Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Der Uanonenkönig und sein Reich

und Krupp mußte das Silberzeug seiner Familie verkaufen, um seine Leute
bezahlen zu können. Inzwischen hatte er sich durch fleißiges Studium der
Litteratur seines Fachs, durch Verkehr mit deutschen Technikern und Fabrikanten
sowie durch Reisen in England weiter gebildet, und ans Grundlage seiner Kenntnisse
kam er dnrch unermüdliches Nachdenken und Versuchen auf den Gedanken, der
ihn später den ersten und größten Erfindern feines Zeitalters anreihen sollte.
Gegenüber dem zu wenig zähen Gußeisen und der zu weichen Bronze glaubte
er bei der Herstellung von Geschützrohren dem Stahle den Vorzug geben zu
müssen, und ein Dreipfüuderrvhr, das er 1847 in Berlin zur Prüfung ein¬
reichte, sowie das Rohr eines Sechspfüuders, das er 1850 folgen ließ, be¬
stätigte seiue Ansicht. Das letztere wurde von der Firma auf die erste Lon¬
doner Weltausstellung geschickt und allgemein bewundert, noch mehr aber der
2000 Kilogramm wiegende Gußstahlblock, der es begleitete. Gußstahl hatte
man schon längst in England dargestellt, aber noch niemals war es gelungen,
ihn in so gewaltigen Blöcken anzufertigen. Die Essener Fabrik war inzwischen
wieder bedeutend gewachsen; sie beschäftigte 1852 schon 340 Arbeiter und wurde
um ein neues großes Hammerwerk, dnrch ein Walzwerk und eine mechanische
Werkstätte erweitert. Zugleich stellte sie von diesem Jahre an in Gußstahl-
nchsen für Eisenbahnen und Dampfschiffe, durch welche die bis dahin häufig
vorgekommnen Brüche vermieden wurden, ein neues Fabrikat her, das später
unter ihren Erzeugnissen einen hohen Rang eiuunhm. Vou außerordentlicher
Bedeutung war für Krupp das Patent, das ihm die preußische Regierung
am 21. März 1853 auf ein neues Verfahren, Radbeschläge aus Gußstnhl
ohne Schweißuug herzustellen, erteilte. Dieses Verfahren, wieder seiue eigenste
Idee und geradezu eine epochemachende Erfindung, hatte auch ungewöhnlichen
materiellen Erfolg: es brachte, bald in allen Kulturstaaten patentirt, damals
fast unerhörten Gewinn, der dem Erfinder zunächst gestattete, allen von ihm
in Zeiten der Not eingegangenen Verbindlichkeiten nachzukommen, dann ihm
für lange Zeit die Mittel lieferte, fernere Versuche mit neuen Ideen anzustellen.
Die Pariser Weltausstellung von 1855 beschickte die Firma u.a. mit einem Gnß-
ftahlblvck, der 5000 Kilogramm, also mehr als doppelt soviel als der früher von
ihr nach London gesandte, wog, sowie mit einer zwölfpfündige" Granatkanone,
die von einer Kommission französischer Offiziere geprüft und sehr haltbar be¬
funden wurde. Die Folge war, daß auch Rußland, Holland, Württemberg,
Hannover, Österreich, Spanien und England Schießprvben mit den Essener Guß-
stahlgeschützen vornahmen, und daß Ägypten eine Anzahl bestellte. Die Fabrik
entwickelte sich von jetzt an rascher als je vorher. 1856 betrug die Zahl ihrer
Arbeiter schon 970, ihr Besitzstand an Areal 14 Hektare, ihre Produktion an
Gußstahl 5"/^ Millionen Pfund. Die allgemeine Handelskrisis von 1857 be¬
rührte die Kruppscheu Werke nnr wenig. Von größter Wichtigkeit für sie war
es dagegen, daß 1859 die Einführung des 9-Centimetergeschützes Krupps in


Der Uanonenkönig und sein Reich

und Krupp mußte das Silberzeug seiner Familie verkaufen, um seine Leute
bezahlen zu können. Inzwischen hatte er sich durch fleißiges Studium der
Litteratur seines Fachs, durch Verkehr mit deutschen Technikern und Fabrikanten
sowie durch Reisen in England weiter gebildet, und ans Grundlage seiner Kenntnisse
kam er dnrch unermüdliches Nachdenken und Versuchen auf den Gedanken, der
ihn später den ersten und größten Erfindern feines Zeitalters anreihen sollte.
Gegenüber dem zu wenig zähen Gußeisen und der zu weichen Bronze glaubte
er bei der Herstellung von Geschützrohren dem Stahle den Vorzug geben zu
müssen, und ein Dreipfüuderrvhr, das er 1847 in Berlin zur Prüfung ein¬
reichte, sowie das Rohr eines Sechspfüuders, das er 1850 folgen ließ, be¬
stätigte seiue Ansicht. Das letztere wurde von der Firma auf die erste Lon¬
doner Weltausstellung geschickt und allgemein bewundert, noch mehr aber der
2000 Kilogramm wiegende Gußstahlblock, der es begleitete. Gußstahl hatte
man schon längst in England dargestellt, aber noch niemals war es gelungen,
ihn in so gewaltigen Blöcken anzufertigen. Die Essener Fabrik war inzwischen
wieder bedeutend gewachsen; sie beschäftigte 1852 schon 340 Arbeiter und wurde
um ein neues großes Hammerwerk, dnrch ein Walzwerk und eine mechanische
Werkstätte erweitert. Zugleich stellte sie von diesem Jahre an in Gußstahl-
nchsen für Eisenbahnen und Dampfschiffe, durch welche die bis dahin häufig
vorgekommnen Brüche vermieden wurden, ein neues Fabrikat her, das später
unter ihren Erzeugnissen einen hohen Rang eiuunhm. Vou außerordentlicher
Bedeutung war für Krupp das Patent, das ihm die preußische Regierung
am 21. März 1853 auf ein neues Verfahren, Radbeschläge aus Gußstnhl
ohne Schweißuug herzustellen, erteilte. Dieses Verfahren, wieder seiue eigenste
Idee und geradezu eine epochemachende Erfindung, hatte auch ungewöhnlichen
materiellen Erfolg: es brachte, bald in allen Kulturstaaten patentirt, damals
fast unerhörten Gewinn, der dem Erfinder zunächst gestattete, allen von ihm
in Zeiten der Not eingegangenen Verbindlichkeiten nachzukommen, dann ihm
für lange Zeit die Mittel lieferte, fernere Versuche mit neuen Ideen anzustellen.
Die Pariser Weltausstellung von 1855 beschickte die Firma u.a. mit einem Gnß-
ftahlblvck, der 5000 Kilogramm, also mehr als doppelt soviel als der früher von
ihr nach London gesandte, wog, sowie mit einer zwölfpfündige» Granatkanone,
die von einer Kommission französischer Offiziere geprüft und sehr haltbar be¬
funden wurde. Die Folge war, daß auch Rußland, Holland, Württemberg,
Hannover, Österreich, Spanien und England Schießprvben mit den Essener Guß-
stahlgeschützen vornahmen, und daß Ägypten eine Anzahl bestellte. Die Fabrik
entwickelte sich von jetzt an rascher als je vorher. 1856 betrug die Zahl ihrer
Arbeiter schon 970, ihr Besitzstand an Areal 14 Hektare, ihre Produktion an
Gußstahl 5»/^ Millionen Pfund. Die allgemeine Handelskrisis von 1857 be¬
rührte die Kruppscheu Werke nnr wenig. Von größter Wichtigkeit für sie war
es dagegen, daß 1859 die Einführung des 9-Centimetergeschützes Krupps in


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0019" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204750"/>
          <fw type="header" place="top"> Der Uanonenkönig und sein Reich</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_30" prev="#ID_29" next="#ID_31"> und Krupp mußte das Silberzeug seiner Familie verkaufen, um seine Leute<lb/>
bezahlen zu können. Inzwischen hatte er sich durch fleißiges Studium der<lb/>
Litteratur seines Fachs, durch Verkehr mit deutschen Technikern und Fabrikanten<lb/>
sowie durch Reisen in England weiter gebildet, und ans Grundlage seiner Kenntnisse<lb/>
kam er dnrch unermüdliches Nachdenken und Versuchen auf den Gedanken, der<lb/>
ihn später den ersten und größten Erfindern feines Zeitalters anreihen sollte.<lb/>
Gegenüber dem zu wenig zähen Gußeisen und der zu weichen Bronze glaubte<lb/>
er bei der Herstellung von Geschützrohren dem Stahle den Vorzug geben zu<lb/>
müssen, und ein Dreipfüuderrvhr, das er 1847 in Berlin zur Prüfung ein¬<lb/>
reichte, sowie das Rohr eines Sechspfüuders, das er 1850 folgen ließ, be¬<lb/>
stätigte seiue Ansicht. Das letztere wurde von der Firma auf die erste Lon¬<lb/>
doner Weltausstellung geschickt und allgemein bewundert, noch mehr aber der<lb/>
2000 Kilogramm wiegende Gußstahlblock, der es begleitete. Gußstahl hatte<lb/>
man schon längst in England dargestellt, aber noch niemals war es gelungen,<lb/>
ihn in so gewaltigen Blöcken anzufertigen. Die Essener Fabrik war inzwischen<lb/>
wieder bedeutend gewachsen; sie beschäftigte 1852 schon 340 Arbeiter und wurde<lb/>
um ein neues großes Hammerwerk, dnrch ein Walzwerk und eine mechanische<lb/>
Werkstätte erweitert. Zugleich stellte sie von diesem Jahre an in Gußstahl-<lb/>
nchsen für Eisenbahnen und Dampfschiffe, durch welche die bis dahin häufig<lb/>
vorgekommnen Brüche vermieden wurden, ein neues Fabrikat her, das später<lb/>
unter ihren Erzeugnissen einen hohen Rang eiuunhm. Vou außerordentlicher<lb/>
Bedeutung war für Krupp das Patent, das ihm die preußische Regierung<lb/>
am 21. März 1853 auf ein neues Verfahren, Radbeschläge aus Gußstnhl<lb/>
ohne Schweißuug herzustellen, erteilte. Dieses Verfahren, wieder seiue eigenste<lb/>
Idee und geradezu eine epochemachende Erfindung, hatte auch ungewöhnlichen<lb/>
materiellen Erfolg: es brachte, bald in allen Kulturstaaten patentirt, damals<lb/>
fast unerhörten Gewinn, der dem Erfinder zunächst gestattete, allen von ihm<lb/>
in Zeiten der Not eingegangenen Verbindlichkeiten nachzukommen, dann ihm<lb/>
für lange Zeit die Mittel lieferte, fernere Versuche mit neuen Ideen anzustellen.<lb/>
Die Pariser Weltausstellung von 1855 beschickte die Firma u.a. mit einem Gnß-<lb/>
ftahlblvck, der 5000 Kilogramm, also mehr als doppelt soviel als der früher von<lb/>
ihr nach London gesandte, wog, sowie mit einer zwölfpfündige» Granatkanone,<lb/>
die von einer Kommission französischer Offiziere geprüft und sehr haltbar be¬<lb/>
funden wurde. Die Folge war, daß auch Rußland, Holland, Württemberg,<lb/>
Hannover, Österreich, Spanien und England Schießprvben mit den Essener Guß-<lb/>
stahlgeschützen vornahmen, und daß Ägypten eine Anzahl bestellte. Die Fabrik<lb/>
entwickelte sich von jetzt an rascher als je vorher. 1856 betrug die Zahl ihrer<lb/>
Arbeiter schon 970, ihr Besitzstand an Areal 14 Hektare, ihre Produktion an<lb/>
Gußstahl 5»/^ Millionen Pfund. Die allgemeine Handelskrisis von 1857 be¬<lb/>
rührte die Kruppscheu Werke nnr wenig. Von größter Wichtigkeit für sie war<lb/>
es dagegen, daß 1859 die Einführung des 9-Centimetergeschützes Krupps in</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0019] Der Uanonenkönig und sein Reich und Krupp mußte das Silberzeug seiner Familie verkaufen, um seine Leute bezahlen zu können. Inzwischen hatte er sich durch fleißiges Studium der Litteratur seines Fachs, durch Verkehr mit deutschen Technikern und Fabrikanten sowie durch Reisen in England weiter gebildet, und ans Grundlage seiner Kenntnisse kam er dnrch unermüdliches Nachdenken und Versuchen auf den Gedanken, der ihn später den ersten und größten Erfindern feines Zeitalters anreihen sollte. Gegenüber dem zu wenig zähen Gußeisen und der zu weichen Bronze glaubte er bei der Herstellung von Geschützrohren dem Stahle den Vorzug geben zu müssen, und ein Dreipfüuderrvhr, das er 1847 in Berlin zur Prüfung ein¬ reichte, sowie das Rohr eines Sechspfüuders, das er 1850 folgen ließ, be¬ stätigte seiue Ansicht. Das letztere wurde von der Firma auf die erste Lon¬ doner Weltausstellung geschickt und allgemein bewundert, noch mehr aber der 2000 Kilogramm wiegende Gußstahlblock, der es begleitete. Gußstahl hatte man schon längst in England dargestellt, aber noch niemals war es gelungen, ihn in so gewaltigen Blöcken anzufertigen. Die Essener Fabrik war inzwischen wieder bedeutend gewachsen; sie beschäftigte 1852 schon 340 Arbeiter und wurde um ein neues großes Hammerwerk, dnrch ein Walzwerk und eine mechanische Werkstätte erweitert. Zugleich stellte sie von diesem Jahre an in Gußstahl- nchsen für Eisenbahnen und Dampfschiffe, durch welche die bis dahin häufig vorgekommnen Brüche vermieden wurden, ein neues Fabrikat her, das später unter ihren Erzeugnissen einen hohen Rang eiuunhm. Vou außerordentlicher Bedeutung war für Krupp das Patent, das ihm die preußische Regierung am 21. März 1853 auf ein neues Verfahren, Radbeschläge aus Gußstnhl ohne Schweißuug herzustellen, erteilte. Dieses Verfahren, wieder seiue eigenste Idee und geradezu eine epochemachende Erfindung, hatte auch ungewöhnlichen materiellen Erfolg: es brachte, bald in allen Kulturstaaten patentirt, damals fast unerhörten Gewinn, der dem Erfinder zunächst gestattete, allen von ihm in Zeiten der Not eingegangenen Verbindlichkeiten nachzukommen, dann ihm für lange Zeit die Mittel lieferte, fernere Versuche mit neuen Ideen anzustellen. Die Pariser Weltausstellung von 1855 beschickte die Firma u.a. mit einem Gnß- ftahlblvck, der 5000 Kilogramm, also mehr als doppelt soviel als der früher von ihr nach London gesandte, wog, sowie mit einer zwölfpfündige» Granatkanone, die von einer Kommission französischer Offiziere geprüft und sehr haltbar be¬ funden wurde. Die Folge war, daß auch Rußland, Holland, Württemberg, Hannover, Österreich, Spanien und England Schießprvben mit den Essener Guß- stahlgeschützen vornahmen, und daß Ägypten eine Anzahl bestellte. Die Fabrik entwickelte sich von jetzt an rascher als je vorher. 1856 betrug die Zahl ihrer Arbeiter schon 970, ihr Besitzstand an Areal 14 Hektare, ihre Produktion an Gußstahl 5»/^ Millionen Pfund. Die allgemeine Handelskrisis von 1857 be¬ rührte die Kruppscheu Werke nnr wenig. Von größter Wichtigkeit für sie war es dagegen, daß 1859 die Einführung des 9-Centimetergeschützes Krupps in

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/19
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/19>, abgerufen am 05.02.2025.