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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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ihnen ist? Der Versuch beantwortete diese Frage in schlagender Weise mit
Nein. Lange, sorgfältige Reihen von Experimenten haben festgestellt, daß zwei
im übrigen ganz gleiche Elektrizitütsmengen sich mit verschiedener Kraft an¬
ziehen, wenn verschiedene Stoffe zwischen ihnen sind. In Terpentinöl z. B.
ist die Anziehung 2^., in Alkohol 25 mal so stark wie in Luft. Man nennt
diese Verhältniszahlen "Dielektrizitätskonstanten"; das eben gesagte ist also
nur anders ausgedrückt, wenn man behauptet: Die Dielektrizitätskonstante
des Terpentinöls ist 2'/,, die des Alkohols ist 25.

Faradcch's Ideen wurden vou seinem Landsmann Maxwell durchgebildet
und entwickelten sich unter dessen Händen zu einer streng mathematischen,
höchst scharfsinnigen Theorie, die von allen bekannten Erscheinungen Rechen¬
schaft giebt. Da die Theorie mathematischer Natur ist, kann hier auf ihre
Einzelheiten nicht eingegangen werden; nur ein Teil, und zwar gerade der
Schlußstein ist hier zu erwähnen. Wird die Kraft, die von einem Elektrizitäts¬
teilchen ausgeht, durch ein Medium vermittelt, so versteht sich auch fast von
selbst, daß zu ihrer Vermittelung Zeit gebraucht wird. Denn die Fortpflanzung
der Wirkung in dem Medium kommt offenbar dadurch zu Stande, daß der
Spannungszustand sich von einer Schicht des Mediums auf die benachbarte,
von dieser auf die nächstfolgende u. s. w. fortpflanzt; dies Fortschreiten der
Spannung von einer Schicht zur andern erfordert aber augenscheinlich Zeit,
gerade so gut, wie das Fortschreiten des Schalles oder des Lichts. Wenn
also z. V. in diesen: Augenblicke plötzlich eine elektrische Ladung auf der Erde
entstünde, so würde sich ihre Wirkung auf dem Monde nicht in demselben
Augenblicke geltend machen, sondern erst einige Zeit später, noch später auf
der Sonne, und viel später erst in der Entfernung der Fixsterne. Maxwells
Theorie gestattet nnn, die Geschwindigkeit, womit eine elektrische Gleichgewichts¬
störung in dein Medium fortschreiten muß, aus Beobachtungen an durchströmten
Körpern zu berechnen, und die Rechnung ergiebt folgendes.

1. Ist das Medium frei von aller wägbaren Materie, so schreitet jede
Störung, also auch die Spannung, die ein elektrischer Punkt in ihm erzeugt, mit
einer Geschwindigkeit von nahe 300000 Kilometern in der Sekunde in ihm fort.
(Der Mond ist etwa 380000 Kilometer von der Erde entfernt; entsteht
also bei uns eine Ladung, so kommt ihre Anziehung nach etwa 1^ Sekunde
auf dem Monde an.)

2. Befindet sich das Medium in einem materiellen Körper, so wird seine
Elastizität durch den Stoff des Körpers abgeändert, daher pflanzen sich die
Störungen in materiellen Körpern anders, im allgemeinen langsamer fort, als
im freien Medium. Luft und andre Gase wirken nicht erheblich nach dieser
Richtung, wohl aber feste und flüssige Körper. Und zwar ist die Fortpflanzung
um so mehr verzögert, je größer die Dielektrizitätskonstante der Substanz ist.
(Genauer: die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist der Quadratwurzel aus der


ihnen ist? Der Versuch beantwortete diese Frage in schlagender Weise mit
Nein. Lange, sorgfältige Reihen von Experimenten haben festgestellt, daß zwei
im übrigen ganz gleiche Elektrizitütsmengen sich mit verschiedener Kraft an¬
ziehen, wenn verschiedene Stoffe zwischen ihnen sind. In Terpentinöl z. B.
ist die Anziehung 2^., in Alkohol 25 mal so stark wie in Luft. Man nennt
diese Verhältniszahlen „Dielektrizitätskonstanten"; das eben gesagte ist also
nur anders ausgedrückt, wenn man behauptet: Die Dielektrizitätskonstante
des Terpentinöls ist 2'/,, die des Alkohols ist 25.

Faradcch's Ideen wurden vou seinem Landsmann Maxwell durchgebildet
und entwickelten sich unter dessen Händen zu einer streng mathematischen,
höchst scharfsinnigen Theorie, die von allen bekannten Erscheinungen Rechen¬
schaft giebt. Da die Theorie mathematischer Natur ist, kann hier auf ihre
Einzelheiten nicht eingegangen werden; nur ein Teil, und zwar gerade der
Schlußstein ist hier zu erwähnen. Wird die Kraft, die von einem Elektrizitäts¬
teilchen ausgeht, durch ein Medium vermittelt, so versteht sich auch fast von
selbst, daß zu ihrer Vermittelung Zeit gebraucht wird. Denn die Fortpflanzung
der Wirkung in dem Medium kommt offenbar dadurch zu Stande, daß der
Spannungszustand sich von einer Schicht des Mediums auf die benachbarte,
von dieser auf die nächstfolgende u. s. w. fortpflanzt; dies Fortschreiten der
Spannung von einer Schicht zur andern erfordert aber augenscheinlich Zeit,
gerade so gut, wie das Fortschreiten des Schalles oder des Lichts. Wenn
also z. V. in diesen: Augenblicke plötzlich eine elektrische Ladung auf der Erde
entstünde, so würde sich ihre Wirkung auf dem Monde nicht in demselben
Augenblicke geltend machen, sondern erst einige Zeit später, noch später auf
der Sonne, und viel später erst in der Entfernung der Fixsterne. Maxwells
Theorie gestattet nnn, die Geschwindigkeit, womit eine elektrische Gleichgewichts¬
störung in dein Medium fortschreiten muß, aus Beobachtungen an durchströmten
Körpern zu berechnen, und die Rechnung ergiebt folgendes.

1. Ist das Medium frei von aller wägbaren Materie, so schreitet jede
Störung, also auch die Spannung, die ein elektrischer Punkt in ihm erzeugt, mit
einer Geschwindigkeit von nahe 300000 Kilometern in der Sekunde in ihm fort.
(Der Mond ist etwa 380000 Kilometer von der Erde entfernt; entsteht
also bei uns eine Ladung, so kommt ihre Anziehung nach etwa 1^ Sekunde
auf dem Monde an.)

2. Befindet sich das Medium in einem materiellen Körper, so wird seine
Elastizität durch den Stoff des Körpers abgeändert, daher pflanzen sich die
Störungen in materiellen Körpern anders, im allgemeinen langsamer fort, als
im freien Medium. Luft und andre Gase wirken nicht erheblich nach dieser
Richtung, wohl aber feste und flüssige Körper. Und zwar ist die Fortpflanzung
um so mehr verzögert, je größer die Dielektrizitätskonstante der Substanz ist.
(Genauer: die Fortpflanzungsgeschwindigkeit ist der Quadratwurzel aus der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/32>, abgerufen am 05.02.2025.