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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Harte Köpfe

Es war vergeblich. Eines Abends stellte sie wieder eine kleine eifer¬
süchtige Zänkerei an, und am nächsten Morgen erhielt ich ein kurzes Briefchen
von ihr, worin sie mir schrieb, sie sehe ein, daß sie mich nicht glücklich machen
könne, sie gebe mir mein Wort zurück und betrachte unser Verhältnis als aufgelöst.

Ich traute meinen Augen nicht, schrieb ihr umgehend, was ich zu sagen
hatte, bekam aber nur die kurze Antwort, ihr Entschluß sei unwiderruflich.

Ich ging hin. es hieß aber, sie sei nicht zu Hause. Ich wiederholte
meine Besuche; immer dieselbe Antwort. Sie zog aus und nahm ihre Woh¬
nung in einer Familie -- ich mußte es aufgeben, sie dort sprechen zu wollen.
Wollte ich sie in Gesellschaft treffen, so saßen zwei alte Damen in ihrem
Wagen, kurz, mit einer Rücksichtslosigkeit ohnegleichen brachte sie es Wochen
und Monate lang dahin', daß ich uicht einmal ein vernünftiges Wort mit ihr
sprechen konnte. Sie schloß sich einfach ein, verließ sich auf die konventionellen
Satzungen, die es dem aufkündigen Manne unmöglich machen, seine Anwesenheit
einer Dame aufzudrängen, und überließ es mir. fertig zu werden, wie ich
konnte. Endlich wurde ich ernstlich krank. Da schrieb ich ihr noch einmal
und verlangte sie zu sehen. Sie gewährte mir in Gnaden eine Audienz, und
als ich. nicht ohne Mühe, in ihre Wohnung hinaufgestiegen war, fand ich
neben ihr auf dem Sofa die alte Frau von Dolhagen, eine gemeinschaftliche
Bekannte -- sie hatte es richtig zu Stande gebracht, auch zu dieser Unter¬
redung eine Anstandsdame einzuladen. Da war ich mit ihr fertig; ich mußte
lachen, drehte mich um und ging hinaus, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Und nun kam es, wie ein Kenner es wohl hätte voraussagen können.
Ich war noch auf der Treppe, da hörte ich oben meinen Namen rufen, aber
ich schritt weiter und ging, ohne mich umzusehen, nach Hause. Ich bemerkte
allmählich, daß sie mir in Gesellschaft zu begegnen suchte, und kümmerte mich
nicht darum. Die Studien, um deretwillen ich mich in Wien aufgehalten hatte,
waren ihrem Ende nahe, und die Stadt war mir zuwider geworden. So
bereitete ich meine Reise nach Südafrika vor. Bis ich alles beendigt hatte,
Erging noch etwa ein Vierteljahr, und in dieser Zeit gelang es ihr einmal,
mich in einem Salon zu finden, in den noch niemand eingetreten war. Hastig
flüsterte sie eine Erkundigung nach meinem Ergehen, worauf ich ihr bemerkte,
ich würde wohl besser thun,'mich zurückzuziehen, da noch keine ältere Dame
zugegen sei. Sie wurde bleich, aber sie sprach kein Wort der Reue.

Als meine Abreise unmittelbar bevorstand, erhielt ich einen Brief von
ihr. in dem sie mich bat, ihr noch einen Besuch zu machen. Ich beschloß, an¬
ständiger zu sein als sie, und ging hin. Hätte sie als Mensch gegen Mensch
sich hingestellt und einfach gesagt: Ich habe gesündigt gegen dich, vergieb nur.
vielleicht hätte ich verziehen, aber sie blieb das verantwortungslose Geschöpf,
das sie gewesen war; ihr erstes Wort klang, als ob es keine Vergangenheit
zwischen uns gegeben hätte, es war ein Wort des Bedauerns darüber, daß ich


Harte Köpfe

Es war vergeblich. Eines Abends stellte sie wieder eine kleine eifer¬
süchtige Zänkerei an, und am nächsten Morgen erhielt ich ein kurzes Briefchen
von ihr, worin sie mir schrieb, sie sehe ein, daß sie mich nicht glücklich machen
könne, sie gebe mir mein Wort zurück und betrachte unser Verhältnis als aufgelöst.

Ich traute meinen Augen nicht, schrieb ihr umgehend, was ich zu sagen
hatte, bekam aber nur die kurze Antwort, ihr Entschluß sei unwiderruflich.

Ich ging hin. es hieß aber, sie sei nicht zu Hause. Ich wiederholte
meine Besuche; immer dieselbe Antwort. Sie zog aus und nahm ihre Woh¬
nung in einer Familie — ich mußte es aufgeben, sie dort sprechen zu wollen.
Wollte ich sie in Gesellschaft treffen, so saßen zwei alte Damen in ihrem
Wagen, kurz, mit einer Rücksichtslosigkeit ohnegleichen brachte sie es Wochen
und Monate lang dahin', daß ich uicht einmal ein vernünftiges Wort mit ihr
sprechen konnte. Sie schloß sich einfach ein, verließ sich auf die konventionellen
Satzungen, die es dem aufkündigen Manne unmöglich machen, seine Anwesenheit
einer Dame aufzudrängen, und überließ es mir. fertig zu werden, wie ich
konnte. Endlich wurde ich ernstlich krank. Da schrieb ich ihr noch einmal
und verlangte sie zu sehen. Sie gewährte mir in Gnaden eine Audienz, und
als ich. nicht ohne Mühe, in ihre Wohnung hinaufgestiegen war, fand ich
neben ihr auf dem Sofa die alte Frau von Dolhagen, eine gemeinschaftliche
Bekannte — sie hatte es richtig zu Stande gebracht, auch zu dieser Unter¬
redung eine Anstandsdame einzuladen. Da war ich mit ihr fertig; ich mußte
lachen, drehte mich um und ging hinaus, ohne ein Wort gesagt zu haben.

Und nun kam es, wie ein Kenner es wohl hätte voraussagen können.
Ich war noch auf der Treppe, da hörte ich oben meinen Namen rufen, aber
ich schritt weiter und ging, ohne mich umzusehen, nach Hause. Ich bemerkte
allmählich, daß sie mir in Gesellschaft zu begegnen suchte, und kümmerte mich
nicht darum. Die Studien, um deretwillen ich mich in Wien aufgehalten hatte,
waren ihrem Ende nahe, und die Stadt war mir zuwider geworden. So
bereitete ich meine Reise nach Südafrika vor. Bis ich alles beendigt hatte,
Erging noch etwa ein Vierteljahr, und in dieser Zeit gelang es ihr einmal,
mich in einem Salon zu finden, in den noch niemand eingetreten war. Hastig
flüsterte sie eine Erkundigung nach meinem Ergehen, worauf ich ihr bemerkte,
ich würde wohl besser thun,'mich zurückzuziehen, da noch keine ältere Dame
zugegen sei. Sie wurde bleich, aber sie sprach kein Wort der Reue.

Als meine Abreise unmittelbar bevorstand, erhielt ich einen Brief von
ihr. in dem sie mich bat, ihr noch einen Besuch zu machen. Ich beschloß, an¬
ständiger zu sein als sie, und ging hin. Hätte sie als Mensch gegen Mensch
sich hingestellt und einfach gesagt: Ich habe gesündigt gegen dich, vergieb nur.
vielleicht hätte ich verziehen, aber sie blieb das verantwortungslose Geschöpf,
das sie gewesen war; ihr erstes Wort klang, als ob es keine Vergangenheit
zwischen uns gegeben hätte, es war ein Wort des Bedauerns darüber, daß ich


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[0479] Harte Köpfe Es war vergeblich. Eines Abends stellte sie wieder eine kleine eifer¬ süchtige Zänkerei an, und am nächsten Morgen erhielt ich ein kurzes Briefchen von ihr, worin sie mir schrieb, sie sehe ein, daß sie mich nicht glücklich machen könne, sie gebe mir mein Wort zurück und betrachte unser Verhältnis als aufgelöst. Ich traute meinen Augen nicht, schrieb ihr umgehend, was ich zu sagen hatte, bekam aber nur die kurze Antwort, ihr Entschluß sei unwiderruflich. Ich ging hin. es hieß aber, sie sei nicht zu Hause. Ich wiederholte meine Besuche; immer dieselbe Antwort. Sie zog aus und nahm ihre Woh¬ nung in einer Familie — ich mußte es aufgeben, sie dort sprechen zu wollen. Wollte ich sie in Gesellschaft treffen, so saßen zwei alte Damen in ihrem Wagen, kurz, mit einer Rücksichtslosigkeit ohnegleichen brachte sie es Wochen und Monate lang dahin', daß ich uicht einmal ein vernünftiges Wort mit ihr sprechen konnte. Sie schloß sich einfach ein, verließ sich auf die konventionellen Satzungen, die es dem aufkündigen Manne unmöglich machen, seine Anwesenheit einer Dame aufzudrängen, und überließ es mir. fertig zu werden, wie ich konnte. Endlich wurde ich ernstlich krank. Da schrieb ich ihr noch einmal und verlangte sie zu sehen. Sie gewährte mir in Gnaden eine Audienz, und als ich. nicht ohne Mühe, in ihre Wohnung hinaufgestiegen war, fand ich neben ihr auf dem Sofa die alte Frau von Dolhagen, eine gemeinschaftliche Bekannte — sie hatte es richtig zu Stande gebracht, auch zu dieser Unter¬ redung eine Anstandsdame einzuladen. Da war ich mit ihr fertig; ich mußte lachen, drehte mich um und ging hinaus, ohne ein Wort gesagt zu haben. Und nun kam es, wie ein Kenner es wohl hätte voraussagen können. Ich war noch auf der Treppe, da hörte ich oben meinen Namen rufen, aber ich schritt weiter und ging, ohne mich umzusehen, nach Hause. Ich bemerkte allmählich, daß sie mir in Gesellschaft zu begegnen suchte, und kümmerte mich nicht darum. Die Studien, um deretwillen ich mich in Wien aufgehalten hatte, waren ihrem Ende nahe, und die Stadt war mir zuwider geworden. So bereitete ich meine Reise nach Südafrika vor. Bis ich alles beendigt hatte, Erging noch etwa ein Vierteljahr, und in dieser Zeit gelang es ihr einmal, mich in einem Salon zu finden, in den noch niemand eingetreten war. Hastig flüsterte sie eine Erkundigung nach meinem Ergehen, worauf ich ihr bemerkte, ich würde wohl besser thun,'mich zurückzuziehen, da noch keine ältere Dame zugegen sei. Sie wurde bleich, aber sie sprach kein Wort der Reue. Als meine Abreise unmittelbar bevorstand, erhielt ich einen Brief von ihr. in dem sie mich bat, ihr noch einen Besuch zu machen. Ich beschloß, an¬ ständiger zu sein als sie, und ging hin. Hätte sie als Mensch gegen Mensch sich hingestellt und einfach gesagt: Ich habe gesündigt gegen dich, vergieb nur. vielleicht hätte ich verziehen, aber sie blieb das verantwortungslose Geschöpf, das sie gewesen war; ihr erstes Wort klang, als ob es keine Vergangenheit zwischen uns gegeben hätte, es war ein Wort des Bedauerns darüber, daß ich

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/479>, abgerufen am 29.06.2024.