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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Litteratur

wissenschaftlich noch litterarisch befähigt sind, müssen natürlich solche Kapazitäten
perhorresziren, um sich nicht selbst herabzusetzen." Ihm erwarb aber die Schrift-
stellerei das tägliche Brot, das ihm die Kunst schuldig blieb. Aus der höchsten
Not rettete ihn 1366 eine feste Anstellung bei der Kölnischen Zeitung, mit der
er schon länger in Verbindung gestanden hatte. Zwanzig Jahre lang hat er dort
das kritische Amt verwaltet, ernst und anregend. Wahrscheinlich sind die vor¬
liegenden Abhandlungen zuerst für die Zeitung verfaßt worden -- der Heraus¬
geber läßt uns darüber im Unklaren. Ein eigentliches Geschichtswerk darf man
unter diesen Umständen nicht erwarten, aber für den Geschichtschreiber wie für
den Kunstfreund enthalten namentlich die aus der Gegenwart heraus, unter dem
unmittelbaren Eindrucke der Schöpfungen niedergesehriebenen Betrachtungen sehr
schätzbares Material. Vielfach erfreut das sichere, von der späteren Zeit bestätigte
Urteil über neue Erscheinungen, so z. B. um die Lebenden aus dem Spiel zu lassen,
über Makart bei seinem ersten Auftreten mit den "Modernen Amoretten", die auf
andre Kritiker förmlich finnverwirreud wirkten. Die Stelle ist zu lang, um sie
ganz hierher zu setzen. Nachdem er die Bilder sehr glücklich charakterisirt, auch
des Malers Virtuosität gebührend anerkannt hat, sagt Becker: "So haben denn
diese Bilder auch unter den Künstlern Bewunderung gefunden. Sie wird hoffent¬
lich nicht weiter, nicht zur Nachahmung wirken, denn in der That ist diese Malerei
gar keine wirkliche Kunst mehr, sondern ein übermütiges Spiel, welches durch
seine dreiste Sicherheit einer gewissen Anmut nicht entbehrt, aber doch nur einen
blasirten und verdorbenen Geschmack länger als auf einen Augenblick reizen kann.
Wo ist des Verdienst eines glänzenden Kolorits, welches sich an gar keine Be¬
dingung des gegebenen Objekts bindet, sondern Farben nur der Farbe wegen hin¬
setzt u. s. w." So dem gesunden Menschenverstande das Wort zu lassen, dazu
gehörte damals ein gewisser Mut.

Die in Ausstellungsberichten herkömmlichen bloßen Aufzählungen von Namen,
deren Träger mitmarschieren, ohne sich besonders hervorzuthun, hätten bei dem
Wiederabdruck der Aufsätze wegbleiben können; das Buch würde dadurch nur an
Umfang, aber nicht an Wert eingebüßt haben.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig -- Druck von Carl Marquart in Leipzig
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wissenschaftlich noch litterarisch befähigt sind, müssen natürlich solche Kapazitäten
perhorresziren, um sich nicht selbst herabzusetzen." Ihm erwarb aber die Schrift-
stellerei das tägliche Brot, das ihm die Kunst schuldig blieb. Aus der höchsten
Not rettete ihn 1366 eine feste Anstellung bei der Kölnischen Zeitung, mit der
er schon länger in Verbindung gestanden hatte. Zwanzig Jahre lang hat er dort
das kritische Amt verwaltet, ernst und anregend. Wahrscheinlich sind die vor¬
liegenden Abhandlungen zuerst für die Zeitung verfaßt worden — der Heraus¬
geber läßt uns darüber im Unklaren. Ein eigentliches Geschichtswerk darf man
unter diesen Umständen nicht erwarten, aber für den Geschichtschreiber wie für
den Kunstfreund enthalten namentlich die aus der Gegenwart heraus, unter dem
unmittelbaren Eindrucke der Schöpfungen niedergesehriebenen Betrachtungen sehr
schätzbares Material. Vielfach erfreut das sichere, von der späteren Zeit bestätigte
Urteil über neue Erscheinungen, so z. B. um die Lebenden aus dem Spiel zu lassen,
über Makart bei seinem ersten Auftreten mit den „Modernen Amoretten", die auf
andre Kritiker förmlich finnverwirreud wirkten. Die Stelle ist zu lang, um sie
ganz hierher zu setzen. Nachdem er die Bilder sehr glücklich charakterisirt, auch
des Malers Virtuosität gebührend anerkannt hat, sagt Becker: „So haben denn
diese Bilder auch unter den Künstlern Bewunderung gefunden. Sie wird hoffent¬
lich nicht weiter, nicht zur Nachahmung wirken, denn in der That ist diese Malerei
gar keine wirkliche Kunst mehr, sondern ein übermütiges Spiel, welches durch
seine dreiste Sicherheit einer gewissen Anmut nicht entbehrt, aber doch nur einen
blasirten und verdorbenen Geschmack länger als auf einen Augenblick reizen kann.
Wo ist des Verdienst eines glänzenden Kolorits, welches sich an gar keine Be¬
dingung des gegebenen Objekts bindet, sondern Farben nur der Farbe wegen hin¬
setzt u. s. w." So dem gesunden Menschenverstande das Wort zu lassen, dazu
gehörte damals ein gewisser Mut.

Die in Ausstellungsberichten herkömmlichen bloßen Aufzählungen von Namen,
deren Träger mitmarschieren, ohne sich besonders hervorzuthun, hätten bei dem
Wiederabdruck der Aufsätze wegbleiben können; das Buch würde dadurch nur an
Umfang, aber nicht an Wert eingebüßt haben.






Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig
Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig
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[0064] Litteratur wissenschaftlich noch litterarisch befähigt sind, müssen natürlich solche Kapazitäten perhorresziren, um sich nicht selbst herabzusetzen." Ihm erwarb aber die Schrift- stellerei das tägliche Brot, das ihm die Kunst schuldig blieb. Aus der höchsten Not rettete ihn 1366 eine feste Anstellung bei der Kölnischen Zeitung, mit der er schon länger in Verbindung gestanden hatte. Zwanzig Jahre lang hat er dort das kritische Amt verwaltet, ernst und anregend. Wahrscheinlich sind die vor¬ liegenden Abhandlungen zuerst für die Zeitung verfaßt worden — der Heraus¬ geber läßt uns darüber im Unklaren. Ein eigentliches Geschichtswerk darf man unter diesen Umständen nicht erwarten, aber für den Geschichtschreiber wie für den Kunstfreund enthalten namentlich die aus der Gegenwart heraus, unter dem unmittelbaren Eindrucke der Schöpfungen niedergesehriebenen Betrachtungen sehr schätzbares Material. Vielfach erfreut das sichere, von der späteren Zeit bestätigte Urteil über neue Erscheinungen, so z. B. um die Lebenden aus dem Spiel zu lassen, über Makart bei seinem ersten Auftreten mit den „Modernen Amoretten", die auf andre Kritiker förmlich finnverwirreud wirkten. Die Stelle ist zu lang, um sie ganz hierher zu setzen. Nachdem er die Bilder sehr glücklich charakterisirt, auch des Malers Virtuosität gebührend anerkannt hat, sagt Becker: „So haben denn diese Bilder auch unter den Künstlern Bewunderung gefunden. Sie wird hoffent¬ lich nicht weiter, nicht zur Nachahmung wirken, denn in der That ist diese Malerei gar keine wirkliche Kunst mehr, sondern ein übermütiges Spiel, welches durch seine dreiste Sicherheit einer gewissen Anmut nicht entbehrt, aber doch nur einen blasirten und verdorbenen Geschmack länger als auf einen Augenblick reizen kann. Wo ist des Verdienst eines glänzenden Kolorits, welches sich an gar keine Be¬ dingung des gegebenen Objekts bindet, sondern Farben nur der Farbe wegen hin¬ setzt u. s. w." So dem gesunden Menschenverstande das Wort zu lassen, dazu gehörte damals ein gewisser Mut. Die in Ausstellungsberichten herkömmlichen bloßen Aufzählungen von Namen, deren Träger mitmarschieren, ohne sich besonders hervorzuthun, hätten bei dem Wiederabdruck der Aufsätze wegbleiben können; das Buch würde dadurch nur an Umfang, aber nicht an Wert eingebüßt haben. Für die Redaktion verantwortlich: Johannes Grunow in Leipzig Verlag von Fr. Wilh. Grunow in Leipzig — Druck von Carl Marquart in Leipzig

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/64>, abgerufen am 29.06.2024.