Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.Liu falscher Freiheitsheld des Altertums entgegen; Mitte Juli konnte er vor Rom stehen. Lepidus und Antonins waren Während sich in Italien die entsetzlichen Proskriptionen vorbereiteten, Es war ein Heil für die römische Welt, daß Brutus und Cassius, der Bezeichnend für die republikanische Überlieferung ist, das; Volumnius, um den sitt¬
lichen Bankerott seines Helden, der in den genannten Versen bezeugt ist, nicht Zuzugestehen, angab, er habe die betreffenden Verse vergessen. Liu falscher Freiheitsheld des Altertums entgegen; Mitte Juli konnte er vor Rom stehen. Lepidus und Antonins waren Während sich in Italien die entsetzlichen Proskriptionen vorbereiteten, Es war ein Heil für die römische Welt, daß Brutus und Cassius, der Bezeichnend für die republikanische Überlieferung ist, das; Volumnius, um den sitt¬
lichen Bankerott seines Helden, der in den genannten Versen bezeugt ist, nicht Zuzugestehen, angab, er habe die betreffenden Verse vergessen. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0421" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/204510"/> <fw type="header" place="top"> Liu falscher Freiheitsheld des Altertums</fw><lb/> <p xml:id="ID_1360" prev="#ID_1359"> entgegen; Mitte Juli konnte er vor Rom stehen. Lepidus und Antonins waren<lb/> damals noch lange nicht mit Oktavian um Reinen , und überdies stand ihnen<lb/> in Gallien das Senatsheer des D. Brutus und Plancus entgegen. Den<lb/> Streitkräften Oktavians aber war das Heer des Brutus weit überlegen. Aber<lb/> Brutus bemühte sich wohl, das Vermögen seines vom Senate geächteten<lb/> Schwagers Lepidus durch Ciceros Vermittlung der Familie zu erhalten, aber<lb/> für die Rettung Cieeros und des Senats, für die Rettung der Republik rührte<lb/> er keinen Finger. Dieses Verhalten kann ich, nach allein was vorhergegangen<lb/> war, nur als Verrat an der Sache, der er zu dienen vorgab, bezeichnen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1361"> Während sich in Italien die entsetzlichen Proskriptionen vorbereiteten,<lb/> führte er mit thrakischen Völkern Krieg, um Beute zu machen. Dann siel er<lb/> über Asien her wie ein Räuber; sogar die notwendigen Kriegsvorbereitungen<lb/> gegen die Trimnvirn wurden aus Habsucht vernachlässigt, weil Brutus erst<lb/> noch Lycien, Cassius Rhodus plündern wollte, ehe sie das adriatische Meer<lb/> in ihre Gewalt brachten. Die Bewohner von Xanthos brannten lieber ihre<lb/> Stadt an und gaben sich lieber mit Weib und Kind den Tod, als daß sie in<lb/> Hände des Brutus fallen wollten. Wenn Brutus beim Anblicke des brennenden<lb/> Tanthos Thränen vergoß, so erinnert das an das hohle schauspielerische Pathos,<lb/> womit er bei seinem Tode die Verse eines Tragikers gesprochen haben soll:<lb/> „Elende Tugend, du bist nur ein Wort; ich habe dich verehrt, als wärest du<lb/> mehr; du fröhnest dein Glück.""')</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Es war ein Heil für die römische Welt, daß Brutus und Cassius, der<lb/> ihn an Treulosigkeit und Habsucht noch übertraf, bei Philippi nicht gesiegt<lb/> haben. Um das Römerreich neu zu ordnen, die Heilung der sozialen Schäden<lb/> Anzuleiten, bedürfte es nicht der plumpen Hände dieser philosophischen Räuber,<lb/> sondern der feinen nud besonnenen Steuermannskunst eines Augustus. In<lb/> einem Punkte freilich gleicht Brutus dem Augustus und seinem großen<lb/> Adoptivvater: auch Brutus war ein Vertreter des Cäsarismus, sofern er eine<lb/> nngesetzniüßige Gewalt auf das Militär stützte. Nur waren seine Ziele klein¬<lb/> licher und roher als die Cäsars. Es fehlte ihm außer andern großen persön¬<lb/> lichen Eigenschaften erstens der umfassende Herrschaftsgedanke Cäsars, insofern<lb/> ^ gewillt war, nicht nur mit Cassius, sondern auch mit Antonins und Lepidus<lb/> M teilen und insofern er nicht einen innerlichen Ausgleich des griechischen mit<lb/> dem römischen Elemente anstrebte, sondern, aus dem vaterländischen Boden<lb/> entwurzelt, einseitig dein Griechentume zugethan war. Zweitens fehlte ihm<lb/> die- milde und maßvolle Form der Tyrannis, welche die Blüte des beherrschten<lb/> Landes, die Wohlfahrt der Unterthanen anstrebt. Drittens fehlte ihm Kraft</p><lb/> <note xml:id="FID_43" place="foot"> Bezeichnend für die republikanische Überlieferung ist, das; Volumnius, um den sitt¬<lb/> lichen Bankerott seines Helden, der in den genannten Versen bezeugt ist, nicht Zuzugestehen,<lb/> angab, er habe die betreffenden Verse vergessen.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0421]
Liu falscher Freiheitsheld des Altertums
entgegen; Mitte Juli konnte er vor Rom stehen. Lepidus und Antonins waren
damals noch lange nicht mit Oktavian um Reinen , und überdies stand ihnen
in Gallien das Senatsheer des D. Brutus und Plancus entgegen. Den
Streitkräften Oktavians aber war das Heer des Brutus weit überlegen. Aber
Brutus bemühte sich wohl, das Vermögen seines vom Senate geächteten
Schwagers Lepidus durch Ciceros Vermittlung der Familie zu erhalten, aber
für die Rettung Cieeros und des Senats, für die Rettung der Republik rührte
er keinen Finger. Dieses Verhalten kann ich, nach allein was vorhergegangen
war, nur als Verrat an der Sache, der er zu dienen vorgab, bezeichnen.
Während sich in Italien die entsetzlichen Proskriptionen vorbereiteten,
führte er mit thrakischen Völkern Krieg, um Beute zu machen. Dann siel er
über Asien her wie ein Räuber; sogar die notwendigen Kriegsvorbereitungen
gegen die Trimnvirn wurden aus Habsucht vernachlässigt, weil Brutus erst
noch Lycien, Cassius Rhodus plündern wollte, ehe sie das adriatische Meer
in ihre Gewalt brachten. Die Bewohner von Xanthos brannten lieber ihre
Stadt an und gaben sich lieber mit Weib und Kind den Tod, als daß sie in
Hände des Brutus fallen wollten. Wenn Brutus beim Anblicke des brennenden
Tanthos Thränen vergoß, so erinnert das an das hohle schauspielerische Pathos,
womit er bei seinem Tode die Verse eines Tragikers gesprochen haben soll:
„Elende Tugend, du bist nur ein Wort; ich habe dich verehrt, als wärest du
mehr; du fröhnest dein Glück.""')
Es war ein Heil für die römische Welt, daß Brutus und Cassius, der
ihn an Treulosigkeit und Habsucht noch übertraf, bei Philippi nicht gesiegt
haben. Um das Römerreich neu zu ordnen, die Heilung der sozialen Schäden
Anzuleiten, bedürfte es nicht der plumpen Hände dieser philosophischen Räuber,
sondern der feinen nud besonnenen Steuermannskunst eines Augustus. In
einem Punkte freilich gleicht Brutus dem Augustus und seinem großen
Adoptivvater: auch Brutus war ein Vertreter des Cäsarismus, sofern er eine
nngesetzniüßige Gewalt auf das Militär stützte. Nur waren seine Ziele klein¬
licher und roher als die Cäsars. Es fehlte ihm außer andern großen persön¬
lichen Eigenschaften erstens der umfassende Herrschaftsgedanke Cäsars, insofern
^ gewillt war, nicht nur mit Cassius, sondern auch mit Antonins und Lepidus
M teilen und insofern er nicht einen innerlichen Ausgleich des griechischen mit
dem römischen Elemente anstrebte, sondern, aus dem vaterländischen Boden
entwurzelt, einseitig dein Griechentume zugethan war. Zweitens fehlte ihm
die- milde und maßvolle Form der Tyrannis, welche die Blüte des beherrschten
Landes, die Wohlfahrt der Unterthanen anstrebt. Drittens fehlte ihm Kraft
Bezeichnend für die republikanische Überlieferung ist, das; Volumnius, um den sitt¬
lichen Bankerott seines Helden, der in den genannten Versen bezeugt ist, nicht Zuzugestehen,
angab, er habe die betreffenden Verse vergessen.
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