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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Englische Technik und deutsche Konkurrenz

kräftigen Förderung seiner Interessen einen weitern Fortschritt auf allen Ge¬
bieten der Technik veranlassen und immer mehr das Handwerk selbst und die
Stellung seiner Vertreter heben. Es ist hoch erfreulich, zu sehen, wie in
neuester Zeit besonders bei uns in Deutschland das Kunstgewerbe empor¬
gekommen ist, und es ist anzunehmen, daß gerade auf diesem Gebiete sich
Deutschland mit der Zeit die Führerschaft aneignen wird.

Daß Staat und Gemeinde in wohlwollender Fürsorge für gewerbliche
Anstalten und Interessen wetteifern, anch dies ist dankbar anzuerkennen. Die
neuesten sozialpolitischen Schritte der deutschen Neichsregierung sind ein Beweis
dieses Wohlwollens und legen von dein Bewußtsein Zeugnis ab, daß, je mehr
der einzelne Mensch in dem Niesengetriebe der Gesnmtarbeit des Volkes zum
verschwindenden Atom, wird, er um so sorgfältiger gegen Ausbeutung geschlitzt
und davon überzeugt werden soll, daß er keine Maschine, sondern ein lebendiges
Glied des Gemeinwesens ist.

Wie sollte nicht jedem Deutschen das Herz höher schlagen, wenn er neben
den kriegerischen Lorbeer":, die sein Volk im Kampfe gegen den ränkesüchtigen
Nachbarn gesammelt hat, die Erfolge sieht, die es in friedlicher Arbeit errungen
hat? Ja, freuen sollen wir uns von Herzen über diese Zeugen deutscher Größe,
aber Nur wollen uns vor dem Übermute hüten. In dem stolzen Gefühl der
eignen Stärke die des Feindes verachten, das könnte unsrer Nation furchtbar
schade,?, und wenn wir meinten, das, was wir mit unsrer Industrie errungen
haben, sei auf ewig unser, wir könnten uns nur des Besitzes in voller Ruhe
erfreuen, so wäre das ein verhängnisvoller Irrtum. Ich habe schon zu An¬
fange darauf hingewiesen, welche Anstrengungen England macht, unsre lästige
Konkurrenz abzuschütteln, und davon können wir fest überzeugt sein, diese
Anstrengnttgeu wird es noch verdoppeln, wenn sie sich als ungenügend erweisen
sollten. Wir dürfen uns keinen Illusionen in dieser Beziehung hingeben; jeder
Zoll unsres Handelsgebietes muß durch mühsames Ringen erkämpft werden.
Also Sicherheit ist hier gar nicht am Platze, sondern nur tüchtige, stille, be¬
harrliche Arbeit. Denn wir sind in vielen Dingen den Engländern auf dem
Gebiete der Technik uoch nicht gewachsen; wie wenig ziemt uns also eitle
llberhebung? Den allgemeinen Zug der Solidität, der durch die englische In¬
dustrie geht, habe ich schon gelegentlich erwähnt, aber er ist zu bedeutsam, als
daß er nicht besondre Beachtung verdiente. Ich glaube, jedermann, der in
England gewesen ist, wird nur beistimmen, wenn ich behaupte: die Erzeugnisse
der englischen Industrie, mögen es nun Lokomotiven oder Taschenmesser,
Teppiche oder Schnürsenkel, Zimmereinrichtungen oder Manschettenknöpfe sein,
alle sind gediegen, praktisch, dauerhaft. Es ist uicht gesagt, daß man in
Deutschland zu demselben Preise nicht Waren von derselben Güte bekommen
könnte, aber das ist sicher, daß sie bei uns meist in weit geringerer Güte ver¬
kauft werden. Ohne Zweifel sind an diesem Umstände die Käufer zum großen


Englische Technik und deutsche Konkurrenz

kräftigen Förderung seiner Interessen einen weitern Fortschritt auf allen Ge¬
bieten der Technik veranlassen und immer mehr das Handwerk selbst und die
Stellung seiner Vertreter heben. Es ist hoch erfreulich, zu sehen, wie in
neuester Zeit besonders bei uns in Deutschland das Kunstgewerbe empor¬
gekommen ist, und es ist anzunehmen, daß gerade auf diesem Gebiete sich
Deutschland mit der Zeit die Führerschaft aneignen wird.

Daß Staat und Gemeinde in wohlwollender Fürsorge für gewerbliche
Anstalten und Interessen wetteifern, anch dies ist dankbar anzuerkennen. Die
neuesten sozialpolitischen Schritte der deutschen Neichsregierung sind ein Beweis
dieses Wohlwollens und legen von dein Bewußtsein Zeugnis ab, daß, je mehr
der einzelne Mensch in dem Niesengetriebe der Gesnmtarbeit des Volkes zum
verschwindenden Atom, wird, er um so sorgfältiger gegen Ausbeutung geschlitzt
und davon überzeugt werden soll, daß er keine Maschine, sondern ein lebendiges
Glied des Gemeinwesens ist.

Wie sollte nicht jedem Deutschen das Herz höher schlagen, wenn er neben
den kriegerischen Lorbeer«:, die sein Volk im Kampfe gegen den ränkesüchtigen
Nachbarn gesammelt hat, die Erfolge sieht, die es in friedlicher Arbeit errungen
hat? Ja, freuen sollen wir uns von Herzen über diese Zeugen deutscher Größe,
aber Nur wollen uns vor dem Übermute hüten. In dem stolzen Gefühl der
eignen Stärke die des Feindes verachten, das könnte unsrer Nation furchtbar
schade,?, und wenn wir meinten, das, was wir mit unsrer Industrie errungen
haben, sei auf ewig unser, wir könnten uns nur des Besitzes in voller Ruhe
erfreuen, so wäre das ein verhängnisvoller Irrtum. Ich habe schon zu An¬
fange darauf hingewiesen, welche Anstrengungen England macht, unsre lästige
Konkurrenz abzuschütteln, und davon können wir fest überzeugt sein, diese
Anstrengnttgeu wird es noch verdoppeln, wenn sie sich als ungenügend erweisen
sollten. Wir dürfen uns keinen Illusionen in dieser Beziehung hingeben; jeder
Zoll unsres Handelsgebietes muß durch mühsames Ringen erkämpft werden.
Also Sicherheit ist hier gar nicht am Platze, sondern nur tüchtige, stille, be¬
harrliche Arbeit. Denn wir sind in vielen Dingen den Engländern auf dem
Gebiete der Technik uoch nicht gewachsen; wie wenig ziemt uns also eitle
llberhebung? Den allgemeinen Zug der Solidität, der durch die englische In¬
dustrie geht, habe ich schon gelegentlich erwähnt, aber er ist zu bedeutsam, als
daß er nicht besondre Beachtung verdiente. Ich glaube, jedermann, der in
England gewesen ist, wird nur beistimmen, wenn ich behaupte: die Erzeugnisse
der englischen Industrie, mögen es nun Lokomotiven oder Taschenmesser,
Teppiche oder Schnürsenkel, Zimmereinrichtungen oder Manschettenknöpfe sein,
alle sind gediegen, praktisch, dauerhaft. Es ist uicht gesagt, daß man in
Deutschland zu demselben Preise nicht Waren von derselben Güte bekommen
könnte, aber das ist sicher, daß sie bei uns meist in weit geringerer Güte ver¬
kauft werden. Ohne Zweifel sind an diesem Umstände die Käufer zum großen


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[0558] Englische Technik und deutsche Konkurrenz kräftigen Förderung seiner Interessen einen weitern Fortschritt auf allen Ge¬ bieten der Technik veranlassen und immer mehr das Handwerk selbst und die Stellung seiner Vertreter heben. Es ist hoch erfreulich, zu sehen, wie in neuester Zeit besonders bei uns in Deutschland das Kunstgewerbe empor¬ gekommen ist, und es ist anzunehmen, daß gerade auf diesem Gebiete sich Deutschland mit der Zeit die Führerschaft aneignen wird. Daß Staat und Gemeinde in wohlwollender Fürsorge für gewerbliche Anstalten und Interessen wetteifern, anch dies ist dankbar anzuerkennen. Die neuesten sozialpolitischen Schritte der deutschen Neichsregierung sind ein Beweis dieses Wohlwollens und legen von dein Bewußtsein Zeugnis ab, daß, je mehr der einzelne Mensch in dem Niesengetriebe der Gesnmtarbeit des Volkes zum verschwindenden Atom, wird, er um so sorgfältiger gegen Ausbeutung geschlitzt und davon überzeugt werden soll, daß er keine Maschine, sondern ein lebendiges Glied des Gemeinwesens ist. Wie sollte nicht jedem Deutschen das Herz höher schlagen, wenn er neben den kriegerischen Lorbeer«:, die sein Volk im Kampfe gegen den ränkesüchtigen Nachbarn gesammelt hat, die Erfolge sieht, die es in friedlicher Arbeit errungen hat? Ja, freuen sollen wir uns von Herzen über diese Zeugen deutscher Größe, aber Nur wollen uns vor dem Übermute hüten. In dem stolzen Gefühl der eignen Stärke die des Feindes verachten, das könnte unsrer Nation furchtbar schade,?, und wenn wir meinten, das, was wir mit unsrer Industrie errungen haben, sei auf ewig unser, wir könnten uns nur des Besitzes in voller Ruhe erfreuen, so wäre das ein verhängnisvoller Irrtum. Ich habe schon zu An¬ fange darauf hingewiesen, welche Anstrengungen England macht, unsre lästige Konkurrenz abzuschütteln, und davon können wir fest überzeugt sein, diese Anstrengnttgeu wird es noch verdoppeln, wenn sie sich als ungenügend erweisen sollten. Wir dürfen uns keinen Illusionen in dieser Beziehung hingeben; jeder Zoll unsres Handelsgebietes muß durch mühsames Ringen erkämpft werden. Also Sicherheit ist hier gar nicht am Platze, sondern nur tüchtige, stille, be¬ harrliche Arbeit. Denn wir sind in vielen Dingen den Engländern auf dem Gebiete der Technik uoch nicht gewachsen; wie wenig ziemt uns also eitle llberhebung? Den allgemeinen Zug der Solidität, der durch die englische In¬ dustrie geht, habe ich schon gelegentlich erwähnt, aber er ist zu bedeutsam, als daß er nicht besondre Beachtung verdiente. Ich glaube, jedermann, der in England gewesen ist, wird nur beistimmen, wenn ich behaupte: die Erzeugnisse der englischen Industrie, mögen es nun Lokomotiven oder Taschenmesser, Teppiche oder Schnürsenkel, Zimmereinrichtungen oder Manschettenknöpfe sein, alle sind gediegen, praktisch, dauerhaft. Es ist uicht gesagt, daß man in Deutschland zu demselben Preise nicht Waren von derselben Güte bekommen könnte, aber das ist sicher, daß sie bei uns meist in weit geringerer Güte ver¬ kauft werden. Ohne Zweifel sind an diesem Umstände die Käufer zum großen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/558>, abgerufen am 28.09.2024.