und von der staatlichen Arbeit beruhte.
Es ergingen daher Gesetze, die die gefährlichsten Orden und Brüderschaften der
römisch-katholischen Kirche, eben die vornehmste" Träger der feindseligen Ge¬
sinnung gegen den Staat, aus dem Gebiete des Staates auswiesen, die Jesuiten
durch Neichsgesetz aus dem gesamten Reichsgebiete. Demnächst wurden Gesetze
erlassen, die die Vorbildung der Geistlichen in einem wenigstens nicht geradezu
staatsfeindlichen Sinne verbürge" sollten, die verhindern sollten, daß die Kirche
ihre Geistlichen durch drakonische Strafgewalt trotzdem wieder in das staats¬
feindliche Fahrwasser zwingen könne, die endlich die Angehörige" der Kirche
der Strafgewalt derselbe" insoweit entziehen sollten, als durch diese kirchliche
Strafgewalt staatliche Maßnahmen vereitelt werden konnten. Hiermit war
im Grnnde der Staat mit seiner Verteidigungsarbeit fertig; alles folgende
war nur "och Ausführung; es mußte Vorsorge getroffen werden, was zu ge¬
schehen habe, wenn sich die Geistlichen widerspenstig verhielten, wenn die Be¬
setzung geistlicher Stellen von widerspenstigen geistlichen Obern verweigert
würde, und dergleichen mehr. Eins dieser Ausführungsmittel war eben das,
was jetzt am Schlüsse des Kampfes "och in die Erinnerung zurückgerufen
wird, nämlich die Verweigerung der staatlichen Beihilfen an die Bischöfe und
Domkapitel, die der preußische Staat bekanntlich durch die kirchlichen Verträge
der zwanziger Jahre an Stelle der eingezogenen, am Anfange des Jahrhunderts
säknlarisirten Kirchengüter zu zahlen sich verpflichtet hatte, die aber nun¬
mehr den widerspenstigen Geistlichen nvtgedrungenerweise vorenthalten werden
mußten, wenn man ihnen nicht geradezu zu ihrer Agitation die Mittel gewähre"
wollte. Ihre Höhe endlich erreichten die staatlichen Maßregel" in der gesetz¬
liche" Bestimmung, wonach nach gewissen Vvrbedingnnge" eine erledigte Stelle
eines Geistlichen durch Wahl der Kirchenangehörige", nötigenfalls unter Leitung
eines Beamten der politischen Gemeinde wiederbesetzt werden sollte, nämlich
dann, wenn die vertragsmäßige Besetzung der Stelle durch die kirchlichen Obern
nicht zu erreichen war, und nnter gewissen weitern Vorbedingungen, auf deren
Einzelheiten Nur hier nicht weiter eingehen. Hiermit war etwas bestimmt
worden, was den obersten Grundsätzen der katholischen Kirche, namentlich ihre"
Anschauungen über de" Unterschied zwischen Priester lind Laie und die sakra¬
mentale Stellung des geistlichen Amtes, schnurstracks widersprach und unmittelbar
auf Gedanken der Reformation von der allgemeinen Priesterschaft und der
Mitwirkung der Kirchengemeinde bei der Besetzung des geistlichen Amtes zurück¬
ging. Unsers Wissens ist diese Vorschrift denn auch der katholischen Kirche
gegenüber niemals praktisch zur Ausführung gekommen. Wenn sie somit auch
keineswegs die wichtigste Ursache des durch die Kirchengesetze erregten katholischen


Vas <Lüde des preußischen Aultlirkconpfes

untergeordnete Bedeutung gegciiüber den Zielen und Bestrebungen der Kirche
aufzwingen wollte. Diese hierarchischen Bestrebungen vermochte am wenigsten
ein Staat zu ertragen, der augenscheinlich ans der erhabenen Auffassung der
dentschen Reformatoren vom Staate und von der staatlichen Arbeit beruhte.
Es ergingen daher Gesetze, die die gefährlichsten Orden und Brüderschaften der
römisch-katholischen Kirche, eben die vornehmste» Träger der feindseligen Ge¬
sinnung gegen den Staat, aus dem Gebiete des Staates auswiesen, die Jesuiten
durch Neichsgesetz aus dem gesamten Reichsgebiete. Demnächst wurden Gesetze
erlassen, die die Vorbildung der Geistlichen in einem wenigstens nicht geradezu
staatsfeindlichen Sinne verbürge» sollten, die verhindern sollten, daß die Kirche
ihre Geistlichen durch drakonische Strafgewalt trotzdem wieder in das staats¬
feindliche Fahrwasser zwingen könne, die endlich die Angehörige» der Kirche
der Strafgewalt derselbe» insoweit entziehen sollten, als durch diese kirchliche
Strafgewalt staatliche Maßnahmen vereitelt werden konnten. Hiermit war
im Grnnde der Staat mit seiner Verteidigungsarbeit fertig; alles folgende
war nur »och Ausführung; es mußte Vorsorge getroffen werden, was zu ge¬
schehen habe, wenn sich die Geistlichen widerspenstig verhielten, wenn die Be¬
setzung geistlicher Stellen von widerspenstigen geistlichen Obern verweigert
würde, und dergleichen mehr. Eins dieser Ausführungsmittel war eben das,
was jetzt am Schlüsse des Kampfes »och in die Erinnerung zurückgerufen
wird, nämlich die Verweigerung der staatlichen Beihilfen an die Bischöfe und
Domkapitel, die der preußische Staat bekanntlich durch die kirchlichen Verträge
der zwanziger Jahre an Stelle der eingezogenen, am Anfange des Jahrhunderts
säknlarisirten Kirchengüter zu zahlen sich verpflichtet hatte, die aber nun¬
mehr den widerspenstigen Geistlichen nvtgedrungenerweise vorenthalten werden
mußten, wenn man ihnen nicht geradezu zu ihrer Agitation die Mittel gewähre»
wollte. Ihre Höhe endlich erreichten die staatlichen Maßregel» in der gesetz¬
liche» Bestimmung, wonach nach gewissen Vvrbedingnnge» eine erledigte Stelle
eines Geistlichen durch Wahl der Kirchenangehörige», nötigenfalls unter Leitung
eines Beamten der politischen Gemeinde wiederbesetzt werden sollte, nämlich
dann, wenn die vertragsmäßige Besetzung der Stelle durch die kirchlichen Obern
nicht zu erreichen war, und nnter gewissen weitern Vorbedingungen, auf deren
Einzelheiten Nur hier nicht weiter eingehen. Hiermit war etwas bestimmt
worden, was den obersten Grundsätzen der katholischen Kirche, namentlich ihre»
Anschauungen über de» Unterschied zwischen Priester lind Laie und die sakra¬
mentale Stellung des geistlichen Amtes, schnurstracks widersprach und unmittelbar
auf Gedanken der Reformation von der allgemeinen Priesterschaft und der
Mitwirkung der Kirchengemeinde bei der Besetzung des geistlichen Amtes zurück¬
ging. Unsers Wissens ist diese Vorschrift denn auch der katholischen Kirche
gegenüber niemals praktisch zur Ausführung gekommen. Wenn sie somit auch
keineswegs die wichtigste Ursache des durch die Kirchengesetze erregten katholischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/346>, abgerufen am 05.02.2025.