Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Maßgebliches und Unmaßgebliches gearbeitet hat; im wesentlichen wenigstens ist das Alter das Merkmal, das bei dein Ein großer Gewerbetreibender, ein Fabrikherr, kann unter heutigen wirtschaft¬ Grenzboten II 1889 24
Maßgebliches und Unmaßgebliches gearbeitet hat; im wesentlichen wenigstens ist das Alter das Merkmal, das bei dein Ein großer Gewerbetreibender, ein Fabrikherr, kann unter heutigen wirtschaft¬ Grenzboten II 1889 24
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0193" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204924"/> <fw type="header" place="top"> Maßgebliches und Unmaßgebliches</fw><lb/> <p xml:id="ID_466" prev="#ID_465"> gearbeitet hat; im wesentlichen wenigstens ist das Alter das Merkmal, das bei dein<lb/> Aufrücken von den niedrigsten zu den obersten Stufen den Ausschlag giebt. Dieser<lb/> Grundsatz ist uuter den erwähnten Voraussetzungen aber auch durchaus richtig,<lb/> denu je enger sich ein Beruf abschließt, um so mehr beruht der größere Einfluß<lb/> in ihm auf der Envcrbnug bestimmter engbegrenzter Fachkenntnisse, die am Ende<lb/> fast jeder erlernen kann, wenn er nur lauge genug in diesem Berufe bleibt.<lb/> Diese Zustände finden sich nahezu rein bei den Zünften; etwas ähnliches aber war<lb/> es, wenn in den engen Verhältnissen deutscher Kleinstaaten vor 18ö(> ein Aufrücken<lb/> von den niedrigsten Stufen einer bestimmten Beamtenklasse bis zu den höhern<lb/> nicht völlig, aber doch hauptsächlich nach dein Alter geschah; etwas ähnliches ist es,<lb/> wenn auch jetzt noch bei einzelnen ausländischen Armeen ein Aufrücken von den<lb/> untersten Stufen, den Unteroffizierstellen, nach den höhern, den Offizierstellen, statt¬<lb/> finden kann; hier ist der Grund nicht in engen staatlichen Verhältnissen, sondern<lb/> in der weniger wissenschaftlichen als vielmehr handwerksmäßigen, also sachlich engen<lb/> Auffassung dieses Berufes zu suche». Überall in solchen Fällen ist das Merkmal,<lb/> das bei der Beförderung maßgebend ist, eine mehr oder wenig engherzig aufgefaßte<lb/> höhere Fachvildung; es wird mithin ganz folgerichtig im wesentlichen das höhere<lb/> Alter zu den höhern Stellen berufen. Ganz anders ist es da, wo die Abschließung<lb/> und Trennung der Berufsarten aufgehört hat; da fallen die höhern Stellen nicht<lb/> denen zu, die eine genauere Fachbildung durchgemacht haben, sondern denen, die<lb/> neben der letztern noch eine höhere allgemeine Bildung besitzen; die genauere Fach,<lb/> bildung bleibt lediglich innerhalb der untern Stellungen dieses Berufes der aus¬<lb/> schließliche Maßstab bei der Beförderung innerhalb dieses begrenzten Raumes.<lb/> Man erkennt nun, wo die Ursache für die derzeitigen Mißstände in den höhern<lb/> Beamtenlaufbahnen zu suchen ist: obwohl unter den heutigen staatlichen und wirt¬<lb/> schaftlichen Verhältnissen die hauptsächlich erforderliche Eigenschaft bei allen höhern<lb/> Berufsstellungen die höhere allgemeine und nicht die genanere Fachbildung ist, be¬<lb/> stehen trotzdem z, B. für die Vorbildung der höhern Beamten Vorschriften, die<lb/> eine mehr oder weniger einseitige Fachvorarbcit verlangen. Die ganz selbstverständ¬<lb/> liche Folge ist, daß sich in diese Stellungen Leute hineinzudrängen versuchen, die<lb/> zwar die ausdrücklich bestehenden Vorschriften über die Beamtcnvorbilduug crfüNcu<lb/> können, nicht aber die thatsächliche, stillschweigende, aber hauptsächliche Bedingung,<lb/> eine höhere allgemeine Bildung als der Durchschnitt zu besitzen. Ganz das Gleiche<lb/> gilt für die Unterscheidung zwischen höhern und niedern Stellungen in andern<lb/> Beruf-Zarten, und für diese wollen wir es zunächst an einzelnen Beispielen erläutern.</p><lb/> <p xml:id="ID_467" next="#ID_468"> Ein großer Gewerbetreibender, ein Fabrikherr, kann unter heutigen wirtschaft¬<lb/> lichen und gesellschaftlichen Verhältnissen seine Stellung auf die Dauer nicht aus¬<lb/> füllen, wenn er nur eine der in seiner Fabrik erforderlichen und Anwendung<lb/> sindenden handwerksmäßigen Fertigkeiten in besonders vorzüglichen Maße versteht;<lb/> auch nicht, wenn er sie alle versteht und also im Notfalle jeden seiner Arbeiter<lb/> ersetzen könnte und es vielleicht dann noch besser machte als dieser. Er muß<lb/> zwar mich das bis zu einem gewissen Grade können, aber es ist nicht die Haupt¬<lb/> sache, Die Hauptsache ist, daß er neben den bei seiner Fabrikation wich¬<lb/> tigsten technischen Wissenschaften anch die Absatzverhältnisse seines Fabrikations-<lb/> artike s kennt und die wirtschaftlichen Umstände übersieht, die bei seinem Fabrikativns-<lb/> artitel und in den Absatzgebieten desselben bestehen. Aber dies alles würde auch<lb/> noch nicht genügen, sondern der Fabrikherr muß vor allem geistig höher stehen<lb/> als seine Arbeiter, damit er diese leiten kann und sie sich auch wirklich von ihm<lb/> leiten lassen. Mit andern Worten, er muß eine höhere allgemeine Bildung haben</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten II 1889 24</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0193]
Maßgebliches und Unmaßgebliches
gearbeitet hat; im wesentlichen wenigstens ist das Alter das Merkmal, das bei dein
Aufrücken von den niedrigsten zu den obersten Stufen den Ausschlag giebt. Dieser
Grundsatz ist uuter den erwähnten Voraussetzungen aber auch durchaus richtig,
denu je enger sich ein Beruf abschließt, um so mehr beruht der größere Einfluß
in ihm auf der Envcrbnug bestimmter engbegrenzter Fachkenntnisse, die am Ende
fast jeder erlernen kann, wenn er nur lauge genug in diesem Berufe bleibt.
Diese Zustände finden sich nahezu rein bei den Zünften; etwas ähnliches aber war
es, wenn in den engen Verhältnissen deutscher Kleinstaaten vor 18ö(> ein Aufrücken
von den niedrigsten Stufen einer bestimmten Beamtenklasse bis zu den höhern
nicht völlig, aber doch hauptsächlich nach dein Alter geschah; etwas ähnliches ist es,
wenn auch jetzt noch bei einzelnen ausländischen Armeen ein Aufrücken von den
untersten Stufen, den Unteroffizierstellen, nach den höhern, den Offizierstellen, statt¬
finden kann; hier ist der Grund nicht in engen staatlichen Verhältnissen, sondern
in der weniger wissenschaftlichen als vielmehr handwerksmäßigen, also sachlich engen
Auffassung dieses Berufes zu suche». Überall in solchen Fällen ist das Merkmal,
das bei der Beförderung maßgebend ist, eine mehr oder wenig engherzig aufgefaßte
höhere Fachvildung; es wird mithin ganz folgerichtig im wesentlichen das höhere
Alter zu den höhern Stellen berufen. Ganz anders ist es da, wo die Abschließung
und Trennung der Berufsarten aufgehört hat; da fallen die höhern Stellen nicht
denen zu, die eine genauere Fachbildung durchgemacht haben, sondern denen, die
neben der letztern noch eine höhere allgemeine Bildung besitzen; die genauere Fach,
bildung bleibt lediglich innerhalb der untern Stellungen dieses Berufes der aus¬
schließliche Maßstab bei der Beförderung innerhalb dieses begrenzten Raumes.
Man erkennt nun, wo die Ursache für die derzeitigen Mißstände in den höhern
Beamtenlaufbahnen zu suchen ist: obwohl unter den heutigen staatlichen und wirt¬
schaftlichen Verhältnissen die hauptsächlich erforderliche Eigenschaft bei allen höhern
Berufsstellungen die höhere allgemeine und nicht die genanere Fachbildung ist, be¬
stehen trotzdem z, B. für die Vorbildung der höhern Beamten Vorschriften, die
eine mehr oder weniger einseitige Fachvorarbcit verlangen. Die ganz selbstverständ¬
liche Folge ist, daß sich in diese Stellungen Leute hineinzudrängen versuchen, die
zwar die ausdrücklich bestehenden Vorschriften über die Beamtcnvorbilduug crfüNcu
können, nicht aber die thatsächliche, stillschweigende, aber hauptsächliche Bedingung,
eine höhere allgemeine Bildung als der Durchschnitt zu besitzen. Ganz das Gleiche
gilt für die Unterscheidung zwischen höhern und niedern Stellungen in andern
Beruf-Zarten, und für diese wollen wir es zunächst an einzelnen Beispielen erläutern.
Ein großer Gewerbetreibender, ein Fabrikherr, kann unter heutigen wirtschaft¬
lichen und gesellschaftlichen Verhältnissen seine Stellung auf die Dauer nicht aus¬
füllen, wenn er nur eine der in seiner Fabrik erforderlichen und Anwendung
sindenden handwerksmäßigen Fertigkeiten in besonders vorzüglichen Maße versteht;
auch nicht, wenn er sie alle versteht und also im Notfalle jeden seiner Arbeiter
ersetzen könnte und es vielleicht dann noch besser machte als dieser. Er muß
zwar mich das bis zu einem gewissen Grade können, aber es ist nicht die Haupt¬
sache, Die Hauptsache ist, daß er neben den bei seiner Fabrikation wich¬
tigsten technischen Wissenschaften anch die Absatzverhältnisse seines Fabrikations-
artike s kennt und die wirtschaftlichen Umstände übersieht, die bei seinem Fabrikativns-
artitel und in den Absatzgebieten desselben bestehen. Aber dies alles würde auch
noch nicht genügen, sondern der Fabrikherr muß vor allem geistig höher stehen
als seine Arbeiter, damit er diese leiten kann und sie sich auch wirklich von ihm
leiten lassen. Mit andern Worten, er muß eine höhere allgemeine Bildung haben
Grenzboten II 1889 24
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