Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.Manzoni und Goethe Bund zwischen Papsttum und Volk seit t848 als ein unerreichbares Phantasie¬ Sollen wir zum Schlüsse noch ein Wort über Manzvnis Wesenheit, wie *) O. Speyer, Graf Cnmillo Cavour (Neuer Pluwrch II, S4S f.)
Manzoni und Goethe Bund zwischen Papsttum und Volk seit t848 als ein unerreichbares Phantasie¬ Sollen wir zum Schlüsse noch ein Wort über Manzvnis Wesenheit, wie *) O. Speyer, Graf Cnmillo Cavour (Neuer Pluwrch II, S4S f.)
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Manzoni und Goethe
Bund zwischen Papsttum und Volk seit t848 als ein unerreichbares Phantasie¬
gebilde erwiesen hatte, schloß er sich, wenn auch nicht mit leichtem Herzen und
wohl mich Überwindung schwerer innern Kämpfe, aber mit voller Entschieden¬
heit dem trotz der Kirche und des Papsttums geeinten und befreiten Italien
an. Viktor Emanuel berief ihn, der freudigen Zustimmung der ganzen Nation
sicher, 1861 in den ersten Senat des neuen Königreichs. Auch hier bewährte
sich die Bescheidenheit des Hochgefcierteu in rührender Weise. Als er Arm
in Arm mit Cnmillv Cavour uach der Eröffnungssitzung aus dem Saale trat,
der größte Staatsmann und der größte Dichter Italiens, wurde das Paar von
einem rauschenden, endlosen Beifallssturm der dichtgedrängten Volksmenge
empfangen. „Dieser Beifall gilt Ihnen!" rief Cavour. Da ließ Manzoni
seinen Arm los, klatschte in die Hände, und enthusiastisch folgte das Volk
seinem Beispiel. „Sehen Sie jetzt, Herr Graf, wem der Beifall gilt?"''°)
Nur einmal noch nahm der damals ueunuudsiebzigjährige Greis seinen Sitz
im Senate ein, um sür die Konvention mit Frankreich vom September 1864
zu stimmen, von der er zum letztenmal eine Versöhnung mit dem Papsttum
hoffte. Als auch diese Hoffnung sich eitel erwies, hat Manzoni, der das
höchste Ziel menschlichen Lebens erreichte (er starb erst 1873) anch die Annerion
des Kirchenstaates und seiner Hauptstadt gutgeheißen.
Sollen wir zum Schlüsse noch ein Wort über Manzvnis Wesenheit, wie
sie uns aus feinern Leben wie aus seinen Werken entgegentritt, hinzufügen, fo
müssen wir in ihm einen der edelsten Charaktere anerkennen, die je den Weg
der Dichtkunst gewandelt sind. Voll wahrhaftiger Begeisterung für alles Gute,
Große und Schöne, hat er, frei von allem selbstsüchtigen ehrgeizigen Streben
und aller Eitelkeit, die Poesie stets als ein ihm anvertrautes Priestertum
betrachtet und verwaltet. Treu und unerschütterlich in seiner Überzeugung,
hat er den hohen Idealen, die ihn erfüllten, Ausdruck zu geben und Anerkennung
zu verschaffen gesucht ohne Furcht der Menschen und ohne andern Lohn dafür
zu erwarten, als die innere Befriedigung und das Bewußtsein, nach besten
Kräften das Seine zum Siege des Guten, zum Heile der Menschheit und des
heißgeliebten Vaterlandes beigetragen zu haben. In allen weltlichen Dingen
von einem starken Unabhängigkeitsgefühl erfüllt, hat er äußere Ehren, die ihm
angeboten wurden, meist verschmäht. Nur mit großer Schwierigkeit gelang
es Alexander von Humboldt, der König Friedrich Wilhelm IV. vermocht hatte,
ihm den Orden xour is nierit« zu verleihen, ihn zur Annahme desselben zu
bewegen. Dem hohen lombardischen Adel ungehörig, verschmähte er es,
davon Gebrauch zu machen, als die österreichische Regierung verlangte, daß
man ihr die Adelsbriefe zur Bestätigung vorlege, und hat auch später seinen
bürgerlichen Namen stets beibehalten. Ohne alle Spur von Fanatismus, mit
*) O. Speyer, Graf Cnmillo Cavour (Neuer Pluwrch II, S4S f.)
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