Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.Frau Gottsched. veranlaßt hatte, ein Goldastische Abschrift der jetzt in Paris befindlichen Minne¬ Frau Gottscheds Gemüt niederzudrücken, vereinigten sich aber mit der Im Jahre 1767 hatte Gottsched auf Verlangen des Königs diesem auch Und an Frau von Nunkcl schrieb sie am 4. Februar 1768, nachdem ihr Ein andrer Gram zehrte im Stillen an Frau Gottscheds Herzen; sie Frau Gottsched. veranlaßt hatte, ein Goldastische Abschrift der jetzt in Paris befindlichen Minne¬ Frau Gottscheds Gemüt niederzudrücken, vereinigten sich aber mit der Im Jahre 1767 hatte Gottsched auf Verlangen des Königs diesem auch Und an Frau von Nunkcl schrieb sie am 4. Februar 1768, nachdem ihr Ein andrer Gram zehrte im Stillen an Frau Gottscheds Herzen; sie <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0621" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/289744"/> <fw type="header" place="top"> Frau Gottsched.</fw><lb/> <p xml:id="ID_2110" prev="#ID_2109"> veranlaßt hatte, ein Goldastische Abschrift der jetzt in Paris befindlichen Minne¬<lb/> sängerhandschrift, die er nur für kurze Zeit aus der Bremer Stadtbibliothek<lb/> geliehen bekam, für ihn abzuschreiben. Er rühmt, daß sie „diesen stattlichen<lb/> Folianten mit aller kritischen Richtigkeit" abgeschrieben und „diese mühsame<lb/> Arbeit vom 23. März 1734 bis zum 11. Mai desselben Jahres, also inner»<lb/> halb sechs Wochen und drei Tagen," vollendet habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_2111"> Frau Gottscheds Gemüt niederzudrücken, vereinigten sich aber mit der<lb/> geistigen Übermüdung noch gar andre Umstände. Zunächst empfand sie aufs<lb/> schmerzlichste die Plagen, mit denen der siebenjährige Krieg Leipzig und Sachsen<lb/> überhaupt heimsuchte. Sie haßte Preußen und den König Friedrich den Großen<lb/> ebenso sehr, wie sie die Kaiserin Maria Theresia verehrte und liebte. Selbst<lb/> eine Anerkennung ihrer Leistungen von feiten des großen Königs konnte ihren<lb/> Sinn nicht ändern, ihr Gemüt nicht erheitern.</p><lb/> <p xml:id="ID_2112"> Im Jahre 1767 hatte Gottsched auf Verlangen des Königs diesem auch<lb/> Proben von den Arbeiten seiner Gattin vorlegen müssen. Wie sie aber die<lb/> anerkennenden Urteile des Königs aufnahm, berichtet Gottsched mit folgenden<lb/> Worten: „Als ich des folgenden Tages die vorteilhaften Urteile dieses Monarchen,<lb/> darauf jeder andere witzige Kopf stolz geworden seyn würde, mit nach Hause<lb/> brachte, nahm sie dieselben doch sehr kaltsinuig auf und änderte ihre Gesin¬<lb/> nungen im geringsten nicht. Alles, was preußisch war, floh und haßte sie aufs<lb/> äußerste."</p><lb/> <p xml:id="ID_2113"> Und an Frau von Nunkcl schrieb sie am 4. Februar 1768, nachdem ihr<lb/> Gatte die schon erwähnte Dose geschenkt erhalten hatte: „Es gab eine Zeit, da<lb/> mich die Huld der Großen auch rührte. Wie viel empfand mein Herz beym<lb/> Anblick der Kaiserin? Wie viel bey ihren Gnadenbezeigungen? Wie stolz<lb/> war ich damals auf das Glück, die Kaiserin zu sehen? Wie gerührt war ich<lb/> bey der Unterredung, welcher mich diese über ihre Kronen erhabene Frau<lb/> würdigte! Mit eben dem lebhaften Gefühl der Dankbarkeit würde ich einen<lb/> ledernen Handschuh von der schönsten Hand, die jemals Zepter geführt, ange¬<lb/> nommen und als ein Heiligtum verwahrt haben, als ich nachher die prächtige<lb/> Haarnadel empfing, darüber ich meine Empfindungen auszudrücken nicht ver¬<lb/> mögend war. Jetzt rührt mich nichts mehr. Selbst Geschenke der Großen<lb/> würden mir jetzt wenig oder gar keine Freude verursachen. So schüchtern hat<lb/> mich der Krieg, der unselige Krieg, gegen alle dergleichen Gnadenzeichen gemacht.<lb/> Was für Vorgänge könnte mir z. B. eine goldene Dose aus der Hand eines<lb/> Monarchen erwecken, der meinen Mitbürgern ebenso furchtbar als groß ist?<lb/> Aber was hilft mir mein Patriotismus? Er trägt meinem Arzt und dem<lb/> Apotheker mehr von mir ein, als er mir selbst Nutzen bringt."</p><lb/> <p xml:id="ID_2114" next="#ID_2115"> Ein andrer Gram zehrte im Stillen an Frau Gottscheds Herzen; sie<lb/> wußte seit 1763, daß sie gegründete Ursache hatte, an der Treue ihres Gatten<lb/> zu zweifeln. Nur ihrer besten Freundin, der Frau von Runkel, hat sie ihr</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0621]
Frau Gottsched.
veranlaßt hatte, ein Goldastische Abschrift der jetzt in Paris befindlichen Minne¬
sängerhandschrift, die er nur für kurze Zeit aus der Bremer Stadtbibliothek
geliehen bekam, für ihn abzuschreiben. Er rühmt, daß sie „diesen stattlichen
Folianten mit aller kritischen Richtigkeit" abgeschrieben und „diese mühsame
Arbeit vom 23. März 1734 bis zum 11. Mai desselben Jahres, also inner»
halb sechs Wochen und drei Tagen," vollendet habe.
Frau Gottscheds Gemüt niederzudrücken, vereinigten sich aber mit der
geistigen Übermüdung noch gar andre Umstände. Zunächst empfand sie aufs
schmerzlichste die Plagen, mit denen der siebenjährige Krieg Leipzig und Sachsen
überhaupt heimsuchte. Sie haßte Preußen und den König Friedrich den Großen
ebenso sehr, wie sie die Kaiserin Maria Theresia verehrte und liebte. Selbst
eine Anerkennung ihrer Leistungen von feiten des großen Königs konnte ihren
Sinn nicht ändern, ihr Gemüt nicht erheitern.
Im Jahre 1767 hatte Gottsched auf Verlangen des Königs diesem auch
Proben von den Arbeiten seiner Gattin vorlegen müssen. Wie sie aber die
anerkennenden Urteile des Königs aufnahm, berichtet Gottsched mit folgenden
Worten: „Als ich des folgenden Tages die vorteilhaften Urteile dieses Monarchen,
darauf jeder andere witzige Kopf stolz geworden seyn würde, mit nach Hause
brachte, nahm sie dieselben doch sehr kaltsinuig auf und änderte ihre Gesin¬
nungen im geringsten nicht. Alles, was preußisch war, floh und haßte sie aufs
äußerste."
Und an Frau von Nunkcl schrieb sie am 4. Februar 1768, nachdem ihr
Gatte die schon erwähnte Dose geschenkt erhalten hatte: „Es gab eine Zeit, da
mich die Huld der Großen auch rührte. Wie viel empfand mein Herz beym
Anblick der Kaiserin? Wie viel bey ihren Gnadenbezeigungen? Wie stolz
war ich damals auf das Glück, die Kaiserin zu sehen? Wie gerührt war ich
bey der Unterredung, welcher mich diese über ihre Kronen erhabene Frau
würdigte! Mit eben dem lebhaften Gefühl der Dankbarkeit würde ich einen
ledernen Handschuh von der schönsten Hand, die jemals Zepter geführt, ange¬
nommen und als ein Heiligtum verwahrt haben, als ich nachher die prächtige
Haarnadel empfing, darüber ich meine Empfindungen auszudrücken nicht ver¬
mögend war. Jetzt rührt mich nichts mehr. Selbst Geschenke der Großen
würden mir jetzt wenig oder gar keine Freude verursachen. So schüchtern hat
mich der Krieg, der unselige Krieg, gegen alle dergleichen Gnadenzeichen gemacht.
Was für Vorgänge könnte mir z. B. eine goldene Dose aus der Hand eines
Monarchen erwecken, der meinen Mitbürgern ebenso furchtbar als groß ist?
Aber was hilft mir mein Patriotismus? Er trägt meinem Arzt und dem
Apotheker mehr von mir ein, als er mir selbst Nutzen bringt."
Ein andrer Gram zehrte im Stillen an Frau Gottscheds Herzen; sie
wußte seit 1763, daß sie gegründete Ursache hatte, an der Treue ihres Gatten
zu zweifeln. Nur ihrer besten Freundin, der Frau von Runkel, hat sie ihr
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |