Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Grillparzer und seine Jugendtraum Gebenedeit sei Odin, heilig, heilig Es wird der verderbliche Einfluß dieser -- wohl nicht sehr altenglischen --
Das ist schon der Grillparzer, den wir als Schöpfer der Melitta, der Hero, der Das Leben ist nur eine Scheidemünze, Auch der Shakespearische Rüpel ist in der Figur'des Bob nachgeahmt. Den Charakter der reinsten Originalität trägt das Bruchstück des "Spar¬ Grillparzer und seine Jugendtraum Gebenedeit sei Odin, heilig, heilig Es wird der verderbliche Einfluß dieser — wohl nicht sehr altenglischen —
Das ist schon der Grillparzer, den wir als Schöpfer der Melitta, der Hero, der Das Leben ist nur eine Scheidemünze, Auch der Shakespearische Rüpel ist in der Figur'des Bob nachgeahmt. Den Charakter der reinsten Originalität trägt das Bruchstück des „Spar¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0619" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204708"/> <fw type="header" place="top"> Grillparzer und seine Jugendtraum</fw><lb/> <quote> Gebenedeit sei Odin, heilig, heilig<lb/> Ist Odin und Sankt Thor in Ewigkeit,<lb/> Ich bin kein Christ mehr, will die'Heidentaufe!</quote><lb/> <p xml:id="ID_1979" prev="#ID_1978"> Es wird der verderbliche Einfluß dieser — wohl nicht sehr altenglischen —<lb/> Geistlichkeit auf das Volk weiter noch veranschaulicht. Mitten unter diesen<lb/> Menschen stehen Alfred der Große und sein Freund Graf Davon als die Träger<lb/> des nationalen Schmerzes und nationalen Stolzes da. Alfred wird schon<lb/> durch einen einzigen Zug vortrefflich eingeführt. Edelswithe ist über des alten<lb/> Königs Feigheit wild; sie, ein Weib, empfindet die Schmach und will Alfred,<lb/> den sie liebt, nach Prinzessinart aufstacheln:</p><lb/> <quote> <p xml:id="ID_1980"> Heut Alfred mögt ihr mich verdienen; reicht<lb/> Mir Eure Hand, vom Dänenblute rot<lb/> Und sie soll in der meinen ewig rud».</p><lb/> <p xml:id="ID_1981"> Doch wenn ich feig entfliehe aus der Schlacht?<lb/> '</p> <note type="speaker"> Alfred. </note><lb/> <note type="speaker"> Edelswithe. </note> <p xml:id="ID_1982"> Dem Helden Alfred schenkt ich meine Liebe<lb/> Ihr seid ein Mann —</p><lb/> <p xml:id="ID_1983"> Ich wollt', ich wär ein Mädchen;<lb/> Ich würd' Euch doppelt lieben, wenn ichs wäre.<lb/> Doch wenn ein Schwert mich im Gewühl der Schlacht —</p> <note type="speaker"> Alfred.</note><lb/> <note type="speaker"> Edelswithe. </note> <p xml:id="ID_1984"> Dann wein' ich nicht, denn Ihr sinkt ehrenvoll.</p><lb/> <note type="speaker"> Alfred. </note> <p xml:id="ID_1985"> Sehr männlich, sehr! Ihr seid ein männlich Mädchen,<lb/> 'ne Rose.^ wie ein Eichbaum, in der ThatI<lb/> Ein bischen mehr Mann oder weniger,<lb/> Und ich gäb' Euch im Heere einen Platz<lb/> Oder drück' Euch liebend an dies treue Herz.</p><lb/> <note type="speaker"> Edelswithe.</note> <p xml:id="ID_1986"> Herr, ich versteh Euch nicht.</p><lb/> <note type="speaker"> Alfred.</note> <p xml:id="ID_1987" next="#ID_1988"> Um desto besser,<lb/> Es könnt' Euch um die Honigwochen bringen.</p> </quote><lb/> <p xml:id="ID_1988" prev="#ID_1987" next="#ID_1989"> Das ist schon der Grillparzer, den wir als Schöpfer der Melitta, der Hero, der<lb/> Esther kennen. Das Bruchstück reicht noch bis in den zweiten Akt hinein, wo<lb/> Gras Davon dem dänischen Übermut kräftig gegenübertritt, so etwa wie das<lb/> Volk der Tiroler gegen die herrschenden Franzosen aufgereizt wurde. Nach<lb/> Sauers Vermutung mag das Trauerspiel „Andreas Hofers" Urbild dieses<lb/> „Alfred" gewesen sein. Die Abhängigkeit von Shakespeare ist unverkennbar,<lb/> so wenn Alfred sagt:</p><lb/> <quote> Das Leben ist nur eine Scheidemünze,<lb/> Das einen Wert allein durch das erhält,<lb/> Für was mans hingiebt. Komm, wir wollen wuchern<lb/> Und für das schlechte Blechgeld, das die andern<lb/> Wie blöde Kinder, weil es glänzt vergraben,<lb/> Uns Nachruhm kaufen, Kronen wert.</quote><lb/> <p xml:id="ID_1989" prev="#ID_1988"> Auch der Shakespearische Rüpel ist in der Figur'des Bob nachgeahmt.</p><lb/> <p xml:id="ID_1990" next="#ID_1991"> Den Charakter der reinsten Originalität trägt das Bruchstück des „Spar¬<lb/> takus," das uns in der That wie ein Torso einer antiken Kolossalstatue an-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0619]
Grillparzer und seine Jugendtraum
Gebenedeit sei Odin, heilig, heilig
Ist Odin und Sankt Thor in Ewigkeit,
Ich bin kein Christ mehr, will die'Heidentaufe!
Es wird der verderbliche Einfluß dieser — wohl nicht sehr altenglischen —
Geistlichkeit auf das Volk weiter noch veranschaulicht. Mitten unter diesen
Menschen stehen Alfred der Große und sein Freund Graf Davon als die Träger
des nationalen Schmerzes und nationalen Stolzes da. Alfred wird schon
durch einen einzigen Zug vortrefflich eingeführt. Edelswithe ist über des alten
Königs Feigheit wild; sie, ein Weib, empfindet die Schmach und will Alfred,
den sie liebt, nach Prinzessinart aufstacheln:
Heut Alfred mögt ihr mich verdienen; reicht
Mir Eure Hand, vom Dänenblute rot
Und sie soll in der meinen ewig rud».
Doch wenn ich feig entfliehe aus der Schlacht?
'
Alfred.
Edelswithe. Dem Helden Alfred schenkt ich meine Liebe
Ihr seid ein Mann —
Ich wollt', ich wär ein Mädchen;
Ich würd' Euch doppelt lieben, wenn ichs wäre.
Doch wenn ein Schwert mich im Gewühl der Schlacht —
Alfred.
Edelswithe. Dann wein' ich nicht, denn Ihr sinkt ehrenvoll.
Alfred. Sehr männlich, sehr! Ihr seid ein männlich Mädchen,
'ne Rose.^ wie ein Eichbaum, in der ThatI
Ein bischen mehr Mann oder weniger,
Und ich gäb' Euch im Heere einen Platz
Oder drück' Euch liebend an dies treue Herz.
Edelswithe. Herr, ich versteh Euch nicht.
Alfred. Um desto besser,
Es könnt' Euch um die Honigwochen bringen.
Das ist schon der Grillparzer, den wir als Schöpfer der Melitta, der Hero, der
Esther kennen. Das Bruchstück reicht noch bis in den zweiten Akt hinein, wo
Gras Davon dem dänischen Übermut kräftig gegenübertritt, so etwa wie das
Volk der Tiroler gegen die herrschenden Franzosen aufgereizt wurde. Nach
Sauers Vermutung mag das Trauerspiel „Andreas Hofers" Urbild dieses
„Alfred" gewesen sein. Die Abhängigkeit von Shakespeare ist unverkennbar,
so wenn Alfred sagt:
Das Leben ist nur eine Scheidemünze,
Das einen Wert allein durch das erhält,
Für was mans hingiebt. Komm, wir wollen wuchern
Und für das schlechte Blechgeld, das die andern
Wie blöde Kinder, weil es glänzt vergraben,
Uns Nachruhm kaufen, Kronen wert.
Auch der Shakespearische Rüpel ist in der Figur'des Bob nachgeahmt.
Den Charakter der reinsten Originalität trägt das Bruchstück des „Spar¬
takus," das uns in der That wie ein Torso einer antiken Kolossalstatue an-
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