Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha fahr beseitigt. Doch blieb eine zweite Angst zu beschwichtigen, die nur die Im Jahre 1854 trat der Schwabe Gustav Diezel, "ein sonderbares Ge¬ Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha fahr beseitigt. Doch blieb eine zweite Angst zu beschwichtigen, die nur die Im Jahre 1854 trat der Schwabe Gustav Diezel, „ein sonderbares Ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0171" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204902"/> <fw type="header" place="top"> Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha</fw><lb/> <p xml:id="ID_420" prev="#ID_419"> fahr beseitigt. Doch blieb eine zweite Angst zu beschwichtigen, die nur die<lb/> Großmut sächsischer Staatsmänner oder ihre Neigung, die Preußen zu ärgern<lb/> oder auch ihr Wunsch, besser als sie zu erscheinen, wegzuräumen vermochte.<lb/> Es war möglich, daß der Hofrat Freytag in Leipzig, wenn er sich dort auf¬<lb/> hielt, auf Requisition der preußischen Polizei ausgeliefert wurde, da zwischen<lb/> Sachsen und Preußen Verträge bestanden, deren Wortlaut eine für Frehtag<lb/> bedenkliche Auslegung zuließ. Auch hier sprang der Herzog rettend ein, indem<lb/> er sich mit der Bitte an Beust wandte, in seinem Bereiche nicht die Hand zur<lb/> Auslieferung des Verfassers von politischen Artikeln zu liefern, gegen die die<lb/> sächsischen Gerichte nichts eingewendet hätten. Ein gutes Wort findet eine<lb/> gute Statt, und fo nahm „wirklich der sächsische Minister, dessen russenfreund¬<lb/> liche Gesinnung freilich nur wenig mit Freytags Thätigkeit übereinstimmte,<lb/> die Gelegenheit gern wahr, Sachsens Regierungsgrundsätze gegen die von<lb/> Preußen in Helles Licht zu stellen."</p><lb/> <p xml:id="ID_421" next="#ID_422"> Im Jahre 1854 trat der Schwabe Gustav Diezel, „ein sonderbares Ge¬<lb/> misch von Heißsporn und Realpolitiker", Demokrat, Rnssenfeind, damals als<lb/> Verfasser von Flugschriften viel genannt, zum Herzoge und dessen Verein in<lb/> Beziehung, desgleichen näherten sich ihm Gerstäcker, Hederich, Meißner und später<lb/> Fischel, auch ein fruchtbarer Publizist. „Es geschah vieles im Sinne und zur<lb/> Verbreitung uativunler Grundsätze. Es erschienen noch manche Broschüren<lb/> und Volksbücher, um sowohl der herrschenden Reaktion als auch den fort¬<lb/> dauernden demokratischen Bewegungen entgegen zu treten. Ueberall war man<lb/> von dem geheimen Einflüsse des Cvbnrger Vereins auf die politische Tages¬<lb/> literatur überzeugt, ohne daß man die Möglichkeit sah, mit Erfolg dagegen<lb/> einzuschreiten. Die einflußreiche Partei in Berlin entschloß sich, meine Person<lb/> direkt anzugreifen, um deu Kampf gegen den geheimen Verein nachher wirksamer<lb/> betreiben zu können. So wurden mannichfaltige Anstrengungen gemacht, um<lb/> meine Stellung und meine Beziehungen zu Friedrich Wilhelm IV. zu unter¬<lb/> graben. Ich war daher gar nicht überrascht, als ich erfuhr, daß dem Könige<lb/> Briefe mitgeteilt worden waren, die angeblich von meiner Hand geschrieben<lb/> waren, und in denen meine loyale und gerechte Opposition gegen das dort herrschende<lb/> System in der That das erlaubte Maß weit überschritten hätte, wenn sie nicht<lb/> den Fehler gehabt hätten, unecht zu sein." Der Herzog wußte den Fälscher<lb/> ausfindig zu machen und brachte, nachdem dieser ihm seine Schuld gestanden<lb/> hatte, seine Sache mit dein König ins Reine, wobei er übrigens fand, daß<lb/> dieser von der Existenz des Vereins und dessen Thätigkeit durch eine Person,<lb/> einen Advokaten oder städtischen Beamten ^in Gotha sehr wohl unterrichtet<lb/> war. Einige Monate später fiel Manteuffel beim König in Ungnade, und<lb/> zur Zeit des Pariser Kongresses rüstete sich die Bethmann-Hollwegsche Partei,<lb/> das Erbe des Ministers anzutreten. Nicht ohne Grund aber bemerkt dieser,<lb/> die Herren seien im Irrtume; denn wenn der König ihn entließe, würde er</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0171]
Aus den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Koburg-Gotha
fahr beseitigt. Doch blieb eine zweite Angst zu beschwichtigen, die nur die
Großmut sächsischer Staatsmänner oder ihre Neigung, die Preußen zu ärgern
oder auch ihr Wunsch, besser als sie zu erscheinen, wegzuräumen vermochte.
Es war möglich, daß der Hofrat Freytag in Leipzig, wenn er sich dort auf¬
hielt, auf Requisition der preußischen Polizei ausgeliefert wurde, da zwischen
Sachsen und Preußen Verträge bestanden, deren Wortlaut eine für Frehtag
bedenkliche Auslegung zuließ. Auch hier sprang der Herzog rettend ein, indem
er sich mit der Bitte an Beust wandte, in seinem Bereiche nicht die Hand zur
Auslieferung des Verfassers von politischen Artikeln zu liefern, gegen die die
sächsischen Gerichte nichts eingewendet hätten. Ein gutes Wort findet eine
gute Statt, und fo nahm „wirklich der sächsische Minister, dessen russenfreund¬
liche Gesinnung freilich nur wenig mit Freytags Thätigkeit übereinstimmte,
die Gelegenheit gern wahr, Sachsens Regierungsgrundsätze gegen die von
Preußen in Helles Licht zu stellen."
Im Jahre 1854 trat der Schwabe Gustav Diezel, „ein sonderbares Ge¬
misch von Heißsporn und Realpolitiker", Demokrat, Rnssenfeind, damals als
Verfasser von Flugschriften viel genannt, zum Herzoge und dessen Verein in
Beziehung, desgleichen näherten sich ihm Gerstäcker, Hederich, Meißner und später
Fischel, auch ein fruchtbarer Publizist. „Es geschah vieles im Sinne und zur
Verbreitung uativunler Grundsätze. Es erschienen noch manche Broschüren
und Volksbücher, um sowohl der herrschenden Reaktion als auch den fort¬
dauernden demokratischen Bewegungen entgegen zu treten. Ueberall war man
von dem geheimen Einflüsse des Cvbnrger Vereins auf die politische Tages¬
literatur überzeugt, ohne daß man die Möglichkeit sah, mit Erfolg dagegen
einzuschreiten. Die einflußreiche Partei in Berlin entschloß sich, meine Person
direkt anzugreifen, um deu Kampf gegen den geheimen Verein nachher wirksamer
betreiben zu können. So wurden mannichfaltige Anstrengungen gemacht, um
meine Stellung und meine Beziehungen zu Friedrich Wilhelm IV. zu unter¬
graben. Ich war daher gar nicht überrascht, als ich erfuhr, daß dem Könige
Briefe mitgeteilt worden waren, die angeblich von meiner Hand geschrieben
waren, und in denen meine loyale und gerechte Opposition gegen das dort herrschende
System in der That das erlaubte Maß weit überschritten hätte, wenn sie nicht
den Fehler gehabt hätten, unecht zu sein." Der Herzog wußte den Fälscher
ausfindig zu machen und brachte, nachdem dieser ihm seine Schuld gestanden
hatte, seine Sache mit dein König ins Reine, wobei er übrigens fand, daß
dieser von der Existenz des Vereins und dessen Thätigkeit durch eine Person,
einen Advokaten oder städtischen Beamten ^in Gotha sehr wohl unterrichtet
war. Einige Monate später fiel Manteuffel beim König in Ungnade, und
zur Zeit des Pariser Kongresses rüstete sich die Bethmann-Hollwegsche Partei,
das Erbe des Ministers anzutreten. Nicht ohne Grund aber bemerkt dieser,
die Herren seien im Irrtume; denn wenn der König ihn entließe, würde er
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