Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Tagebuchblätter eines Zonntcigsphilosophen. staaterei mit ihrem unaussprechlichen Elende nach allen Seiten, von dem wir
Und Möser in seinem Drama Arminius, einem Jugendwerke vom Jahre
Hätte man von dem Friedrichsglauben der alten Weissagungen noch ge¬ Tagebuchblätter eines Zonntcigsphilosophen. staaterei mit ihrem unaussprechlichen Elende nach allen Seiten, von dem wir
Und Möser in seinem Drama Arminius, einem Jugendwerke vom Jahre
Hätte man von dem Friedrichsglauben der alten Weissagungen noch ge¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0082" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289205"/> <fw type="header" place="top"> Tagebuchblätter eines Zonntcigsphilosophen.</fw><lb/> <p xml:id="ID_305" prev="#ID_304"> staaterei mit ihrem unaussprechlichen Elende nach allen Seiten, von dem wir<lb/> Alten noch einen schwachen Nachgeschmack kennen, wurde ausdrücklich mit dem<lb/> Hermannsgedanken in Verbindung gesetzt, z. B. von Schönaich im ersten Buche<lb/> seines Hermann, im Munde eines weisen Römers:</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_23" type="poem"> <l> O wie glücklich sind die Völker, die ein einzig Haupt regiert,<lb/> Wo man kein geteiltes Herrschen, keine fremde Macht verspürt.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_306"> Und Möser in seinem Drama Arminius, einem Jugendwerke vom Jahre<lb/> 1749, das durchaus als Spiegel der Gegenwart gearbeitet ist, wie Kleists Her¬<lb/> mannsschlacht, denkt dabei unverkennbar an Friedrich (Riffert S. 275):</p><lb/> <quote> <lg xml:id="POEMID_24" type="poem"> <l> Glückselig ist das Land, das nur ein Fürst regiert,<lb/> Der blos, um wohl zu thun der Gottheit Szepter führt u, f. w.</l> </lg> </quote><lb/> <p xml:id="ID_307" next="#ID_308"> Hätte man von dem Friedrichsglauben der alten Weissagungen noch ge¬<lb/> wußt, der bei den Gebildeten so versunken war, wie bis ius sechzehnte Jahr¬<lb/> hundert die Gestalt des Cheruskerhelden, die Dichter hätten sich sicher den<lb/> wirksamen Zug nicht entgehen lassen: da will ja die alte Prophezeiung in Er¬<lb/> füllung gehen! und gerade so, wie sie Kaiser Sigismund einst ausgelegt hatte,<lb/> vom Hause Brandenburg aus! Und es war nicht einmal ein blinder bloßer<lb/> Zufall, denn der Name Friedrich, im Hause der Hohenzollern so treulich fort¬<lb/> geführt bis auf heutigen Tag, geht bis in ihre schwäbische Zeit zurück und hat<lb/> gewiß Zusammenhang mit den hohenstaufischen Friedrichen, als Ausdruck treuen<lb/> Vasallcnverhältnisses und naher Zugehörigkeit. Und wenn im Titel der Kaiser<lb/> schon lange vor den Staufern der Ehrenname xii-oilivus erscheint (Waitz, deutsche<lb/> Verfassungsgeschichte 6, 114), noch nicht als leere Titelfüllung, sondern als be¬<lb/> deutsame Bezeichnung vom Wesen des Kaisertums in seiner Stellung nach innen<lb/> und außen (vergl. Nicolaus Cusanus oben), so fand man das in dem staufischen<lb/> Friedrich, d. h. eigentlich Friedenskönig, gewiß mit ausgesprochen, und heutzu¬<lb/> tage wird unser Kaiser als Friedensfürst in Europa herum gepriesen. Und da<lb/> muß doch auch erwähnt werden, daß von mehrern Forschern schon, unabhängig<lb/> von einander (zuletzt von dem gelehrten und scharfsinnigen Isländer Vigfusson,<lb/> mir fast überzeugend) die Vermutung aufgestellt worden ist, Arminius habe vor<lb/> seiner römischen Umlaufe mit heimischem Namen Siegfried geheißen und lebe<lb/> im Siegfried der Nibelungensage verdunkelt fort. Siegfried, der schönste Name<lb/> für einen Volkshelden, der denkbar ist: Sieg und Friede in und mit einem Manne,<lb/> durch großen Sieg zu großem Frieden. Haben wir das nicht erlebt? sind nicht<lb/> unsre Hohenzollernhelden rechte Siegfriede? und das deutsche Reich und Volk<lb/> will und soll es auch sein. Wie sich aber da in Arminius, Siegfried, Friedrich<lb/> unsre Nationalhelden so verschiedner Zeiten, der ältesten, der mittlern und der<lb/> neuern und neuesten, in Namen und Wesen die Hand reichen, oder in einen<lb/> leuchtenden Punkt über achtzehn Jahrhunderte hinweg zusammentreten, das wäre</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0082]
Tagebuchblätter eines Zonntcigsphilosophen.
staaterei mit ihrem unaussprechlichen Elende nach allen Seiten, von dem wir
Alten noch einen schwachen Nachgeschmack kennen, wurde ausdrücklich mit dem
Hermannsgedanken in Verbindung gesetzt, z. B. von Schönaich im ersten Buche
seines Hermann, im Munde eines weisen Römers:
O wie glücklich sind die Völker, die ein einzig Haupt regiert,
Wo man kein geteiltes Herrschen, keine fremde Macht verspürt.
Und Möser in seinem Drama Arminius, einem Jugendwerke vom Jahre
1749, das durchaus als Spiegel der Gegenwart gearbeitet ist, wie Kleists Her¬
mannsschlacht, denkt dabei unverkennbar an Friedrich (Riffert S. 275):
Glückselig ist das Land, das nur ein Fürst regiert,
Der blos, um wohl zu thun der Gottheit Szepter führt u, f. w.
Hätte man von dem Friedrichsglauben der alten Weissagungen noch ge¬
wußt, der bei den Gebildeten so versunken war, wie bis ius sechzehnte Jahr¬
hundert die Gestalt des Cheruskerhelden, die Dichter hätten sich sicher den
wirksamen Zug nicht entgehen lassen: da will ja die alte Prophezeiung in Er¬
füllung gehen! und gerade so, wie sie Kaiser Sigismund einst ausgelegt hatte,
vom Hause Brandenburg aus! Und es war nicht einmal ein blinder bloßer
Zufall, denn der Name Friedrich, im Hause der Hohenzollern so treulich fort¬
geführt bis auf heutigen Tag, geht bis in ihre schwäbische Zeit zurück und hat
gewiß Zusammenhang mit den hohenstaufischen Friedrichen, als Ausdruck treuen
Vasallcnverhältnisses und naher Zugehörigkeit. Und wenn im Titel der Kaiser
schon lange vor den Staufern der Ehrenname xii-oilivus erscheint (Waitz, deutsche
Verfassungsgeschichte 6, 114), noch nicht als leere Titelfüllung, sondern als be¬
deutsame Bezeichnung vom Wesen des Kaisertums in seiner Stellung nach innen
und außen (vergl. Nicolaus Cusanus oben), so fand man das in dem staufischen
Friedrich, d. h. eigentlich Friedenskönig, gewiß mit ausgesprochen, und heutzu¬
tage wird unser Kaiser als Friedensfürst in Europa herum gepriesen. Und da
muß doch auch erwähnt werden, daß von mehrern Forschern schon, unabhängig
von einander (zuletzt von dem gelehrten und scharfsinnigen Isländer Vigfusson,
mir fast überzeugend) die Vermutung aufgestellt worden ist, Arminius habe vor
seiner römischen Umlaufe mit heimischem Namen Siegfried geheißen und lebe
im Siegfried der Nibelungensage verdunkelt fort. Siegfried, der schönste Name
für einen Volkshelden, der denkbar ist: Sieg und Friede in und mit einem Manne,
durch großen Sieg zu großem Frieden. Haben wir das nicht erlebt? sind nicht
unsre Hohenzollernhelden rechte Siegfriede? und das deutsche Reich und Volk
will und soll es auch sein. Wie sich aber da in Arminius, Siegfried, Friedrich
unsre Nationalhelden so verschiedner Zeiten, der ältesten, der mittlern und der
neuern und neuesten, in Namen und Wesen die Hand reichen, oder in einen
leuchtenden Punkt über achtzehn Jahrhunderte hinweg zusammentreten, das wäre
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