Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

Bild:
<< vorherige Seite
Goethe- und Schillerhetzer

Gemütsverfassung in der Zeit des "platonischen" Liebesverhältnisses mit Fran
von Stein, das mit der Hornbrille einer Klatschbase nach einer einzigen
Richtung von Baumgartner durchstöbert wird. Bei der italienischen Reise wird
der Verfasser "an den sehr ehrenwerten Pickwick erinnert, der sich bei den
Droschkenkutschern nach dem Ankaufspreis der Kutschen und nach dem Lebens¬
alter der Pferde erkundigt und alles sorgfältig aufschreibt." "Goethe in Rom"
(..das ist nun natürlich ein Glanzmoment für jeden Goetheverehrer ... es
mußte einer von Weimar kommen, um der in Aberglauben und Finsternis
versunkenen Stadt wieder Würde und Weihe zu geben" u. s. w.) dient nur als
Ausgangspunkt für einen Hymnus ans das katholische Imperium Rom-unir,
die weltliche Herrschaft; auch hier fehlen nicht die bis zum Überdruß in dieser
Litteratur wiedergekauten Worte Macaulays von dem katholischen Neusee¬
länder, der dereinst nach den Trümmern der protestantischen Kirchen in Europa
noch Ausgrabungen veranstalten werde. Das Ergebnis der italienischen Reise
ist auch weiterhin noch vornehmlich der schadenfrohe Nachweis von Goethes
endgiltigen Durchfall in seiner Lieblingsknnst, der Malerei. Egmont ist "ein
Lückenbüßer", Tasso "ein Festspiel zu eigner Verherrlichung", voller An¬
maßung und Unklarheit. Mitgebracht, so scheint es, hat Goethe von Italien
nur die vollendete Frechheit der "Römischen Elegien," die alsbald in dem Ver¬
hältnis zu Christiane ihren öffentlichen Ausdruck erhielt. Es ist eigen, wie
nun mit einemmale das Verhältnis des Biographen zu Goethes früherem
..Verhältnis" ein andres wird. Das "Weib," das Goethe zum "Sklaven"
gemacht, ihn am Schaffen gehindert, kurzum den "unheilvollsten Einfluß auf
ihn geübt hat," wird nun mit einemmale respektvoll zur "Frau von Stein,"
Mr "Frau Baronin," eine edle, im tiefsten verwundete Frauenseele. Der be¬
rüchtigte "Kaffeebrief," der das Verhältnis für Mondscheinduftler und roman¬
tische Seelen allerdings wenig erbaulich abschließt und dessen Bedingungen
und triviale Notwendigkeit für beide Teile doch so offen liegt, wird in die
allernächste Beziehung zu -- Spinoza, Freimaurertum und wer weiß was
allem gebracht. "Das war deutsche Treue und -- reine Natur. Das. war
wieder die Uneigennützigkeit, die man aus Spinoza lernte." Wir finden, es
^ar zum mindesten deutsche Ehrlichkeit gegenüber geheimen Schlichen und
Klatschereien, deutsche Selbständigkeit, die ihr Hausrecht wahrt gegen un¬
berechtigte Übergriffe und ihr gutes Recht der Selbstbestimmung gegenüber
unwürdiger Bevormundung. Diese letztere "lernt" man allerdings nicht aus
Spinoza, und wir glauben gern, daß die erstgenannten Eigenschaften im Orden
heiligen Ignatius von Loyola nicht gerade als "Tugenden" gelten. Goethes
Beziehungen zur Loge treten wohl nicht zufällig so in die Nähe der Schilde¬
rung seines häuslichen Lebens. Goethe war eine "Kreatur der Freimaurer,"
wie einer feilen Erniedrigung schon hat er seinen Eintritt in die Loge erkauft.
Das häusliche Leben des "Dichters der Liebe" ist der Triumph Baum-


Goethe- und Schillerhetzer

Gemütsverfassung in der Zeit des „platonischen" Liebesverhältnisses mit Fran
von Stein, das mit der Hornbrille einer Klatschbase nach einer einzigen
Richtung von Baumgartner durchstöbert wird. Bei der italienischen Reise wird
der Verfasser „an den sehr ehrenwerten Pickwick erinnert, der sich bei den
Droschkenkutschern nach dem Ankaufspreis der Kutschen und nach dem Lebens¬
alter der Pferde erkundigt und alles sorgfältig aufschreibt." „Goethe in Rom"
(..das ist nun natürlich ein Glanzmoment für jeden Goetheverehrer ... es
mußte einer von Weimar kommen, um der in Aberglauben und Finsternis
versunkenen Stadt wieder Würde und Weihe zu geben" u. s. w.) dient nur als
Ausgangspunkt für einen Hymnus ans das katholische Imperium Rom-unir,
die weltliche Herrschaft; auch hier fehlen nicht die bis zum Überdruß in dieser
Litteratur wiedergekauten Worte Macaulays von dem katholischen Neusee¬
länder, der dereinst nach den Trümmern der protestantischen Kirchen in Europa
noch Ausgrabungen veranstalten werde. Das Ergebnis der italienischen Reise
ist auch weiterhin noch vornehmlich der schadenfrohe Nachweis von Goethes
endgiltigen Durchfall in seiner Lieblingsknnst, der Malerei. Egmont ist „ein
Lückenbüßer", Tasso „ein Festspiel zu eigner Verherrlichung", voller An¬
maßung und Unklarheit. Mitgebracht, so scheint es, hat Goethe von Italien
nur die vollendete Frechheit der „Römischen Elegien," die alsbald in dem Ver¬
hältnis zu Christiane ihren öffentlichen Ausdruck erhielt. Es ist eigen, wie
nun mit einemmale das Verhältnis des Biographen zu Goethes früherem
..Verhältnis" ein andres wird. Das „Weib," das Goethe zum „Sklaven"
gemacht, ihn am Schaffen gehindert, kurzum den „unheilvollsten Einfluß auf
ihn geübt hat," wird nun mit einemmale respektvoll zur „Frau von Stein,"
Mr „Frau Baronin," eine edle, im tiefsten verwundete Frauenseele. Der be¬
rüchtigte „Kaffeebrief," der das Verhältnis für Mondscheinduftler und roman¬
tische Seelen allerdings wenig erbaulich abschließt und dessen Bedingungen
und triviale Notwendigkeit für beide Teile doch so offen liegt, wird in die
allernächste Beziehung zu — Spinoza, Freimaurertum und wer weiß was
allem gebracht. „Das war deutsche Treue und — reine Natur. Das. war
wieder die Uneigennützigkeit, die man aus Spinoza lernte." Wir finden, es
^ar zum mindesten deutsche Ehrlichkeit gegenüber geheimen Schlichen und
Klatschereien, deutsche Selbständigkeit, die ihr Hausrecht wahrt gegen un¬
berechtigte Übergriffe und ihr gutes Recht der Selbstbestimmung gegenüber
unwürdiger Bevormundung. Diese letztere „lernt" man allerdings nicht aus
Spinoza, und wir glauben gern, daß die erstgenannten Eigenschaften im Orden
heiligen Ignatius von Loyola nicht gerade als „Tugenden" gelten. Goethes
Beziehungen zur Loge treten wohl nicht zufällig so in die Nähe der Schilde¬
rung seines häuslichen Lebens. Goethe war eine „Kreatur der Freimaurer,"
wie einer feilen Erniedrigung schon hat er seinen Eintritt in die Loge erkauft.
Das häusliche Leben des „Dichters der Liebe" ist der Triumph Baum-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0083" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204172"/>
          <fw type="header" place="top"> Goethe- und Schillerhetzer</fw><lb/>
          <p xml:id="ID_273" prev="#ID_272" next="#ID_274"> Gemütsverfassung in der Zeit des &#x201E;platonischen" Liebesverhältnisses mit Fran<lb/>
von Stein, das mit der Hornbrille einer Klatschbase nach einer einzigen<lb/>
Richtung von Baumgartner durchstöbert wird. Bei der italienischen Reise wird<lb/>
der Verfasser &#x201E;an den sehr ehrenwerten Pickwick erinnert, der sich bei den<lb/>
Droschkenkutschern nach dem Ankaufspreis der Kutschen und nach dem Lebens¬<lb/>
alter der Pferde erkundigt und alles sorgfältig aufschreibt." &#x201E;Goethe in Rom"<lb/>
(..das ist nun natürlich ein Glanzmoment für jeden Goetheverehrer ... es<lb/>
mußte einer von Weimar kommen, um der in Aberglauben und Finsternis<lb/>
versunkenen Stadt wieder Würde und Weihe zu geben" u. s. w.) dient nur als<lb/>
Ausgangspunkt für einen Hymnus ans das katholische Imperium Rom-unir,<lb/>
die weltliche Herrschaft; auch hier fehlen nicht die bis zum Überdruß in dieser<lb/>
Litteratur wiedergekauten Worte Macaulays von dem katholischen Neusee¬<lb/>
länder, der dereinst nach den Trümmern der protestantischen Kirchen in Europa<lb/>
noch Ausgrabungen veranstalten werde. Das Ergebnis der italienischen Reise<lb/>
ist auch weiterhin noch vornehmlich der schadenfrohe Nachweis von Goethes<lb/>
endgiltigen Durchfall in seiner Lieblingsknnst, der Malerei. Egmont ist &#x201E;ein<lb/>
Lückenbüßer", Tasso &#x201E;ein Festspiel zu eigner Verherrlichung", voller An¬<lb/>
maßung und Unklarheit. Mitgebracht, so scheint es, hat Goethe von Italien<lb/>
nur die vollendete Frechheit der &#x201E;Römischen Elegien," die alsbald in dem Ver¬<lb/>
hältnis zu Christiane ihren öffentlichen Ausdruck erhielt. Es ist eigen, wie<lb/>
nun mit einemmale das Verhältnis des Biographen zu Goethes früherem<lb/>
..Verhältnis" ein andres wird. Das &#x201E;Weib," das Goethe zum &#x201E;Sklaven"<lb/>
gemacht, ihn am Schaffen gehindert, kurzum den &#x201E;unheilvollsten Einfluß auf<lb/>
ihn geübt hat," wird nun mit einemmale respektvoll zur &#x201E;Frau von Stein,"<lb/>
Mr &#x201E;Frau Baronin," eine edle, im tiefsten verwundete Frauenseele. Der be¬<lb/>
rüchtigte &#x201E;Kaffeebrief," der das Verhältnis für Mondscheinduftler und roman¬<lb/>
tische Seelen allerdings wenig erbaulich abschließt und dessen Bedingungen<lb/>
und triviale Notwendigkeit für beide Teile doch so offen liegt, wird in die<lb/>
allernächste Beziehung zu &#x2014; Spinoza, Freimaurertum und wer weiß was<lb/>
allem gebracht. &#x201E;Das war deutsche Treue und &#x2014; reine Natur. Das. war<lb/>
wieder die Uneigennützigkeit, die man aus Spinoza lernte." Wir finden, es<lb/>
^ar zum mindesten deutsche Ehrlichkeit gegenüber geheimen Schlichen und<lb/>
Klatschereien, deutsche Selbständigkeit, die ihr Hausrecht wahrt gegen un¬<lb/>
berechtigte Übergriffe und ihr gutes Recht der Selbstbestimmung gegenüber<lb/>
unwürdiger Bevormundung. Diese letztere &#x201E;lernt" man allerdings nicht aus<lb/>
Spinoza, und wir glauben gern, daß die erstgenannten Eigenschaften im Orden<lb/>
heiligen Ignatius von Loyola nicht gerade als &#x201E;Tugenden" gelten. Goethes<lb/>
Beziehungen zur Loge treten wohl nicht zufällig so in die Nähe der Schilde¬<lb/>
rung seines häuslichen Lebens. Goethe war eine &#x201E;Kreatur der Freimaurer,"<lb/>
wie einer feilen Erniedrigung schon hat er seinen Eintritt in die Loge erkauft.<lb/>
Das häusliche Leben des &#x201E;Dichters der Liebe" ist der Triumph Baum-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0083] Goethe- und Schillerhetzer Gemütsverfassung in der Zeit des „platonischen" Liebesverhältnisses mit Fran von Stein, das mit der Hornbrille einer Klatschbase nach einer einzigen Richtung von Baumgartner durchstöbert wird. Bei der italienischen Reise wird der Verfasser „an den sehr ehrenwerten Pickwick erinnert, der sich bei den Droschkenkutschern nach dem Ankaufspreis der Kutschen und nach dem Lebens¬ alter der Pferde erkundigt und alles sorgfältig aufschreibt." „Goethe in Rom" (..das ist nun natürlich ein Glanzmoment für jeden Goetheverehrer ... es mußte einer von Weimar kommen, um der in Aberglauben und Finsternis versunkenen Stadt wieder Würde und Weihe zu geben" u. s. w.) dient nur als Ausgangspunkt für einen Hymnus ans das katholische Imperium Rom-unir, die weltliche Herrschaft; auch hier fehlen nicht die bis zum Überdruß in dieser Litteratur wiedergekauten Worte Macaulays von dem katholischen Neusee¬ länder, der dereinst nach den Trümmern der protestantischen Kirchen in Europa noch Ausgrabungen veranstalten werde. Das Ergebnis der italienischen Reise ist auch weiterhin noch vornehmlich der schadenfrohe Nachweis von Goethes endgiltigen Durchfall in seiner Lieblingsknnst, der Malerei. Egmont ist „ein Lückenbüßer", Tasso „ein Festspiel zu eigner Verherrlichung", voller An¬ maßung und Unklarheit. Mitgebracht, so scheint es, hat Goethe von Italien nur die vollendete Frechheit der „Römischen Elegien," die alsbald in dem Ver¬ hältnis zu Christiane ihren öffentlichen Ausdruck erhielt. Es ist eigen, wie nun mit einemmale das Verhältnis des Biographen zu Goethes früherem ..Verhältnis" ein andres wird. Das „Weib," das Goethe zum „Sklaven" gemacht, ihn am Schaffen gehindert, kurzum den „unheilvollsten Einfluß auf ihn geübt hat," wird nun mit einemmale respektvoll zur „Frau von Stein," Mr „Frau Baronin," eine edle, im tiefsten verwundete Frauenseele. Der be¬ rüchtigte „Kaffeebrief," der das Verhältnis für Mondscheinduftler und roman¬ tische Seelen allerdings wenig erbaulich abschließt und dessen Bedingungen und triviale Notwendigkeit für beide Teile doch so offen liegt, wird in die allernächste Beziehung zu — Spinoza, Freimaurertum und wer weiß was allem gebracht. „Das war deutsche Treue und — reine Natur. Das. war wieder die Uneigennützigkeit, die man aus Spinoza lernte." Wir finden, es ^ar zum mindesten deutsche Ehrlichkeit gegenüber geheimen Schlichen und Klatschereien, deutsche Selbständigkeit, die ihr Hausrecht wahrt gegen un¬ berechtigte Übergriffe und ihr gutes Recht der Selbstbestimmung gegenüber unwürdiger Bevormundung. Diese letztere „lernt" man allerdings nicht aus Spinoza, und wir glauben gern, daß die erstgenannten Eigenschaften im Orden heiligen Ignatius von Loyola nicht gerade als „Tugenden" gelten. Goethes Beziehungen zur Loge treten wohl nicht zufällig so in die Nähe der Schilde¬ rung seines häuslichen Lebens. Goethe war eine „Kreatur der Freimaurer," wie einer feilen Erniedrigung schon hat er seinen Eintritt in die Loge erkauft. Das häusliche Leben des „Dichters der Liebe" ist der Triumph Baum-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/83
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/83>, abgerufen am 28.09.2024.