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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Zeitungen, mit denen das Lesezimmer ausgestattet ist. Eilte Apotheke besindet
sich erst in Bolosea, sonst ist auch dort nicht viel mehr als saurer Wein und
Käse zu haben; um Einkäufe zu machen, fährt man nach Fiume.

Und nuit noch der wichtige Punkt, auf deu früher hingewiesen wurde.

In dem "Touristensührer" für Abbazia wird die in breiten Wogen hin¬
strömende poetische Prosa wohlthuend unterbrochen dnrch einen sachlich ge¬
haltenen Abschnitt "Hygienisches," und da kommt folgender Satz vor: "Wer
die Geldmittel nicht aufwenden kann oder will, um sich eine entsprechende
Wohnung und geeignete Nahrung zu schaffen, der bleibt viel besser in seinen
gewohnten Verhältnissen zu Hanse."

Der diesen Ausspruch thut, ist der leitende Arzt Professor Glax, also
ein Mann, der uicht als voreingenommen gegen den Kurort angesehen werden
kann. Und die Warnung ist sehr am Platze, denn der Aufenthalt in Abbazia
kostet sehr viel Geld.

Schon die Reise ist teuer. Die österreichischen Eisenbahnen sind als nicht
wohlfeil bekannt. Die Südbahn aber, die mau gänzlich oder größtenteils
benutzen muß, berechnet die Fahrpreise auf der österreichischen Linie durch-
schnittlich um 14 Prozent, auf der ungarischen gar um 35 Prozent höher als
die österreichische Staatsbahn. Ein Hotelzimmer (mit guter Einrichtung, wie
anerkannt werden muß) ist unter vier Gulden uicht zu haben. Table d'hote
ist wohl angeschlagen, aber nicht vorhanden. Mau sagt, die Wiener hätten
deren Abschaffung durchgesetzt, da sie nicht auf die Freiheit verzichten wollen,
täglich Suppe, Rindfleisch und Mehlspeise aus einem langen Verzeichnis auszu-
wählen. Hoffentlich gehört diese "Freiheit" zu denjenigen Freiheiten, für die nach
den jammernden Versicherungen der österreichischen Zeitungen die Welt immer
mehr das Verständnis verliert. Das; die gemeinsame Wirtstafel ihre lustigen
Seiten haben kann, ist unbestreitbar, aber nicht minder, daß sie die Anknüpfung
von Bekanntschaften erleichtert, und vor allein den Wirt in die Lage bringt,
einen guten Tisch verhältnismäßig wohlfeil zu liefern. Und dies gilt umsv-
Ntehr für Orte, wo die Herbeischaffung von Lebensmitteln mit Schwierigkeiten
verbunden ist, wie eben in Abbazia. Dort kostet das billigste "Couvert"
2 Gulden 50 Kreuzer, 4^. Mark nach heutigen Kurse. Dem entsprechen
alle übrigen Preise, und so lebt man etwa doppelt so teuer als in deu
italienischen und französischen Küstenstüdten (Nizza vielleicht ausgenommen),
aber keineswegs besser. Die Erhebung einer sogenannten "Knrtaxe" wird in
Aussicht gestellt, und schou jetzt besteht eine sehr sonderbare Steuer, indem
nicht selten der große Speisesanl des "Hotels Stephanie," auf dessen Benutzung
die größte Mehrzahl der Fremden angewiesen ist, reisenden Musikanten ein-
geräumt wird, sodaß, wer dort sein Abendbrot einnehmen will, gezwungen
ist, Eintrittsgeld zu entrichten lind auch uoch mitunter sehr fragwürdige musi¬
kalische Genüsse über sich ergehen zu lassen.


Grenzboten II 1389 35

Zeitungen, mit denen das Lesezimmer ausgestattet ist. Eilte Apotheke besindet
sich erst in Bolosea, sonst ist auch dort nicht viel mehr als saurer Wein und
Käse zu haben; um Einkäufe zu machen, fährt man nach Fiume.

Und nuit noch der wichtige Punkt, auf deu früher hingewiesen wurde.

In dem „Touristensührer" für Abbazia wird die in breiten Wogen hin¬
strömende poetische Prosa wohlthuend unterbrochen dnrch einen sachlich ge¬
haltenen Abschnitt „Hygienisches," und da kommt folgender Satz vor: „Wer
die Geldmittel nicht aufwenden kann oder will, um sich eine entsprechende
Wohnung und geeignete Nahrung zu schaffen, der bleibt viel besser in seinen
gewohnten Verhältnissen zu Hanse."

Der diesen Ausspruch thut, ist der leitende Arzt Professor Glax, also
ein Mann, der uicht als voreingenommen gegen den Kurort angesehen werden
kann. Und die Warnung ist sehr am Platze, denn der Aufenthalt in Abbazia
kostet sehr viel Geld.

Schon die Reise ist teuer. Die österreichischen Eisenbahnen sind als nicht
wohlfeil bekannt. Die Südbahn aber, die mau gänzlich oder größtenteils
benutzen muß, berechnet die Fahrpreise auf der österreichischen Linie durch-
schnittlich um 14 Prozent, auf der ungarischen gar um 35 Prozent höher als
die österreichische Staatsbahn. Ein Hotelzimmer (mit guter Einrichtung, wie
anerkannt werden muß) ist unter vier Gulden uicht zu haben. Table d'hote
ist wohl angeschlagen, aber nicht vorhanden. Mau sagt, die Wiener hätten
deren Abschaffung durchgesetzt, da sie nicht auf die Freiheit verzichten wollen,
täglich Suppe, Rindfleisch und Mehlspeise aus einem langen Verzeichnis auszu-
wählen. Hoffentlich gehört diese „Freiheit" zu denjenigen Freiheiten, für die nach
den jammernden Versicherungen der österreichischen Zeitungen die Welt immer
mehr das Verständnis verliert. Das; die gemeinsame Wirtstafel ihre lustigen
Seiten haben kann, ist unbestreitbar, aber nicht minder, daß sie die Anknüpfung
von Bekanntschaften erleichtert, und vor allein den Wirt in die Lage bringt,
einen guten Tisch verhältnismäßig wohlfeil zu liefern. Und dies gilt umsv-
Ntehr für Orte, wo die Herbeischaffung von Lebensmitteln mit Schwierigkeiten
verbunden ist, wie eben in Abbazia. Dort kostet das billigste „Couvert"
2 Gulden 50 Kreuzer, 4^. Mark nach heutigen Kurse. Dem entsprechen
alle übrigen Preise, und so lebt man etwa doppelt so teuer als in deu
italienischen und französischen Küstenstüdten (Nizza vielleicht ausgenommen),
aber keineswegs besser. Die Erhebung einer sogenannten „Knrtaxe" wird in
Aussicht gestellt, und schou jetzt besteht eine sehr sonderbare Steuer, indem
nicht selten der große Speisesanl des „Hotels Stephanie," auf dessen Benutzung
die größte Mehrzahl der Fremden angewiesen ist, reisenden Musikanten ein-
geräumt wird, sodaß, wer dort sein Abendbrot einnehmen will, gezwungen
ist, Eintrittsgeld zu entrichten lind auch uoch mitunter sehr fragwürdige musi¬
kalische Genüsse über sich ergehen zu lassen.


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[0281] Zeitungen, mit denen das Lesezimmer ausgestattet ist. Eilte Apotheke besindet sich erst in Bolosea, sonst ist auch dort nicht viel mehr als saurer Wein und Käse zu haben; um Einkäufe zu machen, fährt man nach Fiume. Und nuit noch der wichtige Punkt, auf deu früher hingewiesen wurde. In dem „Touristensührer" für Abbazia wird die in breiten Wogen hin¬ strömende poetische Prosa wohlthuend unterbrochen dnrch einen sachlich ge¬ haltenen Abschnitt „Hygienisches," und da kommt folgender Satz vor: „Wer die Geldmittel nicht aufwenden kann oder will, um sich eine entsprechende Wohnung und geeignete Nahrung zu schaffen, der bleibt viel besser in seinen gewohnten Verhältnissen zu Hanse." Der diesen Ausspruch thut, ist der leitende Arzt Professor Glax, also ein Mann, der uicht als voreingenommen gegen den Kurort angesehen werden kann. Und die Warnung ist sehr am Platze, denn der Aufenthalt in Abbazia kostet sehr viel Geld. Schon die Reise ist teuer. Die österreichischen Eisenbahnen sind als nicht wohlfeil bekannt. Die Südbahn aber, die mau gänzlich oder größtenteils benutzen muß, berechnet die Fahrpreise auf der österreichischen Linie durch- schnittlich um 14 Prozent, auf der ungarischen gar um 35 Prozent höher als die österreichische Staatsbahn. Ein Hotelzimmer (mit guter Einrichtung, wie anerkannt werden muß) ist unter vier Gulden uicht zu haben. Table d'hote ist wohl angeschlagen, aber nicht vorhanden. Mau sagt, die Wiener hätten deren Abschaffung durchgesetzt, da sie nicht auf die Freiheit verzichten wollen, täglich Suppe, Rindfleisch und Mehlspeise aus einem langen Verzeichnis auszu- wählen. Hoffentlich gehört diese „Freiheit" zu denjenigen Freiheiten, für die nach den jammernden Versicherungen der österreichischen Zeitungen die Welt immer mehr das Verständnis verliert. Das; die gemeinsame Wirtstafel ihre lustigen Seiten haben kann, ist unbestreitbar, aber nicht minder, daß sie die Anknüpfung von Bekanntschaften erleichtert, und vor allein den Wirt in die Lage bringt, einen guten Tisch verhältnismäßig wohlfeil zu liefern. Und dies gilt umsv- Ntehr für Orte, wo die Herbeischaffung von Lebensmitteln mit Schwierigkeiten verbunden ist, wie eben in Abbazia. Dort kostet das billigste „Couvert" 2 Gulden 50 Kreuzer, 4^. Mark nach heutigen Kurse. Dem entsprechen alle übrigen Preise, und so lebt man etwa doppelt so teuer als in deu italienischen und französischen Küstenstüdten (Nizza vielleicht ausgenommen), aber keineswegs besser. Die Erhebung einer sogenannten „Knrtaxe" wird in Aussicht gestellt, und schou jetzt besteht eine sehr sonderbare Steuer, indem nicht selten der große Speisesanl des „Hotels Stephanie," auf dessen Benutzung die größte Mehrzahl der Fremden angewiesen ist, reisenden Musikanten ein- geräumt wird, sodaß, wer dort sein Abendbrot einnehmen will, gezwungen ist, Eintrittsgeld zu entrichten lind auch uoch mitunter sehr fragwürdige musi¬ kalische Genüsse über sich ergehen zu lassen. Grenzboten II 1389 35

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/281>, abgerufen am 05.02.2025.