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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Litteratur

schöner gewesen, Dus Beste kommt aber noch, "Was die Kurmethvden betrifft,
so kommen die vier physikalisch-diätetischen Heilfaktoren (!) in Anwendung: Wasser
in allen Formen und Graden, manuelle (!) Massage- und Heilgymnastik als er¬
gänzendes Element (!) für die Wasserkur, ein nicht zu unterschätzender Heilfaktvr,
Licht und Luft in Gestalt von Luft- und Sonnenbädern, endlig -- tuo last, not
t.do Ivast, (lange nicht gelesen!) eine Diät, die sich genau den zu behandelnden
Krankheiten anpaßt und unter deren Formen namentlich die Negenerationsdiät eine
Spezialität (!) der Anstalt ist," Na, wenn dus nicht zieht! hat der Verfertiger dieser
Reklame zum Besitzer des Hospitales gesagt, als er fertig war, dann mach die
Bude zu, dann zieht überhaupt nichts. In vernünftiges Deutsch übersetzt heißt
das Ganze weiter nichts, als: In meiner Heilanstalt wende ich vier Mittel an:
Wasser, Kneten oder Turnen, Faullenzen und Vorsicht im Essen und Trinken.
Das siud aber vier so gewöhnliche Dinge, daß kein Mensch darauf anbeißen
würde. Also müssens die Fremdwörter thun.

Dahin müssen wir unser Volk bringen, daß es den Fremdwörteruufug, der
auf die Unmündigen berechnet ist, durchschaut. Der eine nennt es "physiatrisches
Sanatorium," der andre "physikalisch-diätetische Kuranstalt" -- Wasserdoktvrei ist
beides, und etwas "Massage" könnte ihnen beiden selbst nichts schaden, aber nicht
"manuelle," sondern "pednle," zur Belohnung für ihre schnöde Fremdwörterei.




Litteratur

Dialcktg edichte. Sammlung von Dichtungen in allen deutschen Mundarten, nebst poetischen
Proben aus dem Alt-, Mittel' und neudeutschen, sowie der germanischen Schwestcespracheu.
Herausgegeben von Hermann Welcker, Professor an der Universität Halle. Zweite ver-
besserte und vermehrte Auslage von "Die (!) deutschen Mundarten im Liede." Leipzig,
Brockhaus, 1889.

Schade, daß das Titelblatt dieser schönen Sammlung lebendigen Sprachgutes
vou dem trefflichen Höllischem Ethnologen (als der sich der Herausgeber nunmehr
entpuppt) durch die häßliche "papierene" Wortfügung verunstaltet wird, die wir
uus oben anzukreiden verpflichtet fühlten. Eine Empfehlung des Buches ist nicht
mehr nötig. Es würde sich nicht eingebürgert haben, wenn es nicht alleu und jedem
in den deutschen Gauen etwas Liebes gebracht hätte. Auch die angehängte Aus¬
wahl aus der alten Dichtung tadeln wir nicht. In den Dialekten pulsirt das Zu¬
sammengehörigkeitsgefühl der Sprache am allermächtigsteu. Das gilt für Zeit und
für Raum; denn auch den außerdeutschen germanischen Sprachstimmen ist hier ihr
Plätzchen am deutschen Herde eingeräumt.





In einem Teile der Auflage dieses Heftes ist falsch stehen geblieben aus Seite 1VS,
. I" v. v. "von einer" statt: vou mir; S. 110, Z. 2 v. u. 5000 sinkt 1S000; S- 112,
. 22 v. u. "die einmal erteilten" statt: der einmal erteilten.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck w" Carl Margnart in Leipzig
Litteratur

schöner gewesen, Dus Beste kommt aber noch, „Was die Kurmethvden betrifft,
so kommen die vier physikalisch-diätetischen Heilfaktoren (!) in Anwendung: Wasser
in allen Formen und Graden, manuelle (!) Massage- und Heilgymnastik als er¬
gänzendes Element (!) für die Wasserkur, ein nicht zu unterschätzender Heilfaktvr,
Licht und Luft in Gestalt von Luft- und Sonnenbädern, endlig — tuo last, not
t.do Ivast, (lange nicht gelesen!) eine Diät, die sich genau den zu behandelnden
Krankheiten anpaßt und unter deren Formen namentlich die Negenerationsdiät eine
Spezialität (!) der Anstalt ist," Na, wenn dus nicht zieht! hat der Verfertiger dieser
Reklame zum Besitzer des Hospitales gesagt, als er fertig war, dann mach die
Bude zu, dann zieht überhaupt nichts. In vernünftiges Deutsch übersetzt heißt
das Ganze weiter nichts, als: In meiner Heilanstalt wende ich vier Mittel an:
Wasser, Kneten oder Turnen, Faullenzen und Vorsicht im Essen und Trinken.
Das siud aber vier so gewöhnliche Dinge, daß kein Mensch darauf anbeißen
würde. Also müssens die Fremdwörter thun.

Dahin müssen wir unser Volk bringen, daß es den Fremdwörteruufug, der
auf die Unmündigen berechnet ist, durchschaut. Der eine nennt es „physiatrisches
Sanatorium," der andre „physikalisch-diätetische Kuranstalt" — Wasserdoktvrei ist
beides, und etwas „Massage" könnte ihnen beiden selbst nichts schaden, aber nicht
„manuelle," sondern „pednle," zur Belohnung für ihre schnöde Fremdwörterei.




Litteratur

Dialcktg edichte. Sammlung von Dichtungen in allen deutschen Mundarten, nebst poetischen
Proben aus dem Alt-, Mittel' und neudeutschen, sowie der germanischen Schwestcespracheu.
Herausgegeben von Hermann Welcker, Professor an der Universität Halle. Zweite ver-
besserte und vermehrte Auslage von „Die (!) deutschen Mundarten im Liede." Leipzig,
Brockhaus, 1889.

Schade, daß das Titelblatt dieser schönen Sammlung lebendigen Sprachgutes
vou dem trefflichen Höllischem Ethnologen (als der sich der Herausgeber nunmehr
entpuppt) durch die häßliche „papierene" Wortfügung verunstaltet wird, die wir
uus oben anzukreiden verpflichtet fühlten. Eine Empfehlung des Buches ist nicht
mehr nötig. Es würde sich nicht eingebürgert haben, wenn es nicht alleu und jedem
in den deutschen Gauen etwas Liebes gebracht hätte. Auch die angehängte Aus¬
wahl aus der alten Dichtung tadeln wir nicht. In den Dialekten pulsirt das Zu¬
sammengehörigkeitsgefühl der Sprache am allermächtigsteu. Das gilt für Zeit und
für Raum; denn auch den außerdeutschen germanischen Sprachstimmen ist hier ihr
Plätzchen am deutschen Herde eingeräumt.





In einem Teile der Auflage dieses Heftes ist falsch stehen geblieben aus Seite 1VS,
. I« v. v. „von einer" statt: vou mir; S. 110, Z. 2 v. u. 5000 sinkt 1S000; S- 112,
. 22 v. u. „die einmal erteilten" statt: der einmal erteilten.




Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck w» Carl Margnart in Leipzig
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[0152] Litteratur schöner gewesen, Dus Beste kommt aber noch, „Was die Kurmethvden betrifft, so kommen die vier physikalisch-diätetischen Heilfaktoren (!) in Anwendung: Wasser in allen Formen und Graden, manuelle (!) Massage- und Heilgymnastik als er¬ gänzendes Element (!) für die Wasserkur, ein nicht zu unterschätzender Heilfaktvr, Licht und Luft in Gestalt von Luft- und Sonnenbädern, endlig — tuo last, not t.do Ivast, (lange nicht gelesen!) eine Diät, die sich genau den zu behandelnden Krankheiten anpaßt und unter deren Formen namentlich die Negenerationsdiät eine Spezialität (!) der Anstalt ist," Na, wenn dus nicht zieht! hat der Verfertiger dieser Reklame zum Besitzer des Hospitales gesagt, als er fertig war, dann mach die Bude zu, dann zieht überhaupt nichts. In vernünftiges Deutsch übersetzt heißt das Ganze weiter nichts, als: In meiner Heilanstalt wende ich vier Mittel an: Wasser, Kneten oder Turnen, Faullenzen und Vorsicht im Essen und Trinken. Das siud aber vier so gewöhnliche Dinge, daß kein Mensch darauf anbeißen würde. Also müssens die Fremdwörter thun. Dahin müssen wir unser Volk bringen, daß es den Fremdwörteruufug, der auf die Unmündigen berechnet ist, durchschaut. Der eine nennt es „physiatrisches Sanatorium," der andre „physikalisch-diätetische Kuranstalt" — Wasserdoktvrei ist beides, und etwas „Massage" könnte ihnen beiden selbst nichts schaden, aber nicht „manuelle," sondern „pednle," zur Belohnung für ihre schnöde Fremdwörterei. Litteratur Dialcktg edichte. Sammlung von Dichtungen in allen deutschen Mundarten, nebst poetischen Proben aus dem Alt-, Mittel' und neudeutschen, sowie der germanischen Schwestcespracheu. Herausgegeben von Hermann Welcker, Professor an der Universität Halle. Zweite ver- besserte und vermehrte Auslage von „Die (!) deutschen Mundarten im Liede." Leipzig, Brockhaus, 1889. Schade, daß das Titelblatt dieser schönen Sammlung lebendigen Sprachgutes vou dem trefflichen Höllischem Ethnologen (als der sich der Herausgeber nunmehr entpuppt) durch die häßliche „papierene" Wortfügung verunstaltet wird, die wir uus oben anzukreiden verpflichtet fühlten. Eine Empfehlung des Buches ist nicht mehr nötig. Es würde sich nicht eingebürgert haben, wenn es nicht alleu und jedem in den deutschen Gauen etwas Liebes gebracht hätte. Auch die angehängte Aus¬ wahl aus der alten Dichtung tadeln wir nicht. In den Dialekten pulsirt das Zu¬ sammengehörigkeitsgefühl der Sprache am allermächtigsteu. Das gilt für Zeit und für Raum; denn auch den außerdeutschen germanischen Sprachstimmen ist hier ihr Plätzchen am deutschen Herde eingeräumt. In einem Teile der Auflage dieses Heftes ist falsch stehen geblieben aus Seite 1VS, . I« v. v. „von einer" statt: vou mir; S. 110, Z. 2 v. u. 5000 sinkt 1S000; S- 112, . 22 v. u. „die einmal erteilten" statt: der einmal erteilten. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck w» Carl Margnart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/152>, abgerufen am 05.02.2025.