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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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ich mich nicht weiter auslassen, nur will ich bemerken, daß bei den neuern
Dichtern, die in "Sang und Klang" berücksichtigt worden sind, beide Sammlungen
nicht häufig die gleichen Gedichte bringen, und daß ich als Kriterium für den
Wert der Auswahl in "Sang und Klang" das Herrn Avenarius Unverständliche
des Umstandes, daß z, B, von Baumbach achtzehn Gedichte, von Greif gar keins
nnfgeuommen wurden ist, sehr gern gelten lasse; auch, daß im besondern bei den
Baumbachscheu Gedichten "selber die Rücksicht aufs Backfischpubliknm" nicht der Grund
zur Aufnahme war. Eine kuriose Vermutung! Der kritische Standpunkt Storms
bei der Auswahl seines HanSbnchs war unzweifelhaft reifer als der des Herrn
Avenarius; Storms Anthologie ist gewiß ein gutes Buch, aber es steckt sich ganz
andre Grenzen als "Sang und Klang/' ist ein ganz andres Buch; hätte Storni
das machen wollen und gemacht, was ,,Sang und Klang" beabsichtigt, so wäre
I. G. diese Sammlung gar nicht von mir veranlaßt worden.


Zwei Zeilen,

die oft angeführt werden, im Ernst und vielleicht noch
häufiger im Scherz, bilden deu Anfang folgender Strophe:


Endlich blüht die Ales,
Endlich trägt der Ölbnum Früchte,
Endlich schweigt das bange Weh,
Endlich wird der Gram zu nichte,
Endlich sieln man FreudenllicU,
Endlich, endlich iviid einmal.

Die Strophe fehlt bei Büchmann, auch in der neuesten Ausgabe, sie fehlt in
Wustmanns Großvater- und Großmutterbuche, sie fehlt in Zenschners Citatenschatz,
sie fehlt auch im Grimmschen Wörterbuche, wo man sie jn unter Ölbaum recht
Wohl erwarten könnte. Sie klingt gniiz wie ans der Nomnntikerzeit. Kann jemand
Auskunft geben, wo sie herstammt, ob ans einem größern Gedichte, und wer der
Verfasser ist?




Litteratur
Licht! Was Keiner geahnt! Ein Buch für alle Germanen von H. H. G. F. Schliep.
Erster Teil. Alle geschlichen Rechte vorbehalten. München, Karl Achaten, 1888

Wer 3 Mk. L0 Pf. für die abenteuerlichsten Hirngespinste (oder sollte es ein
Fastnachtsscherz sein?) eines sonderbaren Schwärmers übrig hat, der darf sich vom
Lesen dieses tollen Wirrsals eines Sprachdilettantcn eine lustige Stunde ver¬
sprechen. Wir freilich, wenn wir lachen wollen, ziehen die Fliegenden Blätter
vor und bedauern den wohlgesinnten Verleger, daß er dieses Unglücksbuch der
Vergessenheit, d. h. dem Selbstverläge des Verfassers entrissen hat.

Ein Pröbchen zeige den Lesern, was trotz Bopp, Grimm und Curtius heute
uoch möglich ist. S. 44 steht zu lesen: Der Entstehungsstamm. Hohenzollern,
Wittelsbach, Hohenlohe und andre sind vom waltenden Stamme der Semanen.
Vom Entstchungsstamm (uri) sind die Württemberger Herzoge und Könige.
Wyrthenberg das verborgene Werden. Ihr Ursitz ist urach, d. i. Urgrund.


ich mich nicht weiter auslassen, nur will ich bemerken, daß bei den neuern
Dichtern, die in „Sang und Klang" berücksichtigt worden sind, beide Sammlungen
nicht häufig die gleichen Gedichte bringen, und daß ich als Kriterium für den
Wert der Auswahl in „Sang und Klang" das Herrn Avenarius Unverständliche
des Umstandes, daß z, B, von Baumbach achtzehn Gedichte, von Greif gar keins
nnfgeuommen wurden ist, sehr gern gelten lasse; auch, daß im besondern bei den
Baumbachscheu Gedichten „selber die Rücksicht aufs Backfischpubliknm" nicht der Grund
zur Aufnahme war. Eine kuriose Vermutung! Der kritische Standpunkt Storms
bei der Auswahl seines HanSbnchs war unzweifelhaft reifer als der des Herrn
Avenarius; Storms Anthologie ist gewiß ein gutes Buch, aber es steckt sich ganz
andre Grenzen als „Sang und Klang/' ist ein ganz andres Buch; hätte Storni
das machen wollen und gemacht, was ,,Sang und Klang" beabsichtigt, so wäre
I. G. diese Sammlung gar nicht von mir veranlaßt worden.


Zwei Zeilen,

die oft angeführt werden, im Ernst und vielleicht noch
häufiger im Scherz, bilden deu Anfang folgender Strophe:


Endlich blüht die Ales,
Endlich trägt der Ölbnum Früchte,
Endlich schweigt das bange Weh,
Endlich wird der Gram zu nichte,
Endlich sieln man FreudenllicU,
Endlich, endlich iviid einmal.

Die Strophe fehlt bei Büchmann, auch in der neuesten Ausgabe, sie fehlt in
Wustmanns Großvater- und Großmutterbuche, sie fehlt in Zenschners Citatenschatz,
sie fehlt auch im Grimmschen Wörterbuche, wo man sie jn unter Ölbaum recht
Wohl erwarten könnte. Sie klingt gniiz wie ans der Nomnntikerzeit. Kann jemand
Auskunft geben, wo sie herstammt, ob ans einem größern Gedichte, und wer der
Verfasser ist?




Litteratur
Licht! Was Keiner geahnt! Ein Buch für alle Germanen von H. H. G. F. Schliep.
Erster Teil. Alle geschlichen Rechte vorbehalten. München, Karl Achaten, 1888

Wer 3 Mk. L0 Pf. für die abenteuerlichsten Hirngespinste (oder sollte es ein
Fastnachtsscherz sein?) eines sonderbaren Schwärmers übrig hat, der darf sich vom
Lesen dieses tollen Wirrsals eines Sprachdilettantcn eine lustige Stunde ver¬
sprechen. Wir freilich, wenn wir lachen wollen, ziehen die Fliegenden Blätter
vor und bedauern den wohlgesinnten Verleger, daß er dieses Unglücksbuch der
Vergessenheit, d. h. dem Selbstverläge des Verfassers entrissen hat.

Ein Pröbchen zeige den Lesern, was trotz Bopp, Grimm und Curtius heute
uoch möglich ist. S. 44 steht zu lesen: Der Entstehungsstamm. Hohenzollern,
Wittelsbach, Hohenlohe und andre sind vom waltenden Stamme der Semanen.
Vom Entstchungsstamm (uri) sind die Württemberger Herzoge und Könige.
Wyrthenberg das verborgene Werden. Ihr Ursitz ist urach, d. i. Urgrund.


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[0247] ich mich nicht weiter auslassen, nur will ich bemerken, daß bei den neuern Dichtern, die in „Sang und Klang" berücksichtigt worden sind, beide Sammlungen nicht häufig die gleichen Gedichte bringen, und daß ich als Kriterium für den Wert der Auswahl in „Sang und Klang" das Herrn Avenarius Unverständliche des Umstandes, daß z, B, von Baumbach achtzehn Gedichte, von Greif gar keins nnfgeuommen wurden ist, sehr gern gelten lasse; auch, daß im besondern bei den Baumbachscheu Gedichten „selber die Rücksicht aufs Backfischpubliknm" nicht der Grund zur Aufnahme war. Eine kuriose Vermutung! Der kritische Standpunkt Storms bei der Auswahl seines HanSbnchs war unzweifelhaft reifer als der des Herrn Avenarius; Storms Anthologie ist gewiß ein gutes Buch, aber es steckt sich ganz andre Grenzen als „Sang und Klang/' ist ein ganz andres Buch; hätte Storni das machen wollen und gemacht, was ,,Sang und Klang" beabsichtigt, so wäre I. G. diese Sammlung gar nicht von mir veranlaßt worden. Zwei Zeilen, die oft angeführt werden, im Ernst und vielleicht noch häufiger im Scherz, bilden deu Anfang folgender Strophe: Endlich blüht die Ales, Endlich trägt der Ölbnum Früchte, Endlich schweigt das bange Weh, Endlich wird der Gram zu nichte, Endlich sieln man FreudenllicU, Endlich, endlich iviid einmal. Die Strophe fehlt bei Büchmann, auch in der neuesten Ausgabe, sie fehlt in Wustmanns Großvater- und Großmutterbuche, sie fehlt in Zenschners Citatenschatz, sie fehlt auch im Grimmschen Wörterbuche, wo man sie jn unter Ölbaum recht Wohl erwarten könnte. Sie klingt gniiz wie ans der Nomnntikerzeit. Kann jemand Auskunft geben, wo sie herstammt, ob ans einem größern Gedichte, und wer der Verfasser ist? Litteratur Licht! Was Keiner geahnt! Ein Buch für alle Germanen von H. H. G. F. Schliep. Erster Teil. Alle geschlichen Rechte vorbehalten. München, Karl Achaten, 1888 Wer 3 Mk. L0 Pf. für die abenteuerlichsten Hirngespinste (oder sollte es ein Fastnachtsscherz sein?) eines sonderbaren Schwärmers übrig hat, der darf sich vom Lesen dieses tollen Wirrsals eines Sprachdilettantcn eine lustige Stunde ver¬ sprechen. Wir freilich, wenn wir lachen wollen, ziehen die Fliegenden Blätter vor und bedauern den wohlgesinnten Verleger, daß er dieses Unglücksbuch der Vergessenheit, d. h. dem Selbstverläge des Verfassers entrissen hat. Ein Pröbchen zeige den Lesern, was trotz Bopp, Grimm und Curtius heute uoch möglich ist. S. 44 steht zu lesen: Der Entstehungsstamm. Hohenzollern, Wittelsbach, Hohenlohe und andre sind vom waltenden Stamme der Semanen. Vom Entstchungsstamm (uri) sind die Württemberger Herzoge und Könige. Wyrthenberg das verborgene Werden. Ihr Ursitz ist urach, d. i. Urgrund.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/247>, abgerufen am 05.02.2025.