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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte

unter 2 und 3 angeführten Ergebnisse Maxwells ihre Anwendung auf die Licht-
erscheinungen finden. Beginnen wir mit dem dritten Satze und sagen wir
Licht statt elektrische Störung; dann heißt er: Isolatoren lassen das Licht
durch, sind also durchsichtig, gute Leiter sind undurchsichtig. Die Folgerung
ist aber mit einigem Vorbehalt zu ziehen. Wir beurteile" nämlich die Leitungs¬
fähigkeit eines Körpers nach der verhältnismäßig langsamen Bewegung der
Elektrizität, die wir mit unsern Apparaten hervorbringen können. Das Licht
besteht aber aus ungemein schnellen Schwingungen; es gehen deren 400 bis
700 Billionen auf eine Sekunde. Nun kann es ganz wohl vorkommen, daß
ein Körper für langsame Bewegungen ein guter Leiter ist, während er schnellen
elastisch widersteht. Haben wir doch täglich das Beispiel des Wassers vor
Augen, das einem langsam eingesenkten Stein unweigerlich den Durchgang
gestattet, während es einen schnellgeworfenen von seiner Oberfläche abprallen läßt.
Dem entsprechend kann es vorkommen, daß ein Körper langsame Bewegungen
der Elektrizität in seinem Innern zuläßt, gegen schnelle Schwingungen aber als
Nichtleiter erscheint. Mit dieser Beschränkung bestätigt sich der Satz um wichtigen
Beispielen. Die Metalle sind die besten aller Leiter und zugleich die undurch¬
sichtigsten Körper. Glas, gereinigter Schellack, Schwefel, Luft und andre vorzügliche
Isolatoren sind durchsichtig. Kohlenstoff ist als Diamant ein Isolator und
durchsichtig, als Graphit und als schwarze Kohle leitet er und ist undurch¬
sichtig. Ein lehrreiches Beispiel bietet das Hartgummi dar; es ist einer der
besten Isolatoren und ist schwarz undurchsichtig, d. h. es läßt keine sichtbaren
Lichtwellen durch. Aber Bell hat bei seinen Versuchen über das Photvphvn
gefunden, daß das Hartgummi für langsame, uicht sichtbare Lichtstrahlen durch¬
sichtig ist; da zeigt sich also deutlich der Einfluß der Geschwindigkeit einer
Schwingung ans das Dnrchlaßvermögen, und das Beispiel, das anfänglich
gegen Maxwell zu sprechen schien, wirft ein bestätigendes Licht uns seine Theorie.
Es giebt eine ganze Klasse von Körpern, von denen man bis jetzt nicht sagen
kann, daß ihr Verhalten dem dritten Maxwellschen Satze entspreche; das sind
diejenigen, die durch den elektrischen Strom zersetzt werden, in Wasser gelöste
Salze und dergleichen. Sie leiten mäßig und sind großenteils sehr durchsichtig.
Aber kein Mensch weiß, wie sie sich gegen Lichtstrahlen von sehr geringer
Schwingungsgeschwindigkeit verhalten würden; man kann also aus ihren Eigen¬
schaften nicht den Schluß ziehen, daß der Maxwcllsche Satz unrichtig sei,
sondern nur deu, daß sie sich möglicher Weise gegen langsame Störungen
anders verhalten, als gegen schnelle, ähnlich wie Hartgummi, nur noch in
höherem Grade.

Es läßt sich sonach sagen, daß die Einheit von Äther und Medium durch
die Transparenzerscheiuuugeu zum Teil bestätigt, zum Teil nicht widerlegt wird.

Anders steht es, wenn wir nun den zweiten der obigen Sätze mit der
Annahme, daß der Äther das Medium sei, in Verbindung bringen. Dann


Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte

unter 2 und 3 angeführten Ergebnisse Maxwells ihre Anwendung auf die Licht-
erscheinungen finden. Beginnen wir mit dem dritten Satze und sagen wir
Licht statt elektrische Störung; dann heißt er: Isolatoren lassen das Licht
durch, sind also durchsichtig, gute Leiter sind undurchsichtig. Die Folgerung
ist aber mit einigem Vorbehalt zu ziehen. Wir beurteile» nämlich die Leitungs¬
fähigkeit eines Körpers nach der verhältnismäßig langsamen Bewegung der
Elektrizität, die wir mit unsern Apparaten hervorbringen können. Das Licht
besteht aber aus ungemein schnellen Schwingungen; es gehen deren 400 bis
700 Billionen auf eine Sekunde. Nun kann es ganz wohl vorkommen, daß
ein Körper für langsame Bewegungen ein guter Leiter ist, während er schnellen
elastisch widersteht. Haben wir doch täglich das Beispiel des Wassers vor
Augen, das einem langsam eingesenkten Stein unweigerlich den Durchgang
gestattet, während es einen schnellgeworfenen von seiner Oberfläche abprallen läßt.
Dem entsprechend kann es vorkommen, daß ein Körper langsame Bewegungen
der Elektrizität in seinem Innern zuläßt, gegen schnelle Schwingungen aber als
Nichtleiter erscheint. Mit dieser Beschränkung bestätigt sich der Satz um wichtigen
Beispielen. Die Metalle sind die besten aller Leiter und zugleich die undurch¬
sichtigsten Körper. Glas, gereinigter Schellack, Schwefel, Luft und andre vorzügliche
Isolatoren sind durchsichtig. Kohlenstoff ist als Diamant ein Isolator und
durchsichtig, als Graphit und als schwarze Kohle leitet er und ist undurch¬
sichtig. Ein lehrreiches Beispiel bietet das Hartgummi dar; es ist einer der
besten Isolatoren und ist schwarz undurchsichtig, d. h. es läßt keine sichtbaren
Lichtwellen durch. Aber Bell hat bei seinen Versuchen über das Photvphvn
gefunden, daß das Hartgummi für langsame, uicht sichtbare Lichtstrahlen durch¬
sichtig ist; da zeigt sich also deutlich der Einfluß der Geschwindigkeit einer
Schwingung ans das Dnrchlaßvermögen, und das Beispiel, das anfänglich
gegen Maxwell zu sprechen schien, wirft ein bestätigendes Licht uns seine Theorie.
Es giebt eine ganze Klasse von Körpern, von denen man bis jetzt nicht sagen
kann, daß ihr Verhalten dem dritten Maxwellschen Satze entspreche; das sind
diejenigen, die durch den elektrischen Strom zersetzt werden, in Wasser gelöste
Salze und dergleichen. Sie leiten mäßig und sind großenteils sehr durchsichtig.
Aber kein Mensch weiß, wie sie sich gegen Lichtstrahlen von sehr geringer
Schwingungsgeschwindigkeit verhalten würden; man kann also aus ihren Eigen¬
schaften nicht den Schluß ziehen, daß der Maxwcllsche Satz unrichtig sei,
sondern nur deu, daß sie sich möglicher Weise gegen langsame Störungen
anders verhalten, als gegen schnelle, ähnlich wie Hartgummi, nur noch in
höherem Grade.

Es läßt sich sonach sagen, daß die Einheit von Äther und Medium durch
die Transparenzerscheiuuugeu zum Teil bestätigt, zum Teil nicht widerlegt wird.

Anders steht es, wenn wir nun den zweiten der obigen Sätze mit der
Annahme, daß der Äther das Medium sei, in Verbindung bringen. Dann


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[0034] Die Fortpflanzung elektrischer Kräfte unter 2 und 3 angeführten Ergebnisse Maxwells ihre Anwendung auf die Licht- erscheinungen finden. Beginnen wir mit dem dritten Satze und sagen wir Licht statt elektrische Störung; dann heißt er: Isolatoren lassen das Licht durch, sind also durchsichtig, gute Leiter sind undurchsichtig. Die Folgerung ist aber mit einigem Vorbehalt zu ziehen. Wir beurteile» nämlich die Leitungs¬ fähigkeit eines Körpers nach der verhältnismäßig langsamen Bewegung der Elektrizität, die wir mit unsern Apparaten hervorbringen können. Das Licht besteht aber aus ungemein schnellen Schwingungen; es gehen deren 400 bis 700 Billionen auf eine Sekunde. Nun kann es ganz wohl vorkommen, daß ein Körper für langsame Bewegungen ein guter Leiter ist, während er schnellen elastisch widersteht. Haben wir doch täglich das Beispiel des Wassers vor Augen, das einem langsam eingesenkten Stein unweigerlich den Durchgang gestattet, während es einen schnellgeworfenen von seiner Oberfläche abprallen läßt. Dem entsprechend kann es vorkommen, daß ein Körper langsame Bewegungen der Elektrizität in seinem Innern zuläßt, gegen schnelle Schwingungen aber als Nichtleiter erscheint. Mit dieser Beschränkung bestätigt sich der Satz um wichtigen Beispielen. Die Metalle sind die besten aller Leiter und zugleich die undurch¬ sichtigsten Körper. Glas, gereinigter Schellack, Schwefel, Luft und andre vorzügliche Isolatoren sind durchsichtig. Kohlenstoff ist als Diamant ein Isolator und durchsichtig, als Graphit und als schwarze Kohle leitet er und ist undurch¬ sichtig. Ein lehrreiches Beispiel bietet das Hartgummi dar; es ist einer der besten Isolatoren und ist schwarz undurchsichtig, d. h. es läßt keine sichtbaren Lichtwellen durch. Aber Bell hat bei seinen Versuchen über das Photvphvn gefunden, daß das Hartgummi für langsame, uicht sichtbare Lichtstrahlen durch¬ sichtig ist; da zeigt sich also deutlich der Einfluß der Geschwindigkeit einer Schwingung ans das Dnrchlaßvermögen, und das Beispiel, das anfänglich gegen Maxwell zu sprechen schien, wirft ein bestätigendes Licht uns seine Theorie. Es giebt eine ganze Klasse von Körpern, von denen man bis jetzt nicht sagen kann, daß ihr Verhalten dem dritten Maxwellschen Satze entspreche; das sind diejenigen, die durch den elektrischen Strom zersetzt werden, in Wasser gelöste Salze und dergleichen. Sie leiten mäßig und sind großenteils sehr durchsichtig. Aber kein Mensch weiß, wie sie sich gegen Lichtstrahlen von sehr geringer Schwingungsgeschwindigkeit verhalten würden; man kann also aus ihren Eigen¬ schaften nicht den Schluß ziehen, daß der Maxwcllsche Satz unrichtig sei, sondern nur deu, daß sie sich möglicher Weise gegen langsame Störungen anders verhalten, als gegen schnelle, ähnlich wie Hartgummi, nur noch in höherem Grade. Es läßt sich sonach sagen, daß die Einheit von Äther und Medium durch die Transparenzerscheiuuugeu zum Teil bestätigt, zum Teil nicht widerlegt wird. Anders steht es, wenn wir nun den zweiten der obigen Sätze mit der Annahme, daß der Äther das Medium sei, in Verbindung bringen. Dann

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/34>, abgerufen am 05.02.2025.