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Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr.

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wie der gegenwärtige ist. erfordert wurde. Ihr Gewand ist meisterhaft geworfen,
und es kam: die Künstler lehren, wie sie den Purpur der Alten unten sollen.
Es ist nicht allgemein bekannt, daß der Purpur die Farbe von Weinblättern
gehabt, wenn sie anfangen welk zu U'erden und zu gleicher Zeit ins rötliche
fallen. König Seleucus steht hinter ihr in einer dunkeln Kleidung, um die
Hauptfigur uoch mehr zu heben und teils um die Stratonice nicht in Ver¬
wirrung zu- setzen, teils um den Prinzen nicht beschämt zu macheu oder dessen
Freude zu stören. Erwartung und Zufriedenheit schildern sich zu gleicher Zeit
in seinem Gesichte, welches der Künstler nach dein Profil der besten Köpfe ans
dessen Mürzen genommen hat. Der Prinz, ein schöner Jüngling, der auf
dem Bette halb nackend aufgerichtet sitzt, hat die Ähnlichkeit vom Vater und
vou feinen Münzen. Sein blasses Gesicht zeugt von dem Fieber, welches
in seinen Adern gewütet, allein man glaub: schon den Anfang der Genesung
zu spüren aus der wenigen aufsteigenden Röte, die nicht durch die Scham
gewü'rkt worden. Der Arzt und Priester Erasistrntus, ehrwürdig wie des
Homers Kalchas, welcher vor dem Bette steht" ist die ans Vollmacht des Königs
redende Person und erkläret dem Prinzen den Willen des Königs; und indem
er ihm mit der einen Hand die .Königin zuführet, so überreicht er ihm mit der
andern Hand das Diadem. Frende und Verwunderung wollen aus dem Gesichte
des Prinzen bei Annäherung der Königin hervorbrechen,


Und jedem Blick von ihr wMt dessen Herz entgegen.

die aber dnrch die Ehrfurcht in der edelsten Stille gehalten werden, so
daß er gleichsam sein Glück und gebeugtem Haupte zu überdenken scheinet. Alle
Charaktere, die der Künstler seinen' handelnden Personen gegeben, sind mit
solcher Weisheit ausgeteilet, daß ein jeder dem andern Erhabenheit und Nach¬
druck zu geben scheinet. Auf die Stmtoniea als die Hauptperson fällt die
größte Masse des Lichts, und sie ziehet den ersten Blick ans sich. Der Priester
stehet im schwächeren Lichte, er sehet sich aber durch die Action, die man ihm
gegeben: er ist der Redner, und anßer ihm regieret eine allgemeine Stille
und Aufmerksamkeit. Der Prinz, welcher nach der Hauptfigur vornehmlich
merkwürdig sein mußte, ist mehr beleuchtet; und da des Künstlers Verstand
zum vornehmsten Teil seines Grnppv weislicher eine schöne Königin als einen
kranken Prinzen, der es vermöge der Natur der Sache hätte sein sollen, wählete,
so ist dieser dennoch dem Ausdruck nach das vorzüglichste im ganzen Gemälde,
Die größten Geheimnisse der Kunst liegen in dessen Gesicht.


(jnstss ngsZllsn mcinstrg.ro ob sortir es,neuen.

Die Regungen der Seele, die mit einander zu streiten scheinen, fließen hier
mit einer friedlichen Stille zusammen. Die Genesung meldet sich in dem
siechen Gesicht, sowie die Ankündigung der ersten nahen Blicke der Morgenröte,
die unter dem Schleier der Nacht selbst den Tag, und einen schönen Tag, z"


wie der gegenwärtige ist. erfordert wurde. Ihr Gewand ist meisterhaft geworfen,
und es kam: die Künstler lehren, wie sie den Purpur der Alten unten sollen.
Es ist nicht allgemein bekannt, daß der Purpur die Farbe von Weinblättern
gehabt, wenn sie anfangen welk zu U'erden und zu gleicher Zeit ins rötliche
fallen. König Seleucus steht hinter ihr in einer dunkeln Kleidung, um die
Hauptfigur uoch mehr zu heben und teils um die Stratonice nicht in Ver¬
wirrung zu- setzen, teils um den Prinzen nicht beschämt zu macheu oder dessen
Freude zu stören. Erwartung und Zufriedenheit schildern sich zu gleicher Zeit
in seinem Gesichte, welches der Künstler nach dein Profil der besten Köpfe ans
dessen Mürzen genommen hat. Der Prinz, ein schöner Jüngling, der auf
dem Bette halb nackend aufgerichtet sitzt, hat die Ähnlichkeit vom Vater und
vou feinen Münzen. Sein blasses Gesicht zeugt von dem Fieber, welches
in seinen Adern gewütet, allein man glaub: schon den Anfang der Genesung
zu spüren aus der wenigen aufsteigenden Röte, die nicht durch die Scham
gewü'rkt worden. Der Arzt und Priester Erasistrntus, ehrwürdig wie des
Homers Kalchas, welcher vor dem Bette steht» ist die ans Vollmacht des Königs
redende Person und erkläret dem Prinzen den Willen des Königs; und indem
er ihm mit der einen Hand die .Königin zuführet, so überreicht er ihm mit der
andern Hand das Diadem. Frende und Verwunderung wollen aus dem Gesichte
des Prinzen bei Annäherung der Königin hervorbrechen,


Und jedem Blick von ihr wMt dessen Herz entgegen.

die aber dnrch die Ehrfurcht in der edelsten Stille gehalten werden, so
daß er gleichsam sein Glück und gebeugtem Haupte zu überdenken scheinet. Alle
Charaktere, die der Künstler seinen' handelnden Personen gegeben, sind mit
solcher Weisheit ausgeteilet, daß ein jeder dem andern Erhabenheit und Nach¬
druck zu geben scheinet. Auf die Stmtoniea als die Hauptperson fällt die
größte Masse des Lichts, und sie ziehet den ersten Blick ans sich. Der Priester
stehet im schwächeren Lichte, er sehet sich aber durch die Action, die man ihm
gegeben: er ist der Redner, und anßer ihm regieret eine allgemeine Stille
und Aufmerksamkeit. Der Prinz, welcher nach der Hauptfigur vornehmlich
merkwürdig sein mußte, ist mehr beleuchtet; und da des Künstlers Verstand
zum vornehmsten Teil seines Grnppv weislicher eine schöne Königin als einen
kranken Prinzen, der es vermöge der Natur der Sache hätte sein sollen, wählete,
so ist dieser dennoch dem Ausdruck nach das vorzüglichste im ganzen Gemälde,
Die größten Geheimnisse der Kunst liegen in dessen Gesicht.


(jnstss ngsZllsn mcinstrg.ro ob sortir es,neuen.

Die Regungen der Seele, die mit einander zu streiten scheinen, fließen hier
mit einer friedlichen Stille zusammen. Die Genesung meldet sich in dem
siechen Gesicht, sowie die Ankündigung der ersten nahen Blicke der Morgenröte,
die unter dem Schleier der Nacht selbst den Tag, und einen schönen Tag, z»


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 48, 1889, Erstes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341849_204088/280>, abgerufen am 26.06.2024.