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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Abbazia

Lvrber benutzt wird, nicht übermäßig reinlich gehalten, manchmal grell ge¬
tüncht -- so könnten diese Hänser ohne aufzufallen in die Umgebung von
Genua versetzt werden; und so malerisch der Nordländer sie findet, so wenig
Neigung verspürt er, eins davon zu bewohnen. In und um Abbazia werden
sie allgemach dnrch Villen und große Hotels verdrängt. Inwieweit letztere
zur Verschönerung der Landschaft beitragen, bedarf keiner Erörterung.

Für die Bestimmung des Wertes dieser Gegend für Kranke fällt vor
allem ins Gewicht, daß sie vielen und vielfachen Winden ausgesetzt ist. Die
Einheimischen zählen Born, Tramontana, Scirocco, Levante und noch einige
andre auf. Von dem anfänglichen Plane, Personen, denen die Atmungs-
werkzeuge zu schaffen machen, in Abbazia Heilung suchen zu lassen, ist mau
denn auch zurückgekommen. Herz- und Nervenleidende rühmen hingegen den
auffallend günstigen Einfluß eines längern Aufenthaltes. Doch wird noch
viel geschehen müssen, um solchen Aufenthalt in vollem Maße ersprießlich zu
machen. Wer auf die Mangelhaftigkeit mancher Einrichtungen zu sprechen
kommt, erhält gewöhnlich zur Antwort: die Anlage ist uoch jung, und die
Südbahngesellschaft kann nicht alles thun. Die Bevölkerung ist entweder zu
arm oder entschieden abgeneigt, ihre Mittel in Bauten ?e. anzulegen. Dazu
verraten auch Fremde wenig Neigung, was schon die Kostspieligkeit begreiflich
macht: der Wert des Bodens ist in wenigen Jahren auf das Fünfzig- und
Achtzigfache gestiegen, seine Gestaltung nötigt zu bedeutende" Unterbauten,
Materialzufuhr, Arbeitslöhne u. s. w. kommen sehr hoch zu stehen. -- Mit allen
diesen Umständen hat es zweifelsohne seine Richtigkeit, allein die Thatsache
bleibt bestehen, daß noch vieles fehlt, was zur Behaglichkeit des Daseins,
zumal für .Kranke, notwendig wäre.

Kanalisirung ist Wohl das dringendste Bedürfnis. Spaziergänge sind au¬
gelegt und werden fortwährend erweitert, reichen aber noch lange nicht aus.
Die Landstraße ist sehr staubig, ein Strandweg ist in südlicher Richtung
ungefähr halbwegs bis Ita geführt, der Fortsetzung gegen Bolvsea hin steht
die Weigerung eines Villenbesitzers, den erforderlichen Grund abzutreten, ent¬
gegen. Einige Fußwege durch Lorber- und Eichengehölz sind zum Teil sehr
angenehm, zum Teil steinig und beschwerlich, der zu dem Orte Beprinaz (mit
weithin leuchtender Kirche und schöner Aussicht) steil und sonnig. Anhaltender
Regen, wie er in diesem Frühjahr so häufig eintrat, macht fast alle Wege
unbenützbar, da Pflasterung mit Steinplatten oder Klinkern nur in sehr ge¬
ringer Ausdehnung durchgeführt worden ist. Bei gutem Wetter entschädigen
allerdings die Wasserfahrteu. Doch schon der Wind beschränkt auf die
Parkpfade, denn nicht öffnen sich, wie beispielsweise in Mentone, zahlreiche
Thäler in den verschiedenen Richtungen. Und wer bei ganz ungünstiger
Witterung sich nicht in sein Zimmer einsperren will, hat nur die Wahl zwischen
dem Kartenspiel im Kaffeehause und der Vertiefung in das Halbdutzend


Abbazia

Lvrber benutzt wird, nicht übermäßig reinlich gehalten, manchmal grell ge¬
tüncht — so könnten diese Hänser ohne aufzufallen in die Umgebung von
Genua versetzt werden; und so malerisch der Nordländer sie findet, so wenig
Neigung verspürt er, eins davon zu bewohnen. In und um Abbazia werden
sie allgemach dnrch Villen und große Hotels verdrängt. Inwieweit letztere
zur Verschönerung der Landschaft beitragen, bedarf keiner Erörterung.

Für die Bestimmung des Wertes dieser Gegend für Kranke fällt vor
allem ins Gewicht, daß sie vielen und vielfachen Winden ausgesetzt ist. Die
Einheimischen zählen Born, Tramontana, Scirocco, Levante und noch einige
andre auf. Von dem anfänglichen Plane, Personen, denen die Atmungs-
werkzeuge zu schaffen machen, in Abbazia Heilung suchen zu lassen, ist mau
denn auch zurückgekommen. Herz- und Nervenleidende rühmen hingegen den
auffallend günstigen Einfluß eines längern Aufenthaltes. Doch wird noch
viel geschehen müssen, um solchen Aufenthalt in vollem Maße ersprießlich zu
machen. Wer auf die Mangelhaftigkeit mancher Einrichtungen zu sprechen
kommt, erhält gewöhnlich zur Antwort: die Anlage ist uoch jung, und die
Südbahngesellschaft kann nicht alles thun. Die Bevölkerung ist entweder zu
arm oder entschieden abgeneigt, ihre Mittel in Bauten ?e. anzulegen. Dazu
verraten auch Fremde wenig Neigung, was schon die Kostspieligkeit begreiflich
macht: der Wert des Bodens ist in wenigen Jahren auf das Fünfzig- und
Achtzigfache gestiegen, seine Gestaltung nötigt zu bedeutende» Unterbauten,
Materialzufuhr, Arbeitslöhne u. s. w. kommen sehr hoch zu stehen. — Mit allen
diesen Umständen hat es zweifelsohne seine Richtigkeit, allein die Thatsache
bleibt bestehen, daß noch vieles fehlt, was zur Behaglichkeit des Daseins,
zumal für .Kranke, notwendig wäre.

Kanalisirung ist Wohl das dringendste Bedürfnis. Spaziergänge sind au¬
gelegt und werden fortwährend erweitert, reichen aber noch lange nicht aus.
Die Landstraße ist sehr staubig, ein Strandweg ist in südlicher Richtung
ungefähr halbwegs bis Ita geführt, der Fortsetzung gegen Bolvsea hin steht
die Weigerung eines Villenbesitzers, den erforderlichen Grund abzutreten, ent¬
gegen. Einige Fußwege durch Lorber- und Eichengehölz sind zum Teil sehr
angenehm, zum Teil steinig und beschwerlich, der zu dem Orte Beprinaz (mit
weithin leuchtender Kirche und schöner Aussicht) steil und sonnig. Anhaltender
Regen, wie er in diesem Frühjahr so häufig eintrat, macht fast alle Wege
unbenützbar, da Pflasterung mit Steinplatten oder Klinkern nur in sehr ge¬
ringer Ausdehnung durchgeführt worden ist. Bei gutem Wetter entschädigen
allerdings die Wasserfahrteu. Doch schon der Wind beschränkt auf die
Parkpfade, denn nicht öffnen sich, wie beispielsweise in Mentone, zahlreiche
Thäler in den verschiedenen Richtungen. Und wer bei ganz ungünstiger
Witterung sich nicht in sein Zimmer einsperren will, hat nur die Wahl zwischen
dem Kartenspiel im Kaffeehause und der Vertiefung in das Halbdutzend


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[0280] Abbazia Lvrber benutzt wird, nicht übermäßig reinlich gehalten, manchmal grell ge¬ tüncht — so könnten diese Hänser ohne aufzufallen in die Umgebung von Genua versetzt werden; und so malerisch der Nordländer sie findet, so wenig Neigung verspürt er, eins davon zu bewohnen. In und um Abbazia werden sie allgemach dnrch Villen und große Hotels verdrängt. Inwieweit letztere zur Verschönerung der Landschaft beitragen, bedarf keiner Erörterung. Für die Bestimmung des Wertes dieser Gegend für Kranke fällt vor allem ins Gewicht, daß sie vielen und vielfachen Winden ausgesetzt ist. Die Einheimischen zählen Born, Tramontana, Scirocco, Levante und noch einige andre auf. Von dem anfänglichen Plane, Personen, denen die Atmungs- werkzeuge zu schaffen machen, in Abbazia Heilung suchen zu lassen, ist mau denn auch zurückgekommen. Herz- und Nervenleidende rühmen hingegen den auffallend günstigen Einfluß eines längern Aufenthaltes. Doch wird noch viel geschehen müssen, um solchen Aufenthalt in vollem Maße ersprießlich zu machen. Wer auf die Mangelhaftigkeit mancher Einrichtungen zu sprechen kommt, erhält gewöhnlich zur Antwort: die Anlage ist uoch jung, und die Südbahngesellschaft kann nicht alles thun. Die Bevölkerung ist entweder zu arm oder entschieden abgeneigt, ihre Mittel in Bauten ?e. anzulegen. Dazu verraten auch Fremde wenig Neigung, was schon die Kostspieligkeit begreiflich macht: der Wert des Bodens ist in wenigen Jahren auf das Fünfzig- und Achtzigfache gestiegen, seine Gestaltung nötigt zu bedeutende» Unterbauten, Materialzufuhr, Arbeitslöhne u. s. w. kommen sehr hoch zu stehen. — Mit allen diesen Umständen hat es zweifelsohne seine Richtigkeit, allein die Thatsache bleibt bestehen, daß noch vieles fehlt, was zur Behaglichkeit des Daseins, zumal für .Kranke, notwendig wäre. Kanalisirung ist Wohl das dringendste Bedürfnis. Spaziergänge sind au¬ gelegt und werden fortwährend erweitert, reichen aber noch lange nicht aus. Die Landstraße ist sehr staubig, ein Strandweg ist in südlicher Richtung ungefähr halbwegs bis Ita geführt, der Fortsetzung gegen Bolvsea hin steht die Weigerung eines Villenbesitzers, den erforderlichen Grund abzutreten, ent¬ gegen. Einige Fußwege durch Lorber- und Eichengehölz sind zum Teil sehr angenehm, zum Teil steinig und beschwerlich, der zu dem Orte Beprinaz (mit weithin leuchtender Kirche und schöner Aussicht) steil und sonnig. Anhaltender Regen, wie er in diesem Frühjahr so häufig eintrat, macht fast alle Wege unbenützbar, da Pflasterung mit Steinplatten oder Klinkern nur in sehr ge¬ ringer Ausdehnung durchgeführt worden ist. Bei gutem Wetter entschädigen allerdings die Wasserfahrteu. Doch schon der Wind beschränkt auf die Parkpfade, denn nicht öffnen sich, wie beispielsweise in Mentone, zahlreiche Thäler in den verschiedenen Richtungen. Und wer bei ganz ungünstiger Witterung sich nicht in sein Zimmer einsperren will, hat nur die Wahl zwischen dem Kartenspiel im Kaffeehause und der Vertiefung in das Halbdutzend

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/280>, abgerufen am 05.02.2025.