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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Nnmienbildnisse von Rubajat im El Fajum

funden haben könne, bleibt aus'kulturgeschichtlichen Gründen ganz unglaublich.
Wenn es schou undenkbar ist, daß ein nicht dem königlichen Hause angehöriger,
und wäre es der vornehmste gewesen, in einer Königsgruft seine Stätte ge¬
funden hätte, so muß es als geradezu unmöglich betrachtet werden, daß ein
Glied jener geheiligten Familie, ein "Sohn der Sonne" (was dem chinesischen
"Sohn des Himmels" entspricht), in eine Gruft des Volkes gelegt worden sei.
In neuester Zeit sind zwar wieder zahlreiche Königsmumien in einer einfachen
Höhle gefunden worden, doch waren sie dort nicht ursprünglich bestattet, sondern,
wie dies in Kriegszeiten in Ägypten so oft geschehen ist, in diese künstlich ge¬
grabene und sehr versteckte Höhle geflüchtet worden, und zweitens (und das
ist die Hauptsache), sie waren dort ganz unter sich, ausschließlich in ihrer
eignen allerhöchsten und nllerheiligsten Gesellschaft. Einzig Königsmumien hat
Brugsch-Pascha in jener Notgrnft, in die er sich durch einen senkrechten Schacht
hinablassen mußte, angetroffen, in Rubajat ist aber allerlei Volk begraben.
Das ist noch maßgebender als die Armut der Grabkammer an sich. Es muß
also ganz unmöglich genannt werden, daß unter den Bildnissen von Nubajat
Angehörige des Pharaonenhauses der Lagiden zu erkennen seien. Man hat
dies behauptet, ja man wollte sogar einen Ptolemäos in einem dieser Bild¬
nisse, in einem andern Kleopatra, die letzte der Lagiden, erkennen, aber der
erklärliche Wunsch, geschichtliche Persönlichkeiten vor sich zu sehen, blieb ohne
Unterstützung, denn die Vergleichung dieser Köpfe mit denen auf Münzen der
Lagiden ergab nicht die leiseste Ähnlichkeit. Man muß vor solcher Taufe über¬
haupt warnen, sie liegt nicht im Interesse der Wissenschaft, mag es auch reizen,
so stolze Namen in Sammlungen aufweisen zu können.

Wenn nun aus den eben entwickelten Gründen Mitglieder des Königs-
hauses in diesen Bildnissen nicht gesucht werden dürfen, so ist auch die Deu¬
tung einer Eigentümlichkeit der Haartracht ans einigen als "Prinzenlocke"
irrig. Ob die archäologische Erklärung des an ägyptischen Statuen seitlich
am Kopfe plastisch angebrachten Ornaments als Zeichen eines jugendlichen
Prinzen richtig ist, mag hier dahingestellt bleiben. Hier liegt einfach ein <zu
xro Huo vor. Die betreffenden Bildnisse sind verkannt worden. Es handelt
sich auf ihnen "nicht um Jungen, sondern um Mädchen," daher rührt die
"Locke," die weder Prinzenlocke noch überhaupt Locke, sondern ein ganz harm¬
loser Frcinen- oder Mädchenzopf ist, der aus dem Hintergrunde hervorlugt.
Wie klar das für unbefangene Augen ist, erhellt daraus, daß der Besitzer der
Bilder ebenfalls das Geschlecht richtig erkannt und ein solches Bild als "Frau
mit Kugelzopf" beschrieben hatte. Wenn eins dieser Bildnisse, das etwas ältlich
und herbe erscheint, zur Mißdeutung verführen kam,, so ist doch bei einem
andern (Ur. l3), das eine ebenso bezopfte junge Frau darstellt, eine Ver-
kennung des Geschlechts ganz ausgeschlossen. Dazu kommt, daß das schöne
Knabenporträt Ur. 47, eins der besten der Sammlung, nicht bezopft ist. Wir


Die Nnmienbildnisse von Rubajat im El Fajum

funden haben könne, bleibt aus'kulturgeschichtlichen Gründen ganz unglaublich.
Wenn es schou undenkbar ist, daß ein nicht dem königlichen Hause angehöriger,
und wäre es der vornehmste gewesen, in einer Königsgruft seine Stätte ge¬
funden hätte, so muß es als geradezu unmöglich betrachtet werden, daß ein
Glied jener geheiligten Familie, ein „Sohn der Sonne" (was dem chinesischen
„Sohn des Himmels" entspricht), in eine Gruft des Volkes gelegt worden sei.
In neuester Zeit sind zwar wieder zahlreiche Königsmumien in einer einfachen
Höhle gefunden worden, doch waren sie dort nicht ursprünglich bestattet, sondern,
wie dies in Kriegszeiten in Ägypten so oft geschehen ist, in diese künstlich ge¬
grabene und sehr versteckte Höhle geflüchtet worden, und zweitens (und das
ist die Hauptsache), sie waren dort ganz unter sich, ausschließlich in ihrer
eignen allerhöchsten und nllerheiligsten Gesellschaft. Einzig Königsmumien hat
Brugsch-Pascha in jener Notgrnft, in die er sich durch einen senkrechten Schacht
hinablassen mußte, angetroffen, in Rubajat ist aber allerlei Volk begraben.
Das ist noch maßgebender als die Armut der Grabkammer an sich. Es muß
also ganz unmöglich genannt werden, daß unter den Bildnissen von Nubajat
Angehörige des Pharaonenhauses der Lagiden zu erkennen seien. Man hat
dies behauptet, ja man wollte sogar einen Ptolemäos in einem dieser Bild¬
nisse, in einem andern Kleopatra, die letzte der Lagiden, erkennen, aber der
erklärliche Wunsch, geschichtliche Persönlichkeiten vor sich zu sehen, blieb ohne
Unterstützung, denn die Vergleichung dieser Köpfe mit denen auf Münzen der
Lagiden ergab nicht die leiseste Ähnlichkeit. Man muß vor solcher Taufe über¬
haupt warnen, sie liegt nicht im Interesse der Wissenschaft, mag es auch reizen,
so stolze Namen in Sammlungen aufweisen zu können.

Wenn nun aus den eben entwickelten Gründen Mitglieder des Königs-
hauses in diesen Bildnissen nicht gesucht werden dürfen, so ist auch die Deu¬
tung einer Eigentümlichkeit der Haartracht ans einigen als „Prinzenlocke"
irrig. Ob die archäologische Erklärung des an ägyptischen Statuen seitlich
am Kopfe plastisch angebrachten Ornaments als Zeichen eines jugendlichen
Prinzen richtig ist, mag hier dahingestellt bleiben. Hier liegt einfach ein <zu
xro Huo vor. Die betreffenden Bildnisse sind verkannt worden. Es handelt
sich auf ihnen „nicht um Jungen, sondern um Mädchen," daher rührt die
„Locke," die weder Prinzenlocke noch überhaupt Locke, sondern ein ganz harm¬
loser Frcinen- oder Mädchenzopf ist, der aus dem Hintergrunde hervorlugt.
Wie klar das für unbefangene Augen ist, erhellt daraus, daß der Besitzer der
Bilder ebenfalls das Geschlecht richtig erkannt und ein solches Bild als „Frau
mit Kugelzopf" beschrieben hatte. Wenn eins dieser Bildnisse, das etwas ältlich
und herbe erscheint, zur Mißdeutung verführen kam,, so ist doch bei einem
andern (Ur. l3), das eine ebenso bezopfte junge Frau darstellt, eine Ver-
kennung des Geschlechts ganz ausgeschlossen. Dazu kommt, daß das schöne
Knabenporträt Ur. 47, eins der besten der Sammlung, nicht bezopft ist. Wir


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/582>, abgerufen am 28.09.2024.