Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite

ganz harmlos und der Verdacht der französischen Gewalthaber nicht völlig
grundlos gewesen sei. Jedenfalls wünschte und versuchte er um Kriege gegen
Frankreich teilzunehmen und fand sich im August 1813, leider ungerufen, bei
dein schwedischen Heere ein. Damit gab er Neidern und Ohrenbläsern neuen
Anlaß, ihm bei dem Kronprinzen Karl Johann zu schaden, er mußte ans
Befehl des Kronprinzen in Berlin zurückbleiben, während die Schweden mit
der Nordarmee der Entscheidungsschlacht bei Leipzig zuzogen und sich dann
nordwärts zur Besiegung Dänemarks wandten. Daß der reizbare und ties-
gekräntte Mann unter diesen Umständen, die anch seine äußere Lebenslage
völlig zu zerrütten drohten, erbittert und ungerecht sogar gegen die treue
Gefährtin seines Lebens ward, ist nur zu erklärlich. Er warf ihr Eigen¬
mächtigkeit und Unweiblichkeit in ihrem Verkehr und Briefwechsel mit Schrift¬
stellern, Malern und Verlegern vor, er vergaß, daß Amaliens Fürsorge und
Arbeit während dieser schweren Jahre hauptsächlich die Familie erhalten hatte,
er widersetzte sich der von ihr geplanten Rückkehr nach Schweden. Er hoffte
auf Anstellung im preußischen oder russischen Dienst, während er noch nicht
einmal seinen regelrechten Abschied ans schwedischen hatte. Er befand sich
offenbar in einem Zustande hoher Erregung, der es der Frau zur Pflicht
machte, für ihn zu handeln und eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen.
Da Helwig sich unbedingt weigerte, nach Stockholm zurückzugehen, entschloß
sich Amalie die Betreibung der Angelegenheiten dort, die Geltendmachung seiner
berechtigten Forderungen und Peusivnsansprnche, die Auslösung des schwedischen
Haushalts, den Verkauf der Bibliothek und des wertvolleren Eigentums, in
die Hand zu nehmen. Im Sommer 1814, bald nach dem ersten Pariser
Frieden, finden wir sie wieder ans schwedischen Boden. Zwei Jahre verweilte
sie in Stockholm und ordnete mit weiblicher Klugheit und gutem Takt die
Verworrenheit, die der Gemahl bei seiner übereilten Abreise nach Deutschland
hinter sich gelassen hatte. Sie hatte die Genugthuung, daß ihr aus allen,,
was zu ordnen lind materiell zu opfern war, die Ehrenhaftigkeit und Uneigen-
nützigkeit ihres Mannes entgegentrat. Gleichzeitig fand sich auch Helwig selbst
wieder, er erkannte, daß er der treuen Gattin schwere Kränkung bereitet habe,
er würdigte ihre Umsicht und Thätigkeit und schrieb ihr im September 1814:
"Mein unerschütterlicher Glaube ist, daß du alles, was ich dir übergeben habe,
vollkommen und besser ausrichten wirst, als ich es zu thun im Staude wäre,
daß du mir stets nur die volle Wahrheit berichte" wirst und nichts versäumen
was zur Bewachung meiner Rechte nötig ist. Ich verspreche hingegen ans
meine Ehre, daß ich mich weder mündlich noch schriftlich in allen diesen An¬
gelegenheiten an eine andre Vermittlung in Schweden wenden werde, als nur
an dich allein und mit jedem deiner Schritte einverstanden sein will."

Helwigs Wunsch ging dahin, als geborner Pommer bei der Übergabe von
schwedisch Pommern an Preußen in preußische Dienste zu treten. Trotz der


ganz harmlos und der Verdacht der französischen Gewalthaber nicht völlig
grundlos gewesen sei. Jedenfalls wünschte und versuchte er um Kriege gegen
Frankreich teilzunehmen und fand sich im August 1813, leider ungerufen, bei
dein schwedischen Heere ein. Damit gab er Neidern und Ohrenbläsern neuen
Anlaß, ihm bei dem Kronprinzen Karl Johann zu schaden, er mußte ans
Befehl des Kronprinzen in Berlin zurückbleiben, während die Schweden mit
der Nordarmee der Entscheidungsschlacht bei Leipzig zuzogen und sich dann
nordwärts zur Besiegung Dänemarks wandten. Daß der reizbare und ties-
gekräntte Mann unter diesen Umständen, die anch seine äußere Lebenslage
völlig zu zerrütten drohten, erbittert und ungerecht sogar gegen die treue
Gefährtin seines Lebens ward, ist nur zu erklärlich. Er warf ihr Eigen¬
mächtigkeit und Unweiblichkeit in ihrem Verkehr und Briefwechsel mit Schrift¬
stellern, Malern und Verlegern vor, er vergaß, daß Amaliens Fürsorge und
Arbeit während dieser schweren Jahre hauptsächlich die Familie erhalten hatte,
er widersetzte sich der von ihr geplanten Rückkehr nach Schweden. Er hoffte
auf Anstellung im preußischen oder russischen Dienst, während er noch nicht
einmal seinen regelrechten Abschied ans schwedischen hatte. Er befand sich
offenbar in einem Zustande hoher Erregung, der es der Frau zur Pflicht
machte, für ihn zu handeln und eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen.
Da Helwig sich unbedingt weigerte, nach Stockholm zurückzugehen, entschloß
sich Amalie die Betreibung der Angelegenheiten dort, die Geltendmachung seiner
berechtigten Forderungen und Peusivnsansprnche, die Auslösung des schwedischen
Haushalts, den Verkauf der Bibliothek und des wertvolleren Eigentums, in
die Hand zu nehmen. Im Sommer 1814, bald nach dem ersten Pariser
Frieden, finden wir sie wieder ans schwedischen Boden. Zwei Jahre verweilte
sie in Stockholm und ordnete mit weiblicher Klugheit und gutem Takt die
Verworrenheit, die der Gemahl bei seiner übereilten Abreise nach Deutschland
hinter sich gelassen hatte. Sie hatte die Genugthuung, daß ihr aus allen,,
was zu ordnen lind materiell zu opfern war, die Ehrenhaftigkeit und Uneigen-
nützigkeit ihres Mannes entgegentrat. Gleichzeitig fand sich auch Helwig selbst
wieder, er erkannte, daß er der treuen Gattin schwere Kränkung bereitet habe,
er würdigte ihre Umsicht und Thätigkeit und schrieb ihr im September 1814:
„Mein unerschütterlicher Glaube ist, daß du alles, was ich dir übergeben habe,
vollkommen und besser ausrichten wirst, als ich es zu thun im Staude wäre,
daß du mir stets nur die volle Wahrheit berichte» wirst und nichts versäumen
was zur Bewachung meiner Rechte nötig ist. Ich verspreche hingegen ans
meine Ehre, daß ich mich weder mündlich noch schriftlich in allen diesen An¬
gelegenheiten an eine andre Vermittlung in Schweden wenden werde, als nur
an dich allein und mit jedem deiner Schritte einverstanden sein will."

Helwigs Wunsch ging dahin, als geborner Pommer bei der Übergabe von
schwedisch Pommern an Preußen in preußische Dienste zu treten. Trotz der


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0146" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204877"/>
          <fw type="header" place="top"/><lb/>
          <p xml:id="ID_355" prev="#ID_354"> ganz harmlos und der Verdacht der französischen Gewalthaber nicht völlig<lb/>
grundlos gewesen sei. Jedenfalls wünschte und versuchte er um Kriege gegen<lb/>
Frankreich teilzunehmen und fand sich im August 1813, leider ungerufen, bei<lb/>
dein schwedischen Heere ein. Damit gab er Neidern und Ohrenbläsern neuen<lb/>
Anlaß, ihm bei dem Kronprinzen Karl Johann zu schaden, er mußte ans<lb/>
Befehl des Kronprinzen in Berlin zurückbleiben, während die Schweden mit<lb/>
der Nordarmee der Entscheidungsschlacht bei Leipzig zuzogen und sich dann<lb/>
nordwärts zur Besiegung Dänemarks wandten. Daß der reizbare und ties-<lb/>
gekräntte Mann unter diesen Umständen, die anch seine äußere Lebenslage<lb/>
völlig zu zerrütten drohten, erbittert und ungerecht sogar gegen die treue<lb/>
Gefährtin seines Lebens ward, ist nur zu erklärlich. Er warf ihr Eigen¬<lb/>
mächtigkeit und Unweiblichkeit in ihrem Verkehr und Briefwechsel mit Schrift¬<lb/>
stellern, Malern und Verlegern vor, er vergaß, daß Amaliens Fürsorge und<lb/>
Arbeit während dieser schweren Jahre hauptsächlich die Familie erhalten hatte,<lb/>
er widersetzte sich der von ihr geplanten Rückkehr nach Schweden. Er hoffte<lb/>
auf Anstellung im preußischen oder russischen Dienst, während er noch nicht<lb/>
einmal seinen regelrechten Abschied ans schwedischen hatte. Er befand sich<lb/>
offenbar in einem Zustande hoher Erregung, der es der Frau zur Pflicht<lb/>
machte, für ihn zu handeln und eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen.<lb/>
Da Helwig sich unbedingt weigerte, nach Stockholm zurückzugehen, entschloß<lb/>
sich Amalie die Betreibung der Angelegenheiten dort, die Geltendmachung seiner<lb/>
berechtigten Forderungen und Peusivnsansprnche, die Auslösung des schwedischen<lb/>
Haushalts, den Verkauf der Bibliothek und des wertvolleren Eigentums, in<lb/>
die Hand zu nehmen. Im Sommer 1814, bald nach dem ersten Pariser<lb/>
Frieden, finden wir sie wieder ans schwedischen Boden. Zwei Jahre verweilte<lb/>
sie in Stockholm und ordnete mit weiblicher Klugheit und gutem Takt die<lb/>
Verworrenheit, die der Gemahl bei seiner übereilten Abreise nach Deutschland<lb/>
hinter sich gelassen hatte. Sie hatte die Genugthuung, daß ihr aus allen,,<lb/>
was zu ordnen lind materiell zu opfern war, die Ehrenhaftigkeit und Uneigen-<lb/>
nützigkeit ihres Mannes entgegentrat. Gleichzeitig fand sich auch Helwig selbst<lb/>
wieder, er erkannte, daß er der treuen Gattin schwere Kränkung bereitet habe,<lb/>
er würdigte ihre Umsicht und Thätigkeit und schrieb ihr im September 1814:<lb/>
&#x201E;Mein unerschütterlicher Glaube ist, daß du alles, was ich dir übergeben habe,<lb/>
vollkommen und besser ausrichten wirst, als ich es zu thun im Staude wäre,<lb/>
daß du mir stets nur die volle Wahrheit berichte» wirst und nichts versäumen<lb/>
was zur Bewachung meiner Rechte nötig ist. Ich verspreche hingegen ans<lb/>
meine Ehre, daß ich mich weder mündlich noch schriftlich in allen diesen An¬<lb/>
gelegenheiten an eine andre Vermittlung in Schweden wenden werde, als nur<lb/>
an dich allein und mit jedem deiner Schritte einverstanden sein will."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_356" next="#ID_357"> Helwigs Wunsch ging dahin, als geborner Pommer bei der Übergabe von<lb/>
schwedisch Pommern an Preußen in preußische Dienste zu treten.  Trotz der</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0146] ganz harmlos und der Verdacht der französischen Gewalthaber nicht völlig grundlos gewesen sei. Jedenfalls wünschte und versuchte er um Kriege gegen Frankreich teilzunehmen und fand sich im August 1813, leider ungerufen, bei dein schwedischen Heere ein. Damit gab er Neidern und Ohrenbläsern neuen Anlaß, ihm bei dem Kronprinzen Karl Johann zu schaden, er mußte ans Befehl des Kronprinzen in Berlin zurückbleiben, während die Schweden mit der Nordarmee der Entscheidungsschlacht bei Leipzig zuzogen und sich dann nordwärts zur Besiegung Dänemarks wandten. Daß der reizbare und ties- gekräntte Mann unter diesen Umständen, die anch seine äußere Lebenslage völlig zu zerrütten drohten, erbittert und ungerecht sogar gegen die treue Gefährtin seines Lebens ward, ist nur zu erklärlich. Er warf ihr Eigen¬ mächtigkeit und Unweiblichkeit in ihrem Verkehr und Briefwechsel mit Schrift¬ stellern, Malern und Verlegern vor, er vergaß, daß Amaliens Fürsorge und Arbeit während dieser schweren Jahre hauptsächlich die Familie erhalten hatte, er widersetzte sich der von ihr geplanten Rückkehr nach Schweden. Er hoffte auf Anstellung im preußischen oder russischen Dienst, während er noch nicht einmal seinen regelrechten Abschied ans schwedischen hatte. Er befand sich offenbar in einem Zustande hoher Erregung, der es der Frau zur Pflicht machte, für ihn zu handeln und eine Klärung der Verhältnisse herbeizuführen. Da Helwig sich unbedingt weigerte, nach Stockholm zurückzugehen, entschloß sich Amalie die Betreibung der Angelegenheiten dort, die Geltendmachung seiner berechtigten Forderungen und Peusivnsansprnche, die Auslösung des schwedischen Haushalts, den Verkauf der Bibliothek und des wertvolleren Eigentums, in die Hand zu nehmen. Im Sommer 1814, bald nach dem ersten Pariser Frieden, finden wir sie wieder ans schwedischen Boden. Zwei Jahre verweilte sie in Stockholm und ordnete mit weiblicher Klugheit und gutem Takt die Verworrenheit, die der Gemahl bei seiner übereilten Abreise nach Deutschland hinter sich gelassen hatte. Sie hatte die Genugthuung, daß ihr aus allen,, was zu ordnen lind materiell zu opfern war, die Ehrenhaftigkeit und Uneigen- nützigkeit ihres Mannes entgegentrat. Gleichzeitig fand sich auch Helwig selbst wieder, er erkannte, daß er der treuen Gattin schwere Kränkung bereitet habe, er würdigte ihre Umsicht und Thätigkeit und schrieb ihr im September 1814: „Mein unerschütterlicher Glaube ist, daß du alles, was ich dir übergeben habe, vollkommen und besser ausrichten wirst, als ich es zu thun im Staude wäre, daß du mir stets nur die volle Wahrheit berichte» wirst und nichts versäumen was zur Bewachung meiner Rechte nötig ist. Ich verspreche hingegen ans meine Ehre, daß ich mich weder mündlich noch schriftlich in allen diesen An¬ gelegenheiten an eine andre Vermittlung in Schweden wenden werde, als nur an dich allein und mit jedem deiner Schritte einverstanden sein will." Helwigs Wunsch ging dahin, als geborner Pommer bei der Übergabe von schwedisch Pommern an Preußen in preußische Dienste zu treten. Trotz der

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/146
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/146>, abgerufen am 05.02.2025.