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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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Der Geheimmittelschwindel

die in jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber der des Polizeipräsidenten zu
Berlin enthielt und folgenden Wortlaut hat: "Stoffe und Zubereitungen jeder
Art, gleichviel ob arzneilich wirksam oder nicht, deren Feilhalten nicht jeder¬
mann freigegeben ist, d) deren Bestandteile dnrch ihre Benennung oder An¬
kündigung uicht für jedermann deutlich und zweifellos erkennbar gemacht sind
(Geheimmittel), dürfen als Heilmittel gegen Krankheiten und Körperschäden
von Menschen und Tieren weder öffentlich angekündigt noch angepriesen werden."

Die letzte Polizeiverwaltung kann man mit Rücksicht auf den vorhandenen
Rechtszustand geradezu als mustergiltig bezeichnen, und doch haben alle diese
Verordnungen das beklagenswerte Übel keineswegs beseitigt, sondern es sind
dadurch nur noch mehr Kreise, namentlich auch die zur Handhabung dieser
Verordnungen berufenen Polizeibehörden, in Mitleidenschaft gezogen worden.

Nicht als ob derartige Verordnungen rechtsuugiltig wären. Der so
gern gegenüber von Pvlizeivcrvrduungeu gebrauchte Einwand der Ungiltigkeit,
der gewöhnlich ein Zeichen für den Mangel sachlicher Einreden abgiebt,
ist natürlich auch gegenüber den eben erwähnten Verordnungen geltend gemacht
worden, einige Gerichte, wie das Landgericht I zu Berlin und das Landgericht
zu Duisburg haben anch entsprechend erkannt, wie auch der Kultusminister in
seiner Äußerung vom 17. Mürz 1888 sein Bedauern darüber nicht unter¬
drücken konnte, daß die Gerichte in dieser wichtigen Angelegenheit zum Teil
andrer Ansicht seien als die Landespolizeibehörden. Allein sowohl das Kammer¬
gericht zu Berlin als auch das Reichsgericht haben diesen Einwand verworfen,
da die Freigebung des Verkaufs gewisser Heilmittel nicht die Zulässigkeit der
Ankündigung oder gar der Anpreisung derselben zur Folge habe, Vorschriften,
welche die Ankündigung oder Anpreisung der Heilmittel regelten, aber weder
in der Reichsgewerbeordnung noch in den erwähnten kaiserlichen Verordnungen,
noch endlich im Reichsstrafgesetzbnch enthalten seien, diese Frage also durch
die Landesgesetzgebuug und namentlich auch durch Polizeivervrdnungen geregelt
werden könne. Es stehen aber sehr wichtige sachliche Schwierigkeiten dem
Erfolg solcher Polizeiverordnnngen entgegen.

Die zuerst entstehende Frage, was denn eigentlich ein Geheimmittel sei,
haben das Reichsgericht und das Kanunergericht dahin beantwortet, daß unter
einem Geheimmittel eine als Heilmittel, wenn auch nebenbei als Genußmittel
angekündigte Zubereitung zu verstehen sei, die weder vonseiten des Reichs als
Apothekerware anerkannt ist, noch ihre Bestandteile und deren Zusammensetzung
erkennen läßt, und zwar letzteres nicht nur dem Apotheker oder Drognisten,
sondern dem Publikum überhaupt. Je nach der Zusammensetzung entsteht
aber das weitere Bedenken, ob man es nun nicht mit einem zusammengesetzten
Arzneimittel nach der kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875 zu thun
habe. So wurde in einem Falle das dein freien Verkehr überlassene Kollodium
durch Zusatz eiuer Farbe zu einer Arzneimischung, einen: spirituösen Auszug,


Der Geheimmittelschwindel

die in jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber der des Polizeipräsidenten zu
Berlin enthielt und folgenden Wortlaut hat: „Stoffe und Zubereitungen jeder
Art, gleichviel ob arzneilich wirksam oder nicht, deren Feilhalten nicht jeder¬
mann freigegeben ist, d) deren Bestandteile dnrch ihre Benennung oder An¬
kündigung uicht für jedermann deutlich und zweifellos erkennbar gemacht sind
(Geheimmittel), dürfen als Heilmittel gegen Krankheiten und Körperschäden
von Menschen und Tieren weder öffentlich angekündigt noch angepriesen werden."

Die letzte Polizeiverwaltung kann man mit Rücksicht auf den vorhandenen
Rechtszustand geradezu als mustergiltig bezeichnen, und doch haben alle diese
Verordnungen das beklagenswerte Übel keineswegs beseitigt, sondern es sind
dadurch nur noch mehr Kreise, namentlich auch die zur Handhabung dieser
Verordnungen berufenen Polizeibehörden, in Mitleidenschaft gezogen worden.

Nicht als ob derartige Verordnungen rechtsuugiltig wären. Der so
gern gegenüber von Pvlizeivcrvrduungeu gebrauchte Einwand der Ungiltigkeit,
der gewöhnlich ein Zeichen für den Mangel sachlicher Einreden abgiebt,
ist natürlich auch gegenüber den eben erwähnten Verordnungen geltend gemacht
worden, einige Gerichte, wie das Landgericht I zu Berlin und das Landgericht
zu Duisburg haben anch entsprechend erkannt, wie auch der Kultusminister in
seiner Äußerung vom 17. Mürz 1888 sein Bedauern darüber nicht unter¬
drücken konnte, daß die Gerichte in dieser wichtigen Angelegenheit zum Teil
andrer Ansicht seien als die Landespolizeibehörden. Allein sowohl das Kammer¬
gericht zu Berlin als auch das Reichsgericht haben diesen Einwand verworfen,
da die Freigebung des Verkaufs gewisser Heilmittel nicht die Zulässigkeit der
Ankündigung oder gar der Anpreisung derselben zur Folge habe, Vorschriften,
welche die Ankündigung oder Anpreisung der Heilmittel regelten, aber weder
in der Reichsgewerbeordnung noch in den erwähnten kaiserlichen Verordnungen,
noch endlich im Reichsstrafgesetzbnch enthalten seien, diese Frage also durch
die Landesgesetzgebuug und namentlich auch durch Polizeivervrdnungen geregelt
werden könne. Es stehen aber sehr wichtige sachliche Schwierigkeiten dem
Erfolg solcher Polizeiverordnnngen entgegen.

Die zuerst entstehende Frage, was denn eigentlich ein Geheimmittel sei,
haben das Reichsgericht und das Kanunergericht dahin beantwortet, daß unter
einem Geheimmittel eine als Heilmittel, wenn auch nebenbei als Genußmittel
angekündigte Zubereitung zu verstehen sei, die weder vonseiten des Reichs als
Apothekerware anerkannt ist, noch ihre Bestandteile und deren Zusammensetzung
erkennen läßt, und zwar letzteres nicht nur dem Apotheker oder Drognisten,
sondern dem Publikum überhaupt. Je nach der Zusammensetzung entsteht
aber das weitere Bedenken, ob man es nun nicht mit einem zusammengesetzten
Arzneimittel nach der kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875 zu thun
habe. So wurde in einem Falle das dein freien Verkehr überlassene Kollodium
durch Zusatz eiuer Farbe zu einer Arzneimischung, einen: spirituösen Auszug,


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[0362] Der Geheimmittelschwindel die in jeder Hinsicht eine Verbesserung gegenüber der des Polizeipräsidenten zu Berlin enthielt und folgenden Wortlaut hat: „Stoffe und Zubereitungen jeder Art, gleichviel ob arzneilich wirksam oder nicht, deren Feilhalten nicht jeder¬ mann freigegeben ist, d) deren Bestandteile dnrch ihre Benennung oder An¬ kündigung uicht für jedermann deutlich und zweifellos erkennbar gemacht sind (Geheimmittel), dürfen als Heilmittel gegen Krankheiten und Körperschäden von Menschen und Tieren weder öffentlich angekündigt noch angepriesen werden." Die letzte Polizeiverwaltung kann man mit Rücksicht auf den vorhandenen Rechtszustand geradezu als mustergiltig bezeichnen, und doch haben alle diese Verordnungen das beklagenswerte Übel keineswegs beseitigt, sondern es sind dadurch nur noch mehr Kreise, namentlich auch die zur Handhabung dieser Verordnungen berufenen Polizeibehörden, in Mitleidenschaft gezogen worden. Nicht als ob derartige Verordnungen rechtsuugiltig wären. Der so gern gegenüber von Pvlizeivcrvrduungeu gebrauchte Einwand der Ungiltigkeit, der gewöhnlich ein Zeichen für den Mangel sachlicher Einreden abgiebt, ist natürlich auch gegenüber den eben erwähnten Verordnungen geltend gemacht worden, einige Gerichte, wie das Landgericht I zu Berlin und das Landgericht zu Duisburg haben anch entsprechend erkannt, wie auch der Kultusminister in seiner Äußerung vom 17. Mürz 1888 sein Bedauern darüber nicht unter¬ drücken konnte, daß die Gerichte in dieser wichtigen Angelegenheit zum Teil andrer Ansicht seien als die Landespolizeibehörden. Allein sowohl das Kammer¬ gericht zu Berlin als auch das Reichsgericht haben diesen Einwand verworfen, da die Freigebung des Verkaufs gewisser Heilmittel nicht die Zulässigkeit der Ankündigung oder gar der Anpreisung derselben zur Folge habe, Vorschriften, welche die Ankündigung oder Anpreisung der Heilmittel regelten, aber weder in der Reichsgewerbeordnung noch in den erwähnten kaiserlichen Verordnungen, noch endlich im Reichsstrafgesetzbnch enthalten seien, diese Frage also durch die Landesgesetzgebuug und namentlich auch durch Polizeivervrdnungen geregelt werden könne. Es stehen aber sehr wichtige sachliche Schwierigkeiten dem Erfolg solcher Polizeiverordnnngen entgegen. Die zuerst entstehende Frage, was denn eigentlich ein Geheimmittel sei, haben das Reichsgericht und das Kanunergericht dahin beantwortet, daß unter einem Geheimmittel eine als Heilmittel, wenn auch nebenbei als Genußmittel angekündigte Zubereitung zu verstehen sei, die weder vonseiten des Reichs als Apothekerware anerkannt ist, noch ihre Bestandteile und deren Zusammensetzung erkennen läßt, und zwar letzteres nicht nur dem Apotheker oder Drognisten, sondern dem Publikum überhaupt. Je nach der Zusammensetzung entsteht aber das weitere Bedenken, ob man es nun nicht mit einem zusammengesetzten Arzneimittel nach der kaiserlichen Verordnung vom 4. Januar 1875 zu thun habe. So wurde in einem Falle das dein freien Verkehr überlassene Kollodium durch Zusatz eiuer Farbe zu einer Arzneimischung, einen: spirituösen Auszug,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/362>, abgerufen am 26.06.2024.