Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.wiener Litteratur Hochschule erfolgreich gewirkt but, der in Wien gelehrte Werke von bleibendem Moritz Necker wiener Litteratur Hochschule erfolgreich gewirkt but, der in Wien gelehrte Werke von bleibendem Moritz Necker <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204973"/> <fw type="header" place="top"> wiener Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_630" prev="#ID_629"> Hochschule erfolgreich gewirkt but, der in Wien gelehrte Werke von bleibendem<lb/> Werte, wie seine vierhändige Geschichte der französischen Litteratur im siebzehnten<lb/> Jahrhundert, seine Lebensbeschreibungen Molieres und der Königin von Na-<lb/> varra und andre Bücher mehr geschrieben but, auch nicht mit einer Silbe<lb/> erwähnt worden ist. Der akademische Zopf, mit dem sich der Verstorbene sein<lb/> Leben lang herumschlagen mußte, hat ihm seinen Haß bis übers Grab hinaus<lb/> nachgetragen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste an dem Kapitel Robert<lb/> Zimmermanns. Weit nachteiliger ist es, daß diese Übersicht über die Litte¬<lb/> ratur in einem Knnzleidentsch mit bandwurmartigeu Sätzen voller Einschachte¬<lb/> lungen geschrieben ist, das selbst den geduldigsten Leser zur Verzweiflung<lb/> bringen kann. Ein Beispiel mag dies zeigen. S. 155 lautet ein Satz:<lb/> „Eine solche Litteraturgestnltung, der zum Teil hervorragenden Begabung<lb/> der Schriftsteller, die sich derselben anzuschließen durch die Ungunst der Zeit¬<lb/> verhältnisse genötigt waren oder freiwillig anschlössen, ungeachtet, konnte mit<lb/> der inzwischen hariptsüchlich infolge der Julirevolution seit den dreißiger Jahren<lb/> im übrigen Deutschland mächtig gewordenen politisch- und sozialreformatvrischcn<lb/> Geisterbewegung, deren Ausdruck auf dem Gebiete der Wissenschaft die Philo¬<lb/> sophie Hegels und seiner Schule, insbesondere des zum Äußersten ausschreitenden<lb/> linken Flügels derselben, ans litterarischem Gebiete, bis zum Beginne der vier¬<lb/> ziger Jahre, die durch Heine und Börne geistig befruchtete Schule des »jungen<lb/> Deutschlands«, seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. die von der<lb/> obsolet gewordenen Schwärmerei für Freiheit und Vaterland zum direkten<lb/> Angriff auf das Bestehende fortgeschrittene politische Richtung war, weder,<lb/> wie allerdings begreiflich, auch nur entfernt gleichen Schritt halten, noch in<lb/> ihrer notgedrungenen Farblosigkeit und ängstlichen Abschwüchung die Gunst<lb/> eines mit dem veränderten Geiste der Zeit innerlich umgewandelten und durch<lb/> den trotz der Grenzsperre fast zu reichliche» Genuß der verbotenen Früchte des<lb/> Auslandes verwöhnten Publikums gewinnen oder behaupten." Das ist eilt<lb/> einziger Satz! Zwischen Subjekt und Prädikat eine halbe Meile! Und so<lb/> geht es nicht etwa zufällig einmal oder mit Intervallen, nein, Druckbogen<lb/> laug fort. Eine Qual zu lesen! Es ist das um so bedauerlicher, als eine<lb/> znsnmmenfasfeude Litteraturgeschichte der Wiener gar nicht vorhanden ist und<lb/> eine fo günstige Gelegenheit, eine solche zu schaffen, nicht gleich wieder kommt.<lb/> Die Wiener Litteratur hat eben immer Pech, wenn ihr nicht von außen Ver¬<lb/> leger und Rezensenten zu Hilfe kommen.</p><lb/> <note type="byline"> Moritz Necker</note><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0242]
wiener Litteratur
Hochschule erfolgreich gewirkt but, der in Wien gelehrte Werke von bleibendem
Werte, wie seine vierhändige Geschichte der französischen Litteratur im siebzehnten
Jahrhundert, seine Lebensbeschreibungen Molieres und der Königin von Na-
varra und andre Bücher mehr geschrieben but, auch nicht mit einer Silbe
erwähnt worden ist. Der akademische Zopf, mit dem sich der Verstorbene sein
Leben lang herumschlagen mußte, hat ihm seinen Haß bis übers Grab hinaus
nachgetragen. Aber das ist noch nicht das Schlimmste an dem Kapitel Robert
Zimmermanns. Weit nachteiliger ist es, daß diese Übersicht über die Litte¬
ratur in einem Knnzleidentsch mit bandwurmartigeu Sätzen voller Einschachte¬
lungen geschrieben ist, das selbst den geduldigsten Leser zur Verzweiflung
bringen kann. Ein Beispiel mag dies zeigen. S. 155 lautet ein Satz:
„Eine solche Litteraturgestnltung, der zum Teil hervorragenden Begabung
der Schriftsteller, die sich derselben anzuschließen durch die Ungunst der Zeit¬
verhältnisse genötigt waren oder freiwillig anschlössen, ungeachtet, konnte mit
der inzwischen hariptsüchlich infolge der Julirevolution seit den dreißiger Jahren
im übrigen Deutschland mächtig gewordenen politisch- und sozialreformatvrischcn
Geisterbewegung, deren Ausdruck auf dem Gebiete der Wissenschaft die Philo¬
sophie Hegels und seiner Schule, insbesondere des zum Äußersten ausschreitenden
linken Flügels derselben, ans litterarischem Gebiete, bis zum Beginne der vier¬
ziger Jahre, die durch Heine und Börne geistig befruchtete Schule des »jungen
Deutschlands«, seit der Thronbesteigung Friedrich Wilhelms IV. die von der
obsolet gewordenen Schwärmerei für Freiheit und Vaterland zum direkten
Angriff auf das Bestehende fortgeschrittene politische Richtung war, weder,
wie allerdings begreiflich, auch nur entfernt gleichen Schritt halten, noch in
ihrer notgedrungenen Farblosigkeit und ängstlichen Abschwüchung die Gunst
eines mit dem veränderten Geiste der Zeit innerlich umgewandelten und durch
den trotz der Grenzsperre fast zu reichliche» Genuß der verbotenen Früchte des
Auslandes verwöhnten Publikums gewinnen oder behaupten." Das ist eilt
einziger Satz! Zwischen Subjekt und Prädikat eine halbe Meile! Und so
geht es nicht etwa zufällig einmal oder mit Intervallen, nein, Druckbogen
laug fort. Eine Qual zu lesen! Es ist das um so bedauerlicher, als eine
znsnmmenfasfeude Litteraturgeschichte der Wiener gar nicht vorhanden ist und
eine fo günstige Gelegenheit, eine solche zu schaffen, nicht gleich wieder kommt.
Die Wiener Litteratur hat eben immer Pech, wenn ihr nicht von außen Ver¬
leger und Rezensenten zu Hilfe kommen.
Moritz Necker
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