Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Ader so geistreich diese Ausführungen sind und so sehr sie durch eine Mit Unrecht aber hat man gemeint, die philosophische Fakultät habe ehe¬ *) Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten I, S. 265 ff.
Ader so geistreich diese Ausführungen sind und so sehr sie durch eine Mit Unrecht aber hat man gemeint, die philosophische Fakultät habe ehe¬ *) Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten I, S. 265 ff.
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0223" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204954"/> <fw type="header" place="top"/><lb/> <p xml:id="ID_578"> Ader so geistreich diese Ausführungen sind und so sehr sie durch eine<lb/> gewisse feine Ironie anmuten, sie entbehren doch der Begründung und werden<lb/> widerlegt durch einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung der betreffenden<lb/> Institutionen. Denn nach dem streng geregelten Lehr- und Lernbetriebe der<lb/> mittelalterliche» Universitäten hies; und war die philosophische Fakultät die<lb/> untere einfach deshalb, weil sie, abgesehen von den in ihr verfolgten besondern<lb/> wissenschaftlichen Zwecken, allen, die sich dem Studium der Theologie, der<lb/> Jurisprudenz oder der Medizin widmen wollten, die nötige allgemeine Vor¬<lb/> bildung und geistige Schulung gab. Man mußte erst durch einen mehrjährige»<lb/> philosophischen Kursus hindurchgegangen sei», ehe man zu der besondern Bil¬<lb/> dung für den erwählten Beruf zugelassen wurde.") Die Bezeichnung als<lb/> untere Fakultät entbehrte also ursprünglich jedes Übeln Nebellsinns: sie wollte<lb/> nichts weiter sagen, als daß die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem eng<lb/> begrenzten und auf praktische Thätigkeit zugeschnittenen Bernfsstndium im<lb/> Interesse eben dieses Berufs selbst erst gestattet werden könne auf Grund des<lb/> Nachweises einer gewissen allgemeinen Bildung. Nicht als minderwertig im<lb/> Vergleich mit den andern Fakultäten sollte die philosophische bezeichnet sein:<lb/> man erkannte sie vielmehr an als berufen, breit und fest das Fundament zu<lb/> legen, dessen der Bau des Specialfaches, wenn er wohlgefügt und harmonisch<lb/> aufgeführt worden sollte, nicht entbehren konnte.</p><lb/> <p xml:id="ID_579"> Mit Unrecht aber hat man gemeint, die philosophische Fakultät habe ehe¬<lb/> mals die Stellung eingenvmmc», in der wir bellte die zur Universität vor¬<lb/> bereitende» höheren Lehranstalten finden. Das trifft schon deshalb nicht zu,<lb/> weil damals die Zulassung zu einer obern Fakultät meist bedingt war durch<lb/> den Nachweis des philosophischen Magistergrades, der nicht selten wiederum<lb/> eine mehrjährige Lehrthätigkeit in der philosophischen Fakultät voraussetzte.<lb/> Die Philosophen, oder wie sie damals benannt wurden, die Artisten sollte»<lb/> lind wollten keinem besondern Beruf dienen und verzichteten von vornherein aus<lb/> Übermittelung eines bestimmten Maßes von Kenntnissen zu praktischer Ver¬<lb/> wertung im Leben. Deshalb hat Papst Innocenz IV. sie einmal geradezu als<lb/> die Vertreter der „wahren Wissenschaft" bezeichnet, weil sie diese nur um ihrer<lb/> selbst willen trieben. Das traf aber much insofern zu, als die Artistenfakultät<lb/> mnerhnlb der Universitäten überhaupt die Trägerin des allgemeinen wissen¬<lb/> schaftlichen Lebens war: alle die große» Geisteskämpfe, die für die Entwicklung<lb/> der wissenschaftlichen Prinzipien und die Vervollkommnung der Methoden ent¬<lb/> scheidend wurden, sind in ihr, vou ihre» Gliedern, mit ihren Waffen aus-<lb/> gefvchte» worden, vo» ihr habe» die andern Fakultäten die leitende» allge¬<lb/> meinen Gesichtspunkte und die ihre Forschung regelnden allgemeinen Gesetze<lb/> nnpfangen.</p><lb/> <note xml:id="FID_24" place="foot"> *) Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten I, S. 265 ff.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0223]
Ader so geistreich diese Ausführungen sind und so sehr sie durch eine
gewisse feine Ironie anmuten, sie entbehren doch der Begründung und werden
widerlegt durch einen Blick auf die geschichtliche Entwicklung der betreffenden
Institutionen. Denn nach dem streng geregelten Lehr- und Lernbetriebe der
mittelalterliche» Universitäten hies; und war die philosophische Fakultät die
untere einfach deshalb, weil sie, abgesehen von den in ihr verfolgten besondern
wissenschaftlichen Zwecken, allen, die sich dem Studium der Theologie, der
Jurisprudenz oder der Medizin widmen wollten, die nötige allgemeine Vor¬
bildung und geistige Schulung gab. Man mußte erst durch einen mehrjährige»
philosophischen Kursus hindurchgegangen sei», ehe man zu der besondern Bil¬
dung für den erwählten Beruf zugelassen wurde.") Die Bezeichnung als
untere Fakultät entbehrte also ursprünglich jedes Übeln Nebellsinns: sie wollte
nichts weiter sagen, als daß die wissenschaftliche Beschäftigung mit einem eng
begrenzten und auf praktische Thätigkeit zugeschnittenen Bernfsstndium im
Interesse eben dieses Berufs selbst erst gestattet werden könne auf Grund des
Nachweises einer gewissen allgemeinen Bildung. Nicht als minderwertig im
Vergleich mit den andern Fakultäten sollte die philosophische bezeichnet sein:
man erkannte sie vielmehr an als berufen, breit und fest das Fundament zu
legen, dessen der Bau des Specialfaches, wenn er wohlgefügt und harmonisch
aufgeführt worden sollte, nicht entbehren konnte.
Mit Unrecht aber hat man gemeint, die philosophische Fakultät habe ehe¬
mals die Stellung eingenvmmc», in der wir bellte die zur Universität vor¬
bereitende» höheren Lehranstalten finden. Das trifft schon deshalb nicht zu,
weil damals die Zulassung zu einer obern Fakultät meist bedingt war durch
den Nachweis des philosophischen Magistergrades, der nicht selten wiederum
eine mehrjährige Lehrthätigkeit in der philosophischen Fakultät voraussetzte.
Die Philosophen, oder wie sie damals benannt wurden, die Artisten sollte»
lind wollten keinem besondern Beruf dienen und verzichteten von vornherein aus
Übermittelung eines bestimmten Maßes von Kenntnissen zu praktischer Ver¬
wertung im Leben. Deshalb hat Papst Innocenz IV. sie einmal geradezu als
die Vertreter der „wahren Wissenschaft" bezeichnet, weil sie diese nur um ihrer
selbst willen trieben. Das traf aber much insofern zu, als die Artistenfakultät
mnerhnlb der Universitäten überhaupt die Trägerin des allgemeinen wissen¬
schaftlichen Lebens war: alle die große» Geisteskämpfe, die für die Entwicklung
der wissenschaftlichen Prinzipien und die Vervollkommnung der Methoden ent¬
scheidend wurden, sind in ihr, vou ihre» Gliedern, mit ihren Waffen aus-
gefvchte» worden, vo» ihr habe» die andern Fakultäten die leitende» allge¬
meinen Gesichtspunkte und die ihre Forschung regelnden allgemeinen Gesetze
nnpfangen.
*) Vgl. Kaufmann, Geschichte der deutschen Universitäten I, S. 265 ff.
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |