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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Die folgen der Novelle

Haltung die gleichmütige Sicherheit mehrerer Generationen." Er faßt beim Plau¬
dern auf- und abschleudernd allerhand Gegenstände mit der ganzen Hand, spielt
damit und wirft sie dann wieder weg; ebenso macht er es mit den Gegen¬
ständen, über die er spricht. Es soll gespeist werden, aber die Gatten können
sich nicht versagen, die Suppe darüber kalt werden zu lassen, daß sie noch
eine Reihe Duette am Klavier singen, ohne Rücksicht ans Björnsons knurrenden
Magen. Es wird diesem aber beim Zuhören klar, wie diese beiden sich ge¬
funden haben mußten. Ein völliges Aufgehen in der Stimmung ist ihnen
beiden gemeinsam, auch in der Weise, sich gehen zu lassen; "gleich zwei Kindern
in einem Bote gaukeln sie nun dahin -- eilt schlichtes, lässiges, frohes Zu¬
sammenklinge" u. f. w. Aber es ist keine Schule in ihrem Gesänge, keine
Energie." Das Geheimnis wird immer geheimnisvoller.

Endlich wird gegessen. Die Kinder haben dies bereits gethan, für sie haben
die Duette zu lange gedauert. Atlnng fragt Vjörnsvn, ob er die Knaben schon
gesehen habe; sie Hütten zuviel Phantasie, "sowohl ans der väterlichen wie mütter¬
lichen Descendenz"; spricht davon, was sie aus einem traurigen Vorfall-- der
Geschichte von dem ertrnnknen Knaben -- gemacht hätten, natürlich mit Hilfe
Stinas. Es sei unglaublich. Er habe nichts dagegen gesagt, weil es ihn im
Grnnde amüsirt habe, aber es sei doch sinnloses Zeug. Es werde besser sein,
die Jungen auf eine Schule zu schicken, als daß sie hier herumliefen und
allerhand Geschwätz in sich aufnahmen. Björnson fragt, um abzulenken -- warum
will er ablenken? Geheimnis! -- ob Atlnng Spencers Abhandlung über Er¬
ziehung gelesen habe. Da kommt Leben in Atlung, und er hält eine lange
Rede, während deren nicht weiter servirt wird, die Björnson aber nur im
Auszuge, giebt. Den Schluß bildet die Äußerung seiner festen Absicht, die
Knaben, sobald sie groß genug seien, zu einer Düne zu schicken, die eine be¬
geisterte Anhängern,. Spencers sei. Seine Frau hört zu, als handle es sich
nur eine alte Bestimmung.

Nach dem Essen muß Atlung in die Stadt fahren. Während angespannt
wird, ist Björnson eine Weile sich selbst überlassen. Er beobachtet die beiden
Jungen, wie sie sich höchst vuartig betragen, einer Magd schlimme Reden zu¬
rufen, so schlimme, das; er es nicht für möglich gehalten hätte. Aber der
Vater hat es auch gehört. Im Wegfahren ruft er: Wartet, Jungens, ihr
kriegt die Rute, wenn ich heimkomme. Die Jungen stehen eine Weile ver¬
steinert und laufen dann weg.

Björnson ist verstüumtüber die unartigen Jungen und über das Geheimnis,
von dem der Leser immer noch nichts merkt, und will auch fort. Aber er
wird von Frau Atlnng, die im Wohnzimmer ans einer großen gothischen Bank
sitzt, durch die Frage darau verhindert, was er von Spencers Erziehungs¬
methode halte. Björnson wird ungemütlich und sagt ihr, jedenfalls stimme
die Praxis ihres Mannes nicht mit der Spencers überein. "Die Praxis meines


Die folgen der Novelle

Haltung die gleichmütige Sicherheit mehrerer Generationen." Er faßt beim Plau¬
dern auf- und abschleudernd allerhand Gegenstände mit der ganzen Hand, spielt
damit und wirft sie dann wieder weg; ebenso macht er es mit den Gegen¬
ständen, über die er spricht. Es soll gespeist werden, aber die Gatten können
sich nicht versagen, die Suppe darüber kalt werden zu lassen, daß sie noch
eine Reihe Duette am Klavier singen, ohne Rücksicht ans Björnsons knurrenden
Magen. Es wird diesem aber beim Zuhören klar, wie diese beiden sich ge¬
funden haben mußten. Ein völliges Aufgehen in der Stimmung ist ihnen
beiden gemeinsam, auch in der Weise, sich gehen zu lassen; „gleich zwei Kindern
in einem Bote gaukeln sie nun dahin — eilt schlichtes, lässiges, frohes Zu¬
sammenklinge» u. f. w. Aber es ist keine Schule in ihrem Gesänge, keine
Energie." Das Geheimnis wird immer geheimnisvoller.

Endlich wird gegessen. Die Kinder haben dies bereits gethan, für sie haben
die Duette zu lange gedauert. Atlnng fragt Vjörnsvn, ob er die Knaben schon
gesehen habe; sie Hütten zuviel Phantasie, „sowohl ans der väterlichen wie mütter¬
lichen Descendenz"; spricht davon, was sie aus einem traurigen Vorfall— der
Geschichte von dem ertrnnknen Knaben — gemacht hätten, natürlich mit Hilfe
Stinas. Es sei unglaublich. Er habe nichts dagegen gesagt, weil es ihn im
Grnnde amüsirt habe, aber es sei doch sinnloses Zeug. Es werde besser sein,
die Jungen auf eine Schule zu schicken, als daß sie hier herumliefen und
allerhand Geschwätz in sich aufnahmen. Björnson fragt, um abzulenken — warum
will er ablenken? Geheimnis! — ob Atlnng Spencers Abhandlung über Er¬
ziehung gelesen habe. Da kommt Leben in Atlung, und er hält eine lange
Rede, während deren nicht weiter servirt wird, die Björnson aber nur im
Auszuge, giebt. Den Schluß bildet die Äußerung seiner festen Absicht, die
Knaben, sobald sie groß genug seien, zu einer Düne zu schicken, die eine be¬
geisterte Anhängern,. Spencers sei. Seine Frau hört zu, als handle es sich
nur eine alte Bestimmung.

Nach dem Essen muß Atlung in die Stadt fahren. Während angespannt
wird, ist Björnson eine Weile sich selbst überlassen. Er beobachtet die beiden
Jungen, wie sie sich höchst vuartig betragen, einer Magd schlimme Reden zu¬
rufen, so schlimme, das; er es nicht für möglich gehalten hätte. Aber der
Vater hat es auch gehört. Im Wegfahren ruft er: Wartet, Jungens, ihr
kriegt die Rute, wenn ich heimkomme. Die Jungen stehen eine Weile ver¬
steinert und laufen dann weg.

Björnson ist verstüumtüber die unartigen Jungen und über das Geheimnis,
von dem der Leser immer noch nichts merkt, und will auch fort. Aber er
wird von Frau Atlnng, die im Wohnzimmer ans einer großen gothischen Bank
sitzt, durch die Frage darau verhindert, was er von Spencers Erziehungs¬
methode halte. Björnson wird ungemütlich und sagt ihr, jedenfalls stimme
die Praxis ihres Mannes nicht mit der Spencers überein. „Die Praxis meines


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[0288] Die folgen der Novelle Haltung die gleichmütige Sicherheit mehrerer Generationen." Er faßt beim Plau¬ dern auf- und abschleudernd allerhand Gegenstände mit der ganzen Hand, spielt damit und wirft sie dann wieder weg; ebenso macht er es mit den Gegen¬ ständen, über die er spricht. Es soll gespeist werden, aber die Gatten können sich nicht versagen, die Suppe darüber kalt werden zu lassen, daß sie noch eine Reihe Duette am Klavier singen, ohne Rücksicht ans Björnsons knurrenden Magen. Es wird diesem aber beim Zuhören klar, wie diese beiden sich ge¬ funden haben mußten. Ein völliges Aufgehen in der Stimmung ist ihnen beiden gemeinsam, auch in der Weise, sich gehen zu lassen; „gleich zwei Kindern in einem Bote gaukeln sie nun dahin — eilt schlichtes, lässiges, frohes Zu¬ sammenklinge» u. f. w. Aber es ist keine Schule in ihrem Gesänge, keine Energie." Das Geheimnis wird immer geheimnisvoller. Endlich wird gegessen. Die Kinder haben dies bereits gethan, für sie haben die Duette zu lange gedauert. Atlnng fragt Vjörnsvn, ob er die Knaben schon gesehen habe; sie Hütten zuviel Phantasie, „sowohl ans der väterlichen wie mütter¬ lichen Descendenz"; spricht davon, was sie aus einem traurigen Vorfall— der Geschichte von dem ertrnnknen Knaben — gemacht hätten, natürlich mit Hilfe Stinas. Es sei unglaublich. Er habe nichts dagegen gesagt, weil es ihn im Grnnde amüsirt habe, aber es sei doch sinnloses Zeug. Es werde besser sein, die Jungen auf eine Schule zu schicken, als daß sie hier herumliefen und allerhand Geschwätz in sich aufnahmen. Björnson fragt, um abzulenken — warum will er ablenken? Geheimnis! — ob Atlnng Spencers Abhandlung über Er¬ ziehung gelesen habe. Da kommt Leben in Atlung, und er hält eine lange Rede, während deren nicht weiter servirt wird, die Björnson aber nur im Auszuge, giebt. Den Schluß bildet die Äußerung seiner festen Absicht, die Knaben, sobald sie groß genug seien, zu einer Düne zu schicken, die eine be¬ geisterte Anhängern,. Spencers sei. Seine Frau hört zu, als handle es sich nur eine alte Bestimmung. Nach dem Essen muß Atlung in die Stadt fahren. Während angespannt wird, ist Björnson eine Weile sich selbst überlassen. Er beobachtet die beiden Jungen, wie sie sich höchst vuartig betragen, einer Magd schlimme Reden zu¬ rufen, so schlimme, das; er es nicht für möglich gehalten hätte. Aber der Vater hat es auch gehört. Im Wegfahren ruft er: Wartet, Jungens, ihr kriegt die Rute, wenn ich heimkomme. Die Jungen stehen eine Weile ver¬ steinert und laufen dann weg. Björnson ist verstüumtüber die unartigen Jungen und über das Geheimnis, von dem der Leser immer noch nichts merkt, und will auch fort. Aber er wird von Frau Atlnng, die im Wohnzimmer ans einer großen gothischen Bank sitzt, durch die Frage darau verhindert, was er von Spencers Erziehungs¬ methode halte. Björnson wird ungemütlich und sagt ihr, jedenfalls stimme die Praxis ihres Mannes nicht mit der Spencers überein. „Die Praxis meines

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/288>, abgerufen am 05.02.2025.