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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr.

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Ans den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg - Gotha

die Interessen der Gesamtheit der Staaten des unauflöslichen deutschen Blindes
sowohl im Innern wie nach außen einer starken Vertretung bedürften. Der
Akt begann mit einer Rede des österreichischen Ministers Fürsten Schwarzenberg,
die sich wie ein Gentzsches Schriftstück aus dein Jahre 1819 anhörte, indem
sie lebhaft die Borzüge der alten Bundesverfassung schilderte, dann aber
wegen einiger Mängel eine Abänderung für nötig erklärte, die besonders den
Bund befähigen sollte, Revolutionen fernzuhalten. Darauf sprach der Minister
von Beust, alsdann erst Manteuffel und zuletzt, als Vertreter der dritten Gro߬
macht, der Baier v. d. Pfordten, der wenigstens andeutete, die Aufgabe der
Versammlung werde auch darin bestehen, der deutscheu Nation den ihrer
Bildungsstufe entsprechenden Grad bürgerlicher Freiheit z" gewähren, während
der zweite "ut der dritte Redner nur allgemeine Phrasen vorbrachten. Weder
Preußen noch Österreich bezeichneten auch nur die Hauptgesichtspunkte für die
weiteren Verhandlungen, denn man war darüber noch nicht einig. In der
zweiten Sitzung zeigte Fürst Schwarzenberg an, daß er sich mit dem preußischen
Minister über die Bildung von Sektionen und deren Arbeitsprogramm ver¬
ständigt habe, und teilte das Ergebnis zur einfachen Annahme mit. Die öster¬
reichische Präsidinlinacht war allerdings noch nicht wieder anerkannt, aber
Schwnrzenberg ordnete kurz und bündig alles so an, als ob die übrigen Be¬
vollmächtigten seine Beamten wären. Es wurden fünf Sektionen oder Kom¬
missionen gebildet. Die erste und wichtigste, die sich mit der Organisation der
obersten Bundesbehörde und des Bundesgebiets beschäftigen "ut dabei Artikel
1, 4, 5, ki, 7, 8 und 9 der Bundesakte, sowie Artikel ti bis 10 der Schlu߬
akte revidiren sollte, hatte den Vertreter von Osterreich zum Vorsitzenden und
die von Preußen, Vaieru, Sachsen, Hannover, Württemberg, den beiden Hessen,
Weimar und Frankfurt zu einfachen Mitgliedern. Der Vertreter Preußens,
von Alvensleben, konnte hier kaum auf eine einzige Stimme zur Unterstützung
zählen, wenn er das preußisch-deutsche Interesse geltend machen wollte. Noch
ungünstiger stand es für Preußen in der zweiten Kommission, wo es zwar
den Vorsitz führte, aber neben Österreich und den Königreichen nur Baden,
die beiden Mecklenburg, Holstein und Anhalt vertreten waren. Da hier die
entscheidende Frage über die Rechte der Einzelstaaten gegenüber dem Bunde
beraten werden sollte, und demzufolge auch die preußische Idee des engeren
Bnudesstnates hier durchzufechten war, so ließ sich bei der geschlossenen Stellung
der mit Österreich verbündeten Königreiche eine Eiiiignng nicht erwarten. Die
übrigen Kommissionen interessiren uns hier wenig, und so können sie unberück¬
sichtigt bleiben. Ende Dezember schlugen Preußen und Österreich gemeinschaft¬
lich die Bildung einer Exekutive vor, aber nnr in den allgemeinsten Fragen
war ein Einvernehmen zwischen ihnen erzielt worden. So z. B. waren beide
Mächte in ihrer Abneigung gegen jede Vertretung der Nation bei der obersten
Bundesbehörde einig, aber beide Mächte hatten dabei sehr verschiedene Gründe.


Ans den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg - Gotha

die Interessen der Gesamtheit der Staaten des unauflöslichen deutschen Blindes
sowohl im Innern wie nach außen einer starken Vertretung bedürften. Der
Akt begann mit einer Rede des österreichischen Ministers Fürsten Schwarzenberg,
die sich wie ein Gentzsches Schriftstück aus dein Jahre 1819 anhörte, indem
sie lebhaft die Borzüge der alten Bundesverfassung schilderte, dann aber
wegen einiger Mängel eine Abänderung für nötig erklärte, die besonders den
Bund befähigen sollte, Revolutionen fernzuhalten. Darauf sprach der Minister
von Beust, alsdann erst Manteuffel und zuletzt, als Vertreter der dritten Gro߬
macht, der Baier v. d. Pfordten, der wenigstens andeutete, die Aufgabe der
Versammlung werde auch darin bestehen, der deutscheu Nation den ihrer
Bildungsstufe entsprechenden Grad bürgerlicher Freiheit z» gewähren, während
der zweite »ut der dritte Redner nur allgemeine Phrasen vorbrachten. Weder
Preußen noch Österreich bezeichneten auch nur die Hauptgesichtspunkte für die
weiteren Verhandlungen, denn man war darüber noch nicht einig. In der
zweiten Sitzung zeigte Fürst Schwarzenberg an, daß er sich mit dem preußischen
Minister über die Bildung von Sektionen und deren Arbeitsprogramm ver¬
ständigt habe, und teilte das Ergebnis zur einfachen Annahme mit. Die öster¬
reichische Präsidinlinacht war allerdings noch nicht wieder anerkannt, aber
Schwnrzenberg ordnete kurz und bündig alles so an, als ob die übrigen Be¬
vollmächtigten seine Beamten wären. Es wurden fünf Sektionen oder Kom¬
missionen gebildet. Die erste und wichtigste, die sich mit der Organisation der
obersten Bundesbehörde und des Bundesgebiets beschäftigen »ut dabei Artikel
1, 4, 5, ki, 7, 8 und 9 der Bundesakte, sowie Artikel ti bis 10 der Schlu߬
akte revidiren sollte, hatte den Vertreter von Osterreich zum Vorsitzenden und
die von Preußen, Vaieru, Sachsen, Hannover, Württemberg, den beiden Hessen,
Weimar und Frankfurt zu einfachen Mitgliedern. Der Vertreter Preußens,
von Alvensleben, konnte hier kaum auf eine einzige Stimme zur Unterstützung
zählen, wenn er das preußisch-deutsche Interesse geltend machen wollte. Noch
ungünstiger stand es für Preußen in der zweiten Kommission, wo es zwar
den Vorsitz führte, aber neben Österreich und den Königreichen nur Baden,
die beiden Mecklenburg, Holstein und Anhalt vertreten waren. Da hier die
entscheidende Frage über die Rechte der Einzelstaaten gegenüber dem Bunde
beraten werden sollte, und demzufolge auch die preußische Idee des engeren
Bnudesstnates hier durchzufechten war, so ließ sich bei der geschlossenen Stellung
der mit Österreich verbündeten Königreiche eine Eiiiignng nicht erwarten. Die
übrigen Kommissionen interessiren uns hier wenig, und so können sie unberück¬
sichtigt bleiben. Ende Dezember schlugen Preußen und Österreich gemeinschaft¬
lich die Bildung einer Exekutive vor, aber nnr in den allgemeinsten Fragen
war ein Einvernehmen zwischen ihnen erzielt worden. So z. B. waren beide
Mächte in ihrer Abneigung gegen jede Vertretung der Nation bei der obersten
Bundesbehörde einig, aber beide Mächte hatten dabei sehr verschiedene Gründe.


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[0107] Ans den Denkwürdigkeiten des Herzogs von Aobnrg - Gotha die Interessen der Gesamtheit der Staaten des unauflöslichen deutschen Blindes sowohl im Innern wie nach außen einer starken Vertretung bedürften. Der Akt begann mit einer Rede des österreichischen Ministers Fürsten Schwarzenberg, die sich wie ein Gentzsches Schriftstück aus dein Jahre 1819 anhörte, indem sie lebhaft die Borzüge der alten Bundesverfassung schilderte, dann aber wegen einiger Mängel eine Abänderung für nötig erklärte, die besonders den Bund befähigen sollte, Revolutionen fernzuhalten. Darauf sprach der Minister von Beust, alsdann erst Manteuffel und zuletzt, als Vertreter der dritten Gro߬ macht, der Baier v. d. Pfordten, der wenigstens andeutete, die Aufgabe der Versammlung werde auch darin bestehen, der deutscheu Nation den ihrer Bildungsstufe entsprechenden Grad bürgerlicher Freiheit z» gewähren, während der zweite »ut der dritte Redner nur allgemeine Phrasen vorbrachten. Weder Preußen noch Österreich bezeichneten auch nur die Hauptgesichtspunkte für die weiteren Verhandlungen, denn man war darüber noch nicht einig. In der zweiten Sitzung zeigte Fürst Schwarzenberg an, daß er sich mit dem preußischen Minister über die Bildung von Sektionen und deren Arbeitsprogramm ver¬ ständigt habe, und teilte das Ergebnis zur einfachen Annahme mit. Die öster¬ reichische Präsidinlinacht war allerdings noch nicht wieder anerkannt, aber Schwnrzenberg ordnete kurz und bündig alles so an, als ob die übrigen Be¬ vollmächtigten seine Beamten wären. Es wurden fünf Sektionen oder Kom¬ missionen gebildet. Die erste und wichtigste, die sich mit der Organisation der obersten Bundesbehörde und des Bundesgebiets beschäftigen »ut dabei Artikel 1, 4, 5, ki, 7, 8 und 9 der Bundesakte, sowie Artikel ti bis 10 der Schlu߬ akte revidiren sollte, hatte den Vertreter von Osterreich zum Vorsitzenden und die von Preußen, Vaieru, Sachsen, Hannover, Württemberg, den beiden Hessen, Weimar und Frankfurt zu einfachen Mitgliedern. Der Vertreter Preußens, von Alvensleben, konnte hier kaum auf eine einzige Stimme zur Unterstützung zählen, wenn er das preußisch-deutsche Interesse geltend machen wollte. Noch ungünstiger stand es für Preußen in der zweiten Kommission, wo es zwar den Vorsitz führte, aber neben Österreich und den Königreichen nur Baden, die beiden Mecklenburg, Holstein und Anhalt vertreten waren. Da hier die entscheidende Frage über die Rechte der Einzelstaaten gegenüber dem Bunde beraten werden sollte, und demzufolge auch die preußische Idee des engeren Bnudesstnates hier durchzufechten war, so ließ sich bei der geschlossenen Stellung der mit Österreich verbündeten Königreiche eine Eiiiignng nicht erwarten. Die übrigen Kommissionen interessiren uns hier wenig, und so können sie unberück¬ sichtigt bleiben. Ende Dezember schlugen Preußen und Österreich gemeinschaft¬ lich die Bildung einer Exekutive vor, aber nnr in den allgemeinsten Fragen war ein Einvernehmen zwischen ihnen erzielt worden. So z. B. waren beide Mächte in ihrer Abneigung gegen jede Vertretung der Nation bei der obersten Bundesbehörde einig, aber beide Mächte hatten dabei sehr verschiedene Gründe.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Zweites Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204730/107>, abgerufen am 05.02.2025.