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Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr.

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Frau Gottsched.

weis von des Monarchen Zufriedenheit gewesen und hat meinen Mann in Ent¬
zückung gesetzt. Lassen Sie sich alles dieses von seiner Feder viel weitläufiger,
viel prächtiger erzählen; darzu bin ich nicht geschickt genug; wissen Sie doch
nun das Wesentlichste." Sie hatte ganz recht; Gottsched würde in ganz an¬
deren Ausdrücken über ein solches Geschenk berichtet haben. Frau Gottsched
aber konnte mit umso besserm Rechte über des Gatten Eitelkeit scherzen, als
sie selbst sich ganz frei davon wußte.

Sie wußte sehr wohl den hohen Beweis kaiserlicher Gnade zu schätzen,
als sie an dem Hofe Maria Theresias als "die gelehrteste Frau Deutschlands"
gefeiert wurde, und der Kaiserin huldvolle Worte hat sie stets in dankbarem
Andenken behalten; aber bei der Vorstellung am Hofe selbst war sie bescheiden
und zum Schrecken ihres Gatten offen genug, seiner ihre Sprachkenntnisse auf¬
zählenden Beantwortung der Fragen, wie viel Sprachen Frau Gottsched ver¬
stehe, die Bemerkung hinzuzufügen: "Eigentlich keine recht!"

Gewiß hielt Frau Gottsched das Geschenk der Kaiserin, eine "brillantne
Prunknadel von besonderer Erfindung, die von Kennern auf die tausend Thaler
geschätzet ward," in großen Ehren, aber mit dieser "Prunknadel" zu prunken,
lag ihr ganz fern. Der Gatte berichtet: "Der weiblichen Neigung zu kost¬
barem Putze, vielem Geschmeide und prächtigen Kleidern war sie gar nicht er¬
geben; ja selbst das Kleinod aus den Händen der Kaiserin, womit sie billig
hätte prangen können, hat sie in ihrem Leben kaum drei oder vier mal an das
Haupt gestecket. Nichts war ihr lieber, als eine ungekünstelte, einfache und
reinliche Tracht."

Wie sehr sich ihre Bescheidenheit mit einem berechtigten Selbstgefühl ver¬
trug, zeigte Frau Gottscheds Verhalten gegen Voltaire. Eine Freundin der
Franzosen war sie ja überhaupt nicht, und wie sie insbesondre über die Fran¬
zosen an König Friedrichs Hose dachte, das hat schon oben eine Stelle aus
der Vorrede zu ihrer Übersetzung des "Lockenraubes" gezeigt. Wie sie aber
bei einem Besuche Voltaires in Leipzig sich diesem gegenüber benommen hat,
das muß jedem guten Deutschen noch heute eine patriotische Freude bereiten.
Wir hören sie darüber am besten selbst berichten in zwei Briefen an Frau
vou Nunkel.

Am 4. April 1763 schreibt sie: "Aber etwas ganz Neues. Voltaire ist
hier; er ist selbst hier, ganz gewiß! Er stieg bei dem Herrn Breitkopf ab. Ich
wußte es, wollte mich aber nicht sehen lassen, weil mein Freund ^so nennt Frau
Gottsched ihren Gatten sehr oft) ausgegangen war und ich seinen Entschluß
erwarten wollte. Er kommt, Herr Vreitkopf führet ihn zum Voltaire hinein;
dieser fraget, ob es in Leipzig bequeme Zimmer gäbe. Oui, Nonsisur, js Vou8
MönsrN äWS uns audsrAö, on Vous se-rW xaMitsinsut visu . . . Man
ging hierauf mit dem ganzen Gefolge fort; der blaue Engel hatte die Ehre,
diesen Gast aufzunehmen. Voltaire hätte vielleicht lieber bei einem Dichter


Frau Gottsched.

weis von des Monarchen Zufriedenheit gewesen und hat meinen Mann in Ent¬
zückung gesetzt. Lassen Sie sich alles dieses von seiner Feder viel weitläufiger,
viel prächtiger erzählen; darzu bin ich nicht geschickt genug; wissen Sie doch
nun das Wesentlichste." Sie hatte ganz recht; Gottsched würde in ganz an¬
deren Ausdrücken über ein solches Geschenk berichtet haben. Frau Gottsched
aber konnte mit umso besserm Rechte über des Gatten Eitelkeit scherzen, als
sie selbst sich ganz frei davon wußte.

Sie wußte sehr wohl den hohen Beweis kaiserlicher Gnade zu schätzen,
als sie an dem Hofe Maria Theresias als „die gelehrteste Frau Deutschlands"
gefeiert wurde, und der Kaiserin huldvolle Worte hat sie stets in dankbarem
Andenken behalten; aber bei der Vorstellung am Hofe selbst war sie bescheiden
und zum Schrecken ihres Gatten offen genug, seiner ihre Sprachkenntnisse auf¬
zählenden Beantwortung der Fragen, wie viel Sprachen Frau Gottsched ver¬
stehe, die Bemerkung hinzuzufügen: „Eigentlich keine recht!"

Gewiß hielt Frau Gottsched das Geschenk der Kaiserin, eine „brillantne
Prunknadel von besonderer Erfindung, die von Kennern auf die tausend Thaler
geschätzet ward," in großen Ehren, aber mit dieser „Prunknadel" zu prunken,
lag ihr ganz fern. Der Gatte berichtet: „Der weiblichen Neigung zu kost¬
barem Putze, vielem Geschmeide und prächtigen Kleidern war sie gar nicht er¬
geben; ja selbst das Kleinod aus den Händen der Kaiserin, womit sie billig
hätte prangen können, hat sie in ihrem Leben kaum drei oder vier mal an das
Haupt gestecket. Nichts war ihr lieber, als eine ungekünstelte, einfache und
reinliche Tracht."

Wie sehr sich ihre Bescheidenheit mit einem berechtigten Selbstgefühl ver¬
trug, zeigte Frau Gottscheds Verhalten gegen Voltaire. Eine Freundin der
Franzosen war sie ja überhaupt nicht, und wie sie insbesondre über die Fran¬
zosen an König Friedrichs Hose dachte, das hat schon oben eine Stelle aus
der Vorrede zu ihrer Übersetzung des „Lockenraubes" gezeigt. Wie sie aber
bei einem Besuche Voltaires in Leipzig sich diesem gegenüber benommen hat,
das muß jedem guten Deutschen noch heute eine patriotische Freude bereiten.
Wir hören sie darüber am besten selbst berichten in zwei Briefen an Frau
vou Nunkel.

Am 4. April 1763 schreibt sie: „Aber etwas ganz Neues. Voltaire ist
hier; er ist selbst hier, ganz gewiß! Er stieg bei dem Herrn Breitkopf ab. Ich
wußte es, wollte mich aber nicht sehen lassen, weil mein Freund ^so nennt Frau
Gottsched ihren Gatten sehr oft) ausgegangen war und ich seinen Entschluß
erwarten wollte. Er kommt, Herr Vreitkopf führet ihn zum Voltaire hinein;
dieser fraget, ob es in Leipzig bequeme Zimmer gäbe. Oui, Nonsisur, js Vou8
MönsrN äWS uns audsrAö, on Vous se-rW xaMitsinsut visu . . . Man
ging hierauf mit dem ganzen Gefolge fort; der blaue Engel hatte die Ehre,
diesen Gast aufzunehmen. Voltaire hätte vielleicht lieber bei einem Dichter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 47, 1888, Drittes Vierteljahr, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341847_289122/619>, abgerufen am 23.07.2024.