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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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lange damit keine wesentliche Erhöhung der Gefahr verbunden ist, ist sie ent¬
schieden ein Fortschritt, und wenn, wie man mit Genugthuung sagen kann,
die Erfindung neuer, außerordentlich wirksamer Bremsvorrichtuugeu und Weichen¬
stellungsmaschinen gleichzeitig die Eisenbahnnnfülle in dem deswegen früher so
berüchtigten England auf ein verschwindendes Maß verringert hat, so kann
man diesen Fortschritt nur mit Freuden begrüßen. Die Trennung zwischen
Lokal- und Durchgangsverkehr ist in England in einer in Deutschland unerreichten
Weise durchgeführt, und der erzielte Zeitgewinn wird noch dadurch bedeutend
erhöht, daß die englischen Lokomotiven nirgends durch den Maugel an Wasser
aufgehalten werden können. Durch eine höchst sinnreiche Einrichtung wird es
ihnen ermöglicht, unterwegs und zwar bei fast unverminderter Fahrgeschwin¬
digkeit das zur Erzeugung des Dampfes erforderliche Wasser aufzunehmen.
Mitten zwischen den Schienen des Gleises befinden sich in regelmäßigen
Zwischenräumen lange, niedrige Tröge, die mit Wasser gefüllt sind. Bedarf
der Wasserbehälter der Lokomotive der Füllung, so läßt der Maschinist, wäh¬
rend der Zug über einen solchen Trog dahinfährt, vorn zwischen den Augen
der Lokomotive eine schaufelartige Vorrichtung herab, die beinahe bis an den
Boden des Troges reicht und an der das Wasser gerade infolge des durch
die rasche Vorwärtsbewegung des Zuges ausgeübten Druckes emporsteigt und,
bis zum Behälter geleitet, diesen im Nu füllt, worauf die Öffnung sich wieder
schließt. Es könnten daher bei genügenden Kvhlenvvrräten die Züge die ganze
Länge und Breite der Insel ohne anzuhalten durchmessen, wenn sich nicht
wenigstens alle 2>/z bis 3 Stunden ein Aufenthalt nötig machte, um das er¬
hitzte Räderwerk zu untersuchen und sich etwas abkühlen zu lassen.

Auch hinsichtlich der dem Reisenden gebvtnen Bequemlichkeiten stehen die
englischen Eisenbahnen in neuester Zeit deu deutsche"! voran. Ein sehr wich¬
tiger, hier erwähnenswerter Umstand ist es, daß die englischen Züge viel ge¬
räuschloser fahren und den Reisenden viel weniger schütteln, als die deutschen.
Es ist ein wahres Vergnügen, in solcher fliegender Eile und doch so leicht,
geräuschlos und sanft dahingetragen zu werden, und wie angenehm ist es, im
Kupee bequem lesen, ja sogar schreiben zu können! Ich wiederhole aber, es sind
das Fortschritte der neuesten Zeit; früher war das Material schlechter, entschieden
schlechter als in Deutschland, und wer das Glück hatte, in einem Schnellzuge dritter
Klasse zu fahren, konnte in unglaublich kurzer Zeit eine gründliche Massagekur
durchmachen. Was die Ausstattung der Vahnwagen anlangt, so ist auch in
dieser Hinsicht infolge der großen Konkurrenz zwischen den einzelnen Linien
und Gesellschaften in den letzten Jahren ein großer Fortschritt gemacht worden.
Eine vierte Klasse giebt es bekanntlich in England nicht, und auf der großen
Midland Nailway, sowie auf einer Anzahl weniger bedeutender Linien auch
keine zweite, dafür sind aber auf sämtlichen englischen Eisenbahnen die Wagen
der dritten Klasse mit gepolsterten Sitzen und Rückenlehnen versehen. Allerdings


lange damit keine wesentliche Erhöhung der Gefahr verbunden ist, ist sie ent¬
schieden ein Fortschritt, und wenn, wie man mit Genugthuung sagen kann,
die Erfindung neuer, außerordentlich wirksamer Bremsvorrichtuugeu und Weichen¬
stellungsmaschinen gleichzeitig die Eisenbahnnnfülle in dem deswegen früher so
berüchtigten England auf ein verschwindendes Maß verringert hat, so kann
man diesen Fortschritt nur mit Freuden begrüßen. Die Trennung zwischen
Lokal- und Durchgangsverkehr ist in England in einer in Deutschland unerreichten
Weise durchgeführt, und der erzielte Zeitgewinn wird noch dadurch bedeutend
erhöht, daß die englischen Lokomotiven nirgends durch den Maugel an Wasser
aufgehalten werden können. Durch eine höchst sinnreiche Einrichtung wird es
ihnen ermöglicht, unterwegs und zwar bei fast unverminderter Fahrgeschwin¬
digkeit das zur Erzeugung des Dampfes erforderliche Wasser aufzunehmen.
Mitten zwischen den Schienen des Gleises befinden sich in regelmäßigen
Zwischenräumen lange, niedrige Tröge, die mit Wasser gefüllt sind. Bedarf
der Wasserbehälter der Lokomotive der Füllung, so läßt der Maschinist, wäh¬
rend der Zug über einen solchen Trog dahinfährt, vorn zwischen den Augen
der Lokomotive eine schaufelartige Vorrichtung herab, die beinahe bis an den
Boden des Troges reicht und an der das Wasser gerade infolge des durch
die rasche Vorwärtsbewegung des Zuges ausgeübten Druckes emporsteigt und,
bis zum Behälter geleitet, diesen im Nu füllt, worauf die Öffnung sich wieder
schließt. Es könnten daher bei genügenden Kvhlenvvrräten die Züge die ganze
Länge und Breite der Insel ohne anzuhalten durchmessen, wenn sich nicht
wenigstens alle 2>/z bis 3 Stunden ein Aufenthalt nötig machte, um das er¬
hitzte Räderwerk zu untersuchen und sich etwas abkühlen zu lassen.

Auch hinsichtlich der dem Reisenden gebvtnen Bequemlichkeiten stehen die
englischen Eisenbahnen in neuester Zeit deu deutsche»! voran. Ein sehr wich¬
tiger, hier erwähnenswerter Umstand ist es, daß die englischen Züge viel ge¬
räuschloser fahren und den Reisenden viel weniger schütteln, als die deutschen.
Es ist ein wahres Vergnügen, in solcher fliegender Eile und doch so leicht,
geräuschlos und sanft dahingetragen zu werden, und wie angenehm ist es, im
Kupee bequem lesen, ja sogar schreiben zu können! Ich wiederhole aber, es sind
das Fortschritte der neuesten Zeit; früher war das Material schlechter, entschieden
schlechter als in Deutschland, und wer das Glück hatte, in einem Schnellzuge dritter
Klasse zu fahren, konnte in unglaublich kurzer Zeit eine gründliche Massagekur
durchmachen. Was die Ausstattung der Vahnwagen anlangt, so ist auch in
dieser Hinsicht infolge der großen Konkurrenz zwischen den einzelnen Linien
und Gesellschaften in den letzten Jahren ein großer Fortschritt gemacht worden.
Eine vierte Klasse giebt es bekanntlich in England nicht, und auf der großen
Midland Nailway, sowie auf einer Anzahl weniger bedeutender Linien auch
keine zweite, dafür sind aber auf sämtlichen englischen Eisenbahnen die Wagen
der dritten Klasse mit gepolsterten Sitzen und Rückenlehnen versehen. Allerdings


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[0560] lange damit keine wesentliche Erhöhung der Gefahr verbunden ist, ist sie ent¬ schieden ein Fortschritt, und wenn, wie man mit Genugthuung sagen kann, die Erfindung neuer, außerordentlich wirksamer Bremsvorrichtuugeu und Weichen¬ stellungsmaschinen gleichzeitig die Eisenbahnnnfülle in dem deswegen früher so berüchtigten England auf ein verschwindendes Maß verringert hat, so kann man diesen Fortschritt nur mit Freuden begrüßen. Die Trennung zwischen Lokal- und Durchgangsverkehr ist in England in einer in Deutschland unerreichten Weise durchgeführt, und der erzielte Zeitgewinn wird noch dadurch bedeutend erhöht, daß die englischen Lokomotiven nirgends durch den Maugel an Wasser aufgehalten werden können. Durch eine höchst sinnreiche Einrichtung wird es ihnen ermöglicht, unterwegs und zwar bei fast unverminderter Fahrgeschwin¬ digkeit das zur Erzeugung des Dampfes erforderliche Wasser aufzunehmen. Mitten zwischen den Schienen des Gleises befinden sich in regelmäßigen Zwischenräumen lange, niedrige Tröge, die mit Wasser gefüllt sind. Bedarf der Wasserbehälter der Lokomotive der Füllung, so läßt der Maschinist, wäh¬ rend der Zug über einen solchen Trog dahinfährt, vorn zwischen den Augen der Lokomotive eine schaufelartige Vorrichtung herab, die beinahe bis an den Boden des Troges reicht und an der das Wasser gerade infolge des durch die rasche Vorwärtsbewegung des Zuges ausgeübten Druckes emporsteigt und, bis zum Behälter geleitet, diesen im Nu füllt, worauf die Öffnung sich wieder schließt. Es könnten daher bei genügenden Kvhlenvvrräten die Züge die ganze Länge und Breite der Insel ohne anzuhalten durchmessen, wenn sich nicht wenigstens alle 2>/z bis 3 Stunden ein Aufenthalt nötig machte, um das er¬ hitzte Räderwerk zu untersuchen und sich etwas abkühlen zu lassen. Auch hinsichtlich der dem Reisenden gebvtnen Bequemlichkeiten stehen die englischen Eisenbahnen in neuester Zeit deu deutsche»! voran. Ein sehr wich¬ tiger, hier erwähnenswerter Umstand ist es, daß die englischen Züge viel ge¬ räuschloser fahren und den Reisenden viel weniger schütteln, als die deutschen. Es ist ein wahres Vergnügen, in solcher fliegender Eile und doch so leicht, geräuschlos und sanft dahingetragen zu werden, und wie angenehm ist es, im Kupee bequem lesen, ja sogar schreiben zu können! Ich wiederhole aber, es sind das Fortschritte der neuesten Zeit; früher war das Material schlechter, entschieden schlechter als in Deutschland, und wer das Glück hatte, in einem Schnellzuge dritter Klasse zu fahren, konnte in unglaublich kurzer Zeit eine gründliche Massagekur durchmachen. Was die Ausstattung der Vahnwagen anlangt, so ist auch in dieser Hinsicht infolge der großen Konkurrenz zwischen den einzelnen Linien und Gesellschaften in den letzten Jahren ein großer Fortschritt gemacht worden. Eine vierte Klasse giebt es bekanntlich in England nicht, und auf der großen Midland Nailway, sowie auf einer Anzahl weniger bedeutender Linien auch keine zweite, dafür sind aber auf sämtlichen englischen Eisenbahnen die Wagen der dritten Klasse mit gepolsterten Sitzen und Rückenlehnen versehen. Allerdings

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/560>, abgerufen am 29.06.2024.