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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Die Mnmienbildttisse von Rubajat im <Li LajuM

Wollen wir doch vor allen Dingen im Auge behalten, daß diese Bilder
Grabfunde und zwar eine Variante der vom Totenkult vorgeschriebenen Masken
sind, weshalb auch die Bildtafeln eine sür diesen Zweck bemessene geringe Größe
und Stärke besitzen. Die Stärke beträgt kaum drei Millimeter. Obwohl es
nun hieraus wahrscheinlich wird, daß die Bilder nur für die Mumien gefertigt
worden sind, so bleibt es doch auffallend, daß die darauf dargestellten Personen
in ihrer Mehrzahl der natürlichen Grenze des Lebens noch fern, meist sogar
in der Blüte der Jahre stehen. Dieser Umstand hat zu der meines Erachtens
irrigen Ansicht geführt, die Bildnisse hätten vor ihrer Mitgabe an die Mumie
als Schmuck der Wohnräume gedient. Infolge meiner Einwendungen (f. die
Köln. Ztg. v. 19. August 1888.) beschränkt man dies neuerdings auf die
bessern und giebt zu, die schlechter!? seien Kopien, welche die Nekropolenindustrie
nach Originalen hergestellt habe, die uns verloren gegangen sind. Das ist aber doch
ganz inkonsequent. Wir müssen, um ein endgiltiges Urteil zu gewinnen, die
eigentümliche Ausstattung und die noch viel eigentümlichere Tracht der dar¬
gestellten Personen näher ins Auge fassen. Viele tragen einen Goldkranz.
Dieser ist keineswegs, wie noch immer behauptet wird, ein Kennzeichen hoher
Stellung, sondern ein symbolischer Schmuck, den man als Zeichen eines Grades,
einer Würde im Tempel beim Opfer, bei der Feier der Mysterien und den
damit verbundenen festlichen Aufzügen und Gelagen anlegte. Der hieratische
Charakter der Goldkränze brachte es mit sich, daß auch sie wie so vieles andre,
z. B. Opfergefäße und Amulette, mit in das Grab gegeben und fogar den
Bildnissen aufgemalt wurden. Vielleicht sind die mit Gvldkranz gemalten
Mumien auch mit einem solchen in i^awr^ ausgerüstet gewesen, was die Raub¬
sucht der Fellahs, falls sie das durch Zufall oder Überlieferung wissen, erklären
würde. Unsre Museen sind reich an solchen Totenkränzen, namentlich die
Antiquarier von Berlin und München, und solche sind es, die die Bildnisse
von El Fajum ausweisen. Glücklicherweise liefert eins der Bildnisse einen
positiven Beweis; es trägt nämlich den Kranz, hier eine Art Diadem, mit
abwärts gekehrten Zinken. Diese Zinken haben die sehr beliebte ägyptische
Form des Phallus, des Symbols des Lebens. Im Leben wurde dieser Kranz
mit aufgerichteten Zinken getragen; daher stammen die Kronen. Daß mau ihn
unserm Bildnisse umgekehrt aufgemalt, die Phalluszeichen abwärts gewendet
hat, bedeutet dasselbe, wie die abwärts gekehrte Fackel der Griechen- An
ägyptischen Halsketten erscheint der Phallus ebenfalls entweder aufwärts oder
abwärts gekehrt. Diese sehr magere Goldmalerei deutet ebenfalls an, daß diese
Kränze dieselben sind wie die in unsern Museen aufbewahrten und im Golde
äußerst sparsam gehaltenen Tvtenkränze von mancherlei Formen, naturalistischen
und symbolischen. Bezeichnenderweise ist nur eines der als Prinzen (!) cmge-
sprochnen Bildnisse mit goldnem Lorbeerkranze geschmückt, die andern angeblichen
Prinzen erscheinen ganz schmucklos, während das Gegenteil der Fall sein müßte,


Die Mnmienbildttisse von Rubajat im <Li LajuM

Wollen wir doch vor allen Dingen im Auge behalten, daß diese Bilder
Grabfunde und zwar eine Variante der vom Totenkult vorgeschriebenen Masken
sind, weshalb auch die Bildtafeln eine sür diesen Zweck bemessene geringe Größe
und Stärke besitzen. Die Stärke beträgt kaum drei Millimeter. Obwohl es
nun hieraus wahrscheinlich wird, daß die Bilder nur für die Mumien gefertigt
worden sind, so bleibt es doch auffallend, daß die darauf dargestellten Personen
in ihrer Mehrzahl der natürlichen Grenze des Lebens noch fern, meist sogar
in der Blüte der Jahre stehen. Dieser Umstand hat zu der meines Erachtens
irrigen Ansicht geführt, die Bildnisse hätten vor ihrer Mitgabe an die Mumie
als Schmuck der Wohnräume gedient. Infolge meiner Einwendungen (f. die
Köln. Ztg. v. 19. August 1888.) beschränkt man dies neuerdings auf die
bessern und giebt zu, die schlechter!? seien Kopien, welche die Nekropolenindustrie
nach Originalen hergestellt habe, die uns verloren gegangen sind. Das ist aber doch
ganz inkonsequent. Wir müssen, um ein endgiltiges Urteil zu gewinnen, die
eigentümliche Ausstattung und die noch viel eigentümlichere Tracht der dar¬
gestellten Personen näher ins Auge fassen. Viele tragen einen Goldkranz.
Dieser ist keineswegs, wie noch immer behauptet wird, ein Kennzeichen hoher
Stellung, sondern ein symbolischer Schmuck, den man als Zeichen eines Grades,
einer Würde im Tempel beim Opfer, bei der Feier der Mysterien und den
damit verbundenen festlichen Aufzügen und Gelagen anlegte. Der hieratische
Charakter der Goldkränze brachte es mit sich, daß auch sie wie so vieles andre,
z. B. Opfergefäße und Amulette, mit in das Grab gegeben und fogar den
Bildnissen aufgemalt wurden. Vielleicht sind die mit Gvldkranz gemalten
Mumien auch mit einem solchen in i^awr^ ausgerüstet gewesen, was die Raub¬
sucht der Fellahs, falls sie das durch Zufall oder Überlieferung wissen, erklären
würde. Unsre Museen sind reich an solchen Totenkränzen, namentlich die
Antiquarier von Berlin und München, und solche sind es, die die Bildnisse
von El Fajum ausweisen. Glücklicherweise liefert eins der Bildnisse einen
positiven Beweis; es trägt nämlich den Kranz, hier eine Art Diadem, mit
abwärts gekehrten Zinken. Diese Zinken haben die sehr beliebte ägyptische
Form des Phallus, des Symbols des Lebens. Im Leben wurde dieser Kranz
mit aufgerichteten Zinken getragen; daher stammen die Kronen. Daß mau ihn
unserm Bildnisse umgekehrt aufgemalt, die Phalluszeichen abwärts gewendet
hat, bedeutet dasselbe, wie die abwärts gekehrte Fackel der Griechen- An
ägyptischen Halsketten erscheint der Phallus ebenfalls entweder aufwärts oder
abwärts gekehrt. Diese sehr magere Goldmalerei deutet ebenfalls an, daß diese
Kränze dieselben sind wie die in unsern Museen aufbewahrten und im Golde
äußerst sparsam gehaltenen Tvtenkränze von mancherlei Formen, naturalistischen
und symbolischen. Bezeichnenderweise ist nur eines der als Prinzen (!) cmge-
sprochnen Bildnisse mit goldnem Lorbeerkranze geschmückt, die andern angeblichen
Prinzen erscheinen ganz schmucklos, während das Gegenteil der Fall sein müßte,


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[0578] Die Mnmienbildttisse von Rubajat im <Li LajuM Wollen wir doch vor allen Dingen im Auge behalten, daß diese Bilder Grabfunde und zwar eine Variante der vom Totenkult vorgeschriebenen Masken sind, weshalb auch die Bildtafeln eine sür diesen Zweck bemessene geringe Größe und Stärke besitzen. Die Stärke beträgt kaum drei Millimeter. Obwohl es nun hieraus wahrscheinlich wird, daß die Bilder nur für die Mumien gefertigt worden sind, so bleibt es doch auffallend, daß die darauf dargestellten Personen in ihrer Mehrzahl der natürlichen Grenze des Lebens noch fern, meist sogar in der Blüte der Jahre stehen. Dieser Umstand hat zu der meines Erachtens irrigen Ansicht geführt, die Bildnisse hätten vor ihrer Mitgabe an die Mumie als Schmuck der Wohnräume gedient. Infolge meiner Einwendungen (f. die Köln. Ztg. v. 19. August 1888.) beschränkt man dies neuerdings auf die bessern und giebt zu, die schlechter!? seien Kopien, welche die Nekropolenindustrie nach Originalen hergestellt habe, die uns verloren gegangen sind. Das ist aber doch ganz inkonsequent. Wir müssen, um ein endgiltiges Urteil zu gewinnen, die eigentümliche Ausstattung und die noch viel eigentümlichere Tracht der dar¬ gestellten Personen näher ins Auge fassen. Viele tragen einen Goldkranz. Dieser ist keineswegs, wie noch immer behauptet wird, ein Kennzeichen hoher Stellung, sondern ein symbolischer Schmuck, den man als Zeichen eines Grades, einer Würde im Tempel beim Opfer, bei der Feier der Mysterien und den damit verbundenen festlichen Aufzügen und Gelagen anlegte. Der hieratische Charakter der Goldkränze brachte es mit sich, daß auch sie wie so vieles andre, z. B. Opfergefäße und Amulette, mit in das Grab gegeben und fogar den Bildnissen aufgemalt wurden. Vielleicht sind die mit Gvldkranz gemalten Mumien auch mit einem solchen in i^awr^ ausgerüstet gewesen, was die Raub¬ sucht der Fellahs, falls sie das durch Zufall oder Überlieferung wissen, erklären würde. Unsre Museen sind reich an solchen Totenkränzen, namentlich die Antiquarier von Berlin und München, und solche sind es, die die Bildnisse von El Fajum ausweisen. Glücklicherweise liefert eins der Bildnisse einen positiven Beweis; es trägt nämlich den Kranz, hier eine Art Diadem, mit abwärts gekehrten Zinken. Diese Zinken haben die sehr beliebte ägyptische Form des Phallus, des Symbols des Lebens. Im Leben wurde dieser Kranz mit aufgerichteten Zinken getragen; daher stammen die Kronen. Daß mau ihn unserm Bildnisse umgekehrt aufgemalt, die Phalluszeichen abwärts gewendet hat, bedeutet dasselbe, wie die abwärts gekehrte Fackel der Griechen- An ägyptischen Halsketten erscheint der Phallus ebenfalls entweder aufwärts oder abwärts gekehrt. Diese sehr magere Goldmalerei deutet ebenfalls an, daß diese Kränze dieselben sind wie die in unsern Museen aufbewahrten und im Golde äußerst sparsam gehaltenen Tvtenkränze von mancherlei Formen, naturalistischen und symbolischen. Bezeichnenderweise ist nur eines der als Prinzen (!) cmge- sprochnen Bildnisse mit goldnem Lorbeerkranze geschmückt, die andern angeblichen Prinzen erscheinen ganz schmucklos, während das Gegenteil der Fall sein müßte,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/578>, abgerufen am 29.06.2024.