Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Wiener Litteratur chondrischer Dichter kounte eine solche Gestalt, die mit Grillpnrzers "armem In dieselbe Reihe der absonderlichen Fälle gehören auch die zwei andern Weitaus schmiegsamer und gewandter ist C. Karlweis, dem es auch nicht Wiener Litteratur chondrischer Dichter kounte eine solche Gestalt, die mit Grillpnrzers „armem In dieselbe Reihe der absonderlichen Fälle gehören auch die zwei andern Weitaus schmiegsamer und gewandter ist C. Karlweis, dem es auch nicht <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0234" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204965"/> <fw type="header" place="top"> Wiener Litteratur</fw><lb/> <p xml:id="ID_609" prev="#ID_608"> chondrischer Dichter kounte eine solche Gestalt, die mit Grillpnrzers „armem<lb/> Spielmann" nahe verwandt ist, schaffen. Die Tragödie Baaders nimmt nun<lb/> folgenden merkwürdigen Verlauf. In dem kleinen mährischen Städtchen, wo<lb/> Bacher sich als Schreiber bei einem Notar schlecht und recht untergebracht<lb/> hat, lebt er zufrieden und bescheiden mit seinem häßlichen Hunde T^.ubi. Die<lb/> Liebe zu diesem Tiere giebt dem schwachen Bacher die einzige Lebensstütze:<lb/> etwas muß man doch lieben. Das Tier hat Jägerblut in sich, es wird un¬<lb/> bändig, wenn es, mit seinem Herrn im Freien wandernd, ein Häslein auf¬<lb/> spürt und ihm nachjagt. Es zu erziehen, zu bändigen vermag jedoch Bacher<lb/> nicht, obwohl er es ans Klugheit thun sollte, deun er besitzt ja kein Jagdrecht.<lb/> An der ungebändigten Natur Tambis hat Bacher seine Freude. Nun aber<lb/> kommts, wie es vorauszusehen war: Tambi wird vom Förster angeschossen,<lb/> er verendet, und mit seinem Tode ist die letzte sittliche Kraft Baaders dahin.<lb/> Er geht, nachdem er sich dem Trunke ergeben hat, bei einer Überschwemmung<lb/> unter. In der Technik ist diese Novelle ähnlich dem „Seligmanu Hirsch" ge¬<lb/> halten. Dem Dichter selbst eröffnet sich der Charakter in gesprächiger Mit¬<lb/> teilsamkeit; daneben wird durch Mitteilungen ein Licht von andrer Seite auf ihn<lb/> geworfen, und in dieser Weise wird runde Körperlichkeit gewonnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_610"> In dieselbe Reihe der absonderlichen Fälle gehören auch die zwei andern<lb/> Novellen des jüngsten Bandes: „Leutnant Burda," eine Soldatengeschichte, und<lb/> die „Troglodytiu," wieder das Bild eines merkwürdigen weiblichen Wesens.<lb/> Die letztere ist reich an Stimmung und tief in der Charakteristik, während es<lb/> dem „Leutnant Burda" an dem notwendigen Zusatz von Humor fehlt, mit<lb/> dem solche Narren geschildert werden sollen. Saars Begabung entbehrt leider<lb/> gänzlich des Humors.</p><lb/> <p xml:id="ID_611" next="#ID_612"> Weitaus schmiegsamer und gewandter ist C. Karlweis, dem es auch nicht<lb/> an Humor mangelt, wie sich dies an seinem jüngst mit freundlichem Erfolge<lb/> im Burgtheater gespielten Lustspiel „Bruder Hans" gezeigt hat. Aber es ist<lb/> die Schmiegsamkeit und Gewandtheit des Talentes von geringerer Kraft; er<lb/> schreibt mehr, weil er weniger hohe Anforderungen an sich stellt, er ist we¬<lb/> niger spröde, weil er sich nicht um ein Mehr oder Weniger von Ursprünglich¬<lb/> keit kümmert, er ist fruchtbarer, weil er nicht in einer einzigen kleinen No¬<lb/> velle seinen ganzen Menschen ausgeben will. Ein formgewandter Schriftsteller,<lb/> der viel und gut nachempfinden kann, ein anmutiges Naturell, das ist Karl¬<lb/> weis. Ein eklektisches Herumtasten in den verschiednen Stilgattungen der mo¬<lb/> dernen Erzählung weist sein letztes Buch auf: Geschichten aus Stadt und<lb/> Dorf, Novellen und Skizzen (Stuttgart, Bonz, 188V). Seinen eignen Stil<lb/> hat Karlweis noch nicht. Er hat sehr artige Einfälle, wie z. B. den von der<lb/> „lustigen Wirtin," deren glockenhelles Lachen Gäste ins Haus lockt, ihr selbst<lb/> aber zum Verhängnis wird; der Schluß dieser Geschichte läuft ganz unnötiger¬<lb/> weise in die naturalistische Gosse aus, worauf sie ganz und gar nicht angelegt</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0234]
Wiener Litteratur
chondrischer Dichter kounte eine solche Gestalt, die mit Grillpnrzers „armem
Spielmann" nahe verwandt ist, schaffen. Die Tragödie Baaders nimmt nun
folgenden merkwürdigen Verlauf. In dem kleinen mährischen Städtchen, wo
Bacher sich als Schreiber bei einem Notar schlecht und recht untergebracht
hat, lebt er zufrieden und bescheiden mit seinem häßlichen Hunde T^.ubi. Die
Liebe zu diesem Tiere giebt dem schwachen Bacher die einzige Lebensstütze:
etwas muß man doch lieben. Das Tier hat Jägerblut in sich, es wird un¬
bändig, wenn es, mit seinem Herrn im Freien wandernd, ein Häslein auf¬
spürt und ihm nachjagt. Es zu erziehen, zu bändigen vermag jedoch Bacher
nicht, obwohl er es ans Klugheit thun sollte, deun er besitzt ja kein Jagdrecht.
An der ungebändigten Natur Tambis hat Bacher seine Freude. Nun aber
kommts, wie es vorauszusehen war: Tambi wird vom Förster angeschossen,
er verendet, und mit seinem Tode ist die letzte sittliche Kraft Baaders dahin.
Er geht, nachdem er sich dem Trunke ergeben hat, bei einer Überschwemmung
unter. In der Technik ist diese Novelle ähnlich dem „Seligmanu Hirsch" ge¬
halten. Dem Dichter selbst eröffnet sich der Charakter in gesprächiger Mit¬
teilsamkeit; daneben wird durch Mitteilungen ein Licht von andrer Seite auf ihn
geworfen, und in dieser Weise wird runde Körperlichkeit gewonnen.
In dieselbe Reihe der absonderlichen Fälle gehören auch die zwei andern
Novellen des jüngsten Bandes: „Leutnant Burda," eine Soldatengeschichte, und
die „Troglodytiu," wieder das Bild eines merkwürdigen weiblichen Wesens.
Die letztere ist reich an Stimmung und tief in der Charakteristik, während es
dem „Leutnant Burda" an dem notwendigen Zusatz von Humor fehlt, mit
dem solche Narren geschildert werden sollen. Saars Begabung entbehrt leider
gänzlich des Humors.
Weitaus schmiegsamer und gewandter ist C. Karlweis, dem es auch nicht
an Humor mangelt, wie sich dies an seinem jüngst mit freundlichem Erfolge
im Burgtheater gespielten Lustspiel „Bruder Hans" gezeigt hat. Aber es ist
die Schmiegsamkeit und Gewandtheit des Talentes von geringerer Kraft; er
schreibt mehr, weil er weniger hohe Anforderungen an sich stellt, er ist we¬
niger spröde, weil er sich nicht um ein Mehr oder Weniger von Ursprünglich¬
keit kümmert, er ist fruchtbarer, weil er nicht in einer einzigen kleinen No¬
velle seinen ganzen Menschen ausgeben will. Ein formgewandter Schriftsteller,
der viel und gut nachempfinden kann, ein anmutiges Naturell, das ist Karl¬
weis. Ein eklektisches Herumtasten in den verschiednen Stilgattungen der mo¬
dernen Erzählung weist sein letztes Buch auf: Geschichten aus Stadt und
Dorf, Novellen und Skizzen (Stuttgart, Bonz, 188V). Seinen eignen Stil
hat Karlweis noch nicht. Er hat sehr artige Einfälle, wie z. B. den von der
„lustigen Wirtin," deren glockenhelles Lachen Gäste ins Haus lockt, ihr selbst
aber zum Verhängnis wird; der Schluß dieser Geschichte läuft ganz unnötiger¬
weise in die naturalistische Gosse aus, worauf sie ganz und gar nicht angelegt
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