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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Augsburger Schmalzbriefe

Denn dem feindlich gesinnten Teile der Geistlichkeit stand so lange ein bequemes
Mittel zur Verfügung, ängstliche Gemüter zu verwirren und überhaupt unter
der Bürgerschaft Beunruhigungen zu erregen.

Als sich daher Bernhard Arzt, der eine lauge Reihe von Jahren in
Italien studirt hatte und mit den italienischen Verhältnissen ziemlich bekannt
war, nach Rom begab, um seine Sache dort in Person zu betreiben, wurde
er von der Stadt beauftragt, zugleich für eine endgiltige Lösung jener andern
Schwierigkeit zweckdienliche Schritte zu thun. Am 24. Januar 1483 schrieb
ihm der Rat, für die Zurücknahme der päpstlichen Bulle, kraft derer jenes
ärgerliche Kapitelsstatnt bestätigt worden war, sei man in Augsburg bereit,
100 bis 200 Dukaten zu zahlen; ein Dispens aber bezüglich der Fastenspeisen
in der Art, wie Herzog Albrecht von Baiern einen habe, dürfe 50, 60, ja
bis in die 100 Dukaten kosten. Doch möge Arzt beileibe uicht merken
lassei:, daß die Stadt selber sich darum, bemühe; er solle vielmehr thun, als
ob er selbst, ganz ans eignem Antriebe und nur um die Augsburger mit einen:
Freundschaftsdienste zu überrasche", die Sache in Anregung bringe. Die Herren
vou Augsburg fürchteten, wahrscheinlich nicht mit Unrecht, eine Steigerung
im Preise, sowie es bekannt werde, daß die berühmte Reichsstadt selber als
Käuferin auf den Plan trete. Wenn sie sich indes wirklich in der Hoffnung
wiegten, mit dergleichen Mnuöveru in Rom Erfolge zu erzielen, so waren sie
hinsichtlich der Art und Weise, wie man dort Geschäfte betrieb, noch in irrtüm¬
lichen Borstellungen befangen.

Gegen Ende Mai oder Anfang Juni 1483 kehrte Bernhard Arzt nach
Augsburg zurück, ohne das mindeste ausgerichtet zu haben. Der Rat beschäftigte
sich am 7. Juni eingehend mit der Angelegenheit, und es kam dabei natürlich
auch die Frage, wie mau "rin Bull, ahr, schmaltz nud ander gemilchets zu
verpotten tagen zu essen erlangen möchte," zur Verhandlung. Bernhard Arzt
erschien persönlich in der Sitzung, um seine Ansichten und Erfahrungen dar¬
zulegen, wie er denn, als vornehmster Interessent, auch späterhin noch mehr¬
fach zu Rate gezogen ward. Von demjenigen Teile seiner Ratschläge, der sich
auf die Hauptsache bezog, d. h. auf die Frage, wie das Verbot der Aufnahme
von Bürgerssöhnen in das Domkapitel beziehentlich die päpstliche Bestätiguugs-
bulle desselben "abzutreiben" sei, sind noch einige ausführlichere Aufzeichnungen
vorhanden; hinsichtlich des ersehnten Fastendispenses dagegen findet sich uur
ein kurzer Satz, worin freilich im Grnnde alles Wesentliche mitgeteilt ist:
"Jon Umb die Bull vastenlicher Speyss halben sind erfordert 300 Ducaten."

Außerdem wird Arzt seinen Freunden auch sonst über römische Verhältnisse
einige belehrende Aufklärung erteilt haben, namentlich wird er ihnen gesagt
haben, daß man es in der Hauptstadt der abendländischen Christenheit mit
weltknndigen und geschäftsgewandten Männern zu thun habe, denen mit un¬
wahrscheinliche" Borspiegelungen "venig abzugewinnen sei.


Augsburger Schmalzbriefe

Denn dem feindlich gesinnten Teile der Geistlichkeit stand so lange ein bequemes
Mittel zur Verfügung, ängstliche Gemüter zu verwirren und überhaupt unter
der Bürgerschaft Beunruhigungen zu erregen.

Als sich daher Bernhard Arzt, der eine lauge Reihe von Jahren in
Italien studirt hatte und mit den italienischen Verhältnissen ziemlich bekannt
war, nach Rom begab, um seine Sache dort in Person zu betreiben, wurde
er von der Stadt beauftragt, zugleich für eine endgiltige Lösung jener andern
Schwierigkeit zweckdienliche Schritte zu thun. Am 24. Januar 1483 schrieb
ihm der Rat, für die Zurücknahme der päpstlichen Bulle, kraft derer jenes
ärgerliche Kapitelsstatnt bestätigt worden war, sei man in Augsburg bereit,
100 bis 200 Dukaten zu zahlen; ein Dispens aber bezüglich der Fastenspeisen
in der Art, wie Herzog Albrecht von Baiern einen habe, dürfe 50, 60, ja
bis in die 100 Dukaten kosten. Doch möge Arzt beileibe uicht merken
lassei:, daß die Stadt selber sich darum, bemühe; er solle vielmehr thun, als
ob er selbst, ganz ans eignem Antriebe und nur um die Augsburger mit einen:
Freundschaftsdienste zu überrasche«, die Sache in Anregung bringe. Die Herren
vou Augsburg fürchteten, wahrscheinlich nicht mit Unrecht, eine Steigerung
im Preise, sowie es bekannt werde, daß die berühmte Reichsstadt selber als
Käuferin auf den Plan trete. Wenn sie sich indes wirklich in der Hoffnung
wiegten, mit dergleichen Mnuöveru in Rom Erfolge zu erzielen, so waren sie
hinsichtlich der Art und Weise, wie man dort Geschäfte betrieb, noch in irrtüm¬
lichen Borstellungen befangen.

Gegen Ende Mai oder Anfang Juni 1483 kehrte Bernhard Arzt nach
Augsburg zurück, ohne das mindeste ausgerichtet zu haben. Der Rat beschäftigte
sich am 7. Juni eingehend mit der Angelegenheit, und es kam dabei natürlich
auch die Frage, wie mau „rin Bull, ahr, schmaltz nud ander gemilchets zu
verpotten tagen zu essen erlangen möchte," zur Verhandlung. Bernhard Arzt
erschien persönlich in der Sitzung, um seine Ansichten und Erfahrungen dar¬
zulegen, wie er denn, als vornehmster Interessent, auch späterhin noch mehr¬
fach zu Rate gezogen ward. Von demjenigen Teile seiner Ratschläge, der sich
auf die Hauptsache bezog, d. h. auf die Frage, wie das Verbot der Aufnahme
von Bürgerssöhnen in das Domkapitel beziehentlich die päpstliche Bestätiguugs-
bulle desselben „abzutreiben" sei, sind noch einige ausführlichere Aufzeichnungen
vorhanden; hinsichtlich des ersehnten Fastendispenses dagegen findet sich uur
ein kurzer Satz, worin freilich im Grnnde alles Wesentliche mitgeteilt ist:
„Jon Umb die Bull vastenlicher Speyss halben sind erfordert 300 Ducaten."

Außerdem wird Arzt seinen Freunden auch sonst über römische Verhältnisse
einige belehrende Aufklärung erteilt haben, namentlich wird er ihnen gesagt
haben, daß man es in der Hauptstadt der abendländischen Christenheit mit
weltknndigen und geschäftsgewandten Männern zu thun habe, denen mit un¬
wahrscheinliche» Borspiegelungen »venig abzugewinnen sei.


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[0322] Augsburger Schmalzbriefe Denn dem feindlich gesinnten Teile der Geistlichkeit stand so lange ein bequemes Mittel zur Verfügung, ängstliche Gemüter zu verwirren und überhaupt unter der Bürgerschaft Beunruhigungen zu erregen. Als sich daher Bernhard Arzt, der eine lauge Reihe von Jahren in Italien studirt hatte und mit den italienischen Verhältnissen ziemlich bekannt war, nach Rom begab, um seine Sache dort in Person zu betreiben, wurde er von der Stadt beauftragt, zugleich für eine endgiltige Lösung jener andern Schwierigkeit zweckdienliche Schritte zu thun. Am 24. Januar 1483 schrieb ihm der Rat, für die Zurücknahme der päpstlichen Bulle, kraft derer jenes ärgerliche Kapitelsstatnt bestätigt worden war, sei man in Augsburg bereit, 100 bis 200 Dukaten zu zahlen; ein Dispens aber bezüglich der Fastenspeisen in der Art, wie Herzog Albrecht von Baiern einen habe, dürfe 50, 60, ja bis in die 100 Dukaten kosten. Doch möge Arzt beileibe uicht merken lassei:, daß die Stadt selber sich darum, bemühe; er solle vielmehr thun, als ob er selbst, ganz ans eignem Antriebe und nur um die Augsburger mit einen: Freundschaftsdienste zu überrasche«, die Sache in Anregung bringe. Die Herren vou Augsburg fürchteten, wahrscheinlich nicht mit Unrecht, eine Steigerung im Preise, sowie es bekannt werde, daß die berühmte Reichsstadt selber als Käuferin auf den Plan trete. Wenn sie sich indes wirklich in der Hoffnung wiegten, mit dergleichen Mnuöveru in Rom Erfolge zu erzielen, so waren sie hinsichtlich der Art und Weise, wie man dort Geschäfte betrieb, noch in irrtüm¬ lichen Borstellungen befangen. Gegen Ende Mai oder Anfang Juni 1483 kehrte Bernhard Arzt nach Augsburg zurück, ohne das mindeste ausgerichtet zu haben. Der Rat beschäftigte sich am 7. Juni eingehend mit der Angelegenheit, und es kam dabei natürlich auch die Frage, wie mau „rin Bull, ahr, schmaltz nud ander gemilchets zu verpotten tagen zu essen erlangen möchte," zur Verhandlung. Bernhard Arzt erschien persönlich in der Sitzung, um seine Ansichten und Erfahrungen dar¬ zulegen, wie er denn, als vornehmster Interessent, auch späterhin noch mehr¬ fach zu Rate gezogen ward. Von demjenigen Teile seiner Ratschläge, der sich auf die Hauptsache bezog, d. h. auf die Frage, wie das Verbot der Aufnahme von Bürgerssöhnen in das Domkapitel beziehentlich die päpstliche Bestätiguugs- bulle desselben „abzutreiben" sei, sind noch einige ausführlichere Aufzeichnungen vorhanden; hinsichtlich des ersehnten Fastendispenses dagegen findet sich uur ein kurzer Satz, worin freilich im Grnnde alles Wesentliche mitgeteilt ist: „Jon Umb die Bull vastenlicher Speyss halben sind erfordert 300 Ducaten." Außerdem wird Arzt seinen Freunden auch sonst über römische Verhältnisse einige belehrende Aufklärung erteilt haben, namentlich wird er ihnen gesagt haben, daß man es in der Hauptstadt der abendländischen Christenheit mit weltknndigen und geschäftsgewandten Männern zu thun habe, denen mit un¬ wahrscheinliche» Borspiegelungen »venig abzugewinnen sei.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/322>, abgerufen am 05.02.2025.